Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es war an einem Spätnachmittag Ende September. Mol stand hinten im Garten. Die Sonne, die auf die Fertigbetonmauer fiel, zwischen den Häusern hindurch, beschien sie bis zum mittleren Knopf ihrer Kittelschürze. Ihre untere Körperhälfte lag im Schatten, ihre obere Hälfte wurde erwärmt.
Sie schaute sich den Haufen Zeug an, den Lambert ausgebuddelt hatte. Es war ein Riesenhaufen: rote Backsteine, glatte Stücke Abflussrohr und merkwürdige dicke Zementklumpen, in die blaue Kieselsteine eingebacken waren, wie man sie oft auf Gräber legte. Dazwischen glitzerten Glasscherben und andere glänzende Dinge, von denen Lambert die meisten schon rausgepickt hatte. Für seine Sammlung, hatte er gesagt. Lambert sammelte alles Mögliche.
Gerty stand neben Mol und schnupperte an dem Haufen. Riecht bestimmt noch nach Kaffer, dachte Mol. Der Hund zog etwas zwischen zwei Zementklumpen hervor und legte es vor Mols Füße.
»Was ist das, Gerty? Hä? Was hast du da? Zeig's dem Frauchen!«
Mol hob es auf. Es war eine Dose. Ganz platt gedrückt und durchgerostet. Sah nach einer Marmeladendose aus. Kaffernmarmelade! Pfui Teufel! Mol warf sie auf den Haufen zurück.
Sie nahm Gerty auf den Arm und blickte über ihren kahlen Garten. Nichts als trockener, gelber Rasen bis vorn zum Zaun. Lambert sagte, sie würden auf Schutt wohnen, und der wäre sogar unter den Straßen, von der Tobystraat bis rüber zur Annandale, alles nur Schutt.
Die Kaffern mussten damals so schnell hier weg, dass sie nicht mal mehr Zeit hatten, ihre Hunde mitzunehmen.
Viele ihrer Sachen mussten sie zurücklassen. Ganze Büfetts voller Glas und Geschirr, das klirrend in tausend Scherben zersprang, als die Planierraupen kamen, und dazu Betten, Emailschüsseln und Zinkbadewannen und, und, und. Alles wurde vor ihren Augen plattgemacht.
War ein Mordsanblick.
Die Kaffern schrien und rannten rum wie verrückt. Alles, was sie zu fassen kriegten, versuchten sie zusammenzuraffen und auf die Laster zu laden, mit denen sie weggebracht wurden.
Und die Hunde der Kaffern jaulten und flüchteten in alle Richtungen, um nicht von den einstürzenden Hütten verschüttet zu werden.
Mol erinnerte sich noch gut an diesen Tag, als sie die erste Ladung Kaffern wegbrachten. Es regnete. Das war im Februar 55. Sie sahen oben von der Ontdekkerstraat aus zu, denn Treppie hatte da schon von den Plänen gehört, billige Häuser für »weniger begüterte Weiße« auf dem Gelände des ehemaligen Sophiatown zu bauen.
Triomf, so hatten sie gehört, solle das neue Viertel heißen.
Nur für Weiße. 1960 sollte Baubeginn sein.
»Von Fietas nach Triomf!«, hatte Treppie gesagt, und sie könnten nicht behaupten, dass es in ihrem Leben nicht aufwärts ginge.
Fietas wurde später auch abgerissen, kurz nachdem sie weggezogen waren.
In Vrededorp hatten auch echt katastrophale Zustände geherrscht.
Vrededorp lautete der richtige Name des Viertels, aber alle nannten es nur Fietas, nach den vielen »Men's Outfitters« in der 14. Straße. Aus »-fitters« wurde »Fietas«.
Gerty wand sich in Mols Armen und sie setzte sie ab. Wieder trippelte der Hund zu dem Haufen. Wie tief das Loch noch werden sollte, wusste nur Gott im Himmel. Es wäre für Benzin, sagte Lambert, er wolle Benzin darin lagern. Für nach den Wahlen, wenn die Kacke am Dampfen wäre, sagte er. Treppie hatte ihm solche Flausen in den Kopf gesetzt.
Gerty bettelte um Aufmerksamkeit. Sie buddelte mit den Vorderpfoten im Haufen und wühlte mit der Schnauze zwischen den Betonklumpen, sodass sie schon ganz rot war vom Backsteinstaub. Mit gespitzten Ohren schaute sie Mol an. Sie will spielen, dachte Mol. Ach, armes altes Hündchen, hast nicht viel Gelegenheit zum Spielen.
Mol ließ sich schwer auf die große leere Dogmor-Hundefutterdose sinken, die neben dem Haus stand. Sie fuhr mit der Hand in die Tasche ihrer Kittelschürze, holte ihre Zigaretten heraus und zündete sich eine an.
Die Kaffern waren nicht gerade begeistert gewesen, so viel stand fest.
Von ihrem Ausguckposten auf der anderen Straßenseite hatten sie beobachtet, wie sie die vorbeifahrenden Busse mit Steinen beworfen hatten. Und auch die Straßenbahnen.
Damals fuhr noch eine Straßenbahn bis raus nach Roodeport.
Treppie war ganz begeistert von den Abrissarbeiten. Oft fuhr er nach seiner Schicht noch mit der Straßenbahn bis zur Ontdekkers, um nachzusehen, wie sie vorangingen. Sogar nach der Nachtschicht machte er sich manchmal auf den Weg dorthin. Zu Fuß. Wenn er dann nach Hause kam, erzählte er ihr und Pop stundenlang, was er alles gesehen hatte. »Da, wo unsere Zukunft liegt«, sagte er, »da, wo wir einen Neuanfang machen werden«, und dann lachte er so schief. Damals hatte sie noch nicht richtig begriffen, was dieses komische Lachen bedeutete, aber inzwischen hatte sie es gelernt. Hier bei ihnen in Triomf gab's nichts zu lachen. Hier ging die Scheiße einfach nur weiter, und in letzter Zeit besonders dicke.
Damals, als alles plattgemacht wurde, lief so ein dünner Priester rum, mit einem langen schwarzen Gewand. Er schlängelte sich zwischen den Baumaschinen durch und versuchte, den Kaffern mit ihren Sachen zu helfen, das hatte Treppie erzählt.
Alle Kaffernhunde kannten ihn. Sie sprangen an ihm hoch, sodass sein schwarzes Gewand abends voller staubiger Pfotenabdrücke war.
Aber er konnte auch nichts für sie tun. Weder für die Hunde noch für ihre Kaffern.
Er war ein englischer Priester und ein richtiger Kafferboetie. Huddleston hieß er, aber Treppie nannte ihn nur Huddel und Brassel, denn er wäre bloß eins von diesen scheinheiligen Großmäulern aus Übersee, die in unser Land kämen und sich überall einmischten.
Seine Kirche stand noch dahinten, wirkte aber inzwischen ziemlich verlassen, wenn sie vorbeifuhren. Das Gebäude beherbergte inzwischen die PPK, die Pinkster Protestantse Kerk, aber von diesen Protestanten schien es nicht viele zu geben. Nicht viel mehr jedenfalls als von den Mitgliedern der Christusgemeinde. Und die passten alle in einen Kombi. Manchmal sah sie den Pastor mit dem Kombi durch die Marthastraat fahren, um die Gemeindemitglieder abzuholen, die Lede In Christuskerk, wie in großen, blauen Schnörkelbuchstaben auf einer Seite des Autos stand. Hier einen, da einen, so las er sie auf. Ein armseliger Haufen.
Es gab also die PPK, die Lede, die Apostolischen und die Zeugen Jehovas hier in Triomf. Gegenüber dem Shoprite stand auch noch eine Nederlands Gereformeerde Kerk, aber die war meistens leer, außer sie hielten dort einen Basar ab. Gleich neben der NG-Kirche, kurz vor den Polizeigebäuden, war ein neues, weißes Schild mit rosa Buchstaben aufgestellt worden: Day Spring Christian Church. Mol hatte gesehen, dass die Bullen mit ihren Frauen hingingen. War sicher schön in der Kirche. Priester ließen sich gar nicht mehr in Triomf blicken, nur weiter unten in der Annandale, am anderen Ende von Triomf, in Richtung Martindale. Da hatten sie neulich einen gesehen, aber er hatte ein weißes Gewand angehabt, kein schwarzes. Die hielten da gemischten Gottesdienst ab. Sie und Pop und Treppie - Lambert war nicht dabei gewesen - waren gerade von der Karosseriewerkstatt gekommen, und da hatten sie gesehen, wie die aus der gemischten Kirche rauskamen - musste eine Hochzeit gewesen sein -, und da stand der Priester an der Tür und verabschiedete die Kaffern und die Hotnots und die Weißen. Breites Grinsen im Gesicht, berührte alle mit derselben Hand.
Es wäre eine katholische Kirche, sagte Treppie. Er sagte, das wäre volksfremd, diesem Volk so die Hand zu schütteln, und dann hatte er sich totgelacht. Er sagte, zwischen den beiden Völkern bestünde ein himmelweiter Unterschied. Aber sie in Triomf wüssten, dass im Grunde nur die Ontdekkerstraat zwischen ihnen läge. Denn auf der anderen Seite der Ontdekkers läge Bosmont, und in Bosmont würde es von diesen Leuten nur so wimmeln.
Nicht, dass sie hier in Triomf Probleme mit denen hatten. Nur am Sparmarkt in Thornton bettelten die Hotnotskinder. Manchmal gab Pop ihnen was Süßes, wenn er mit Toby und Gerty auf die Wiese hinter dem Spar ging. Dann wollten die Kinder mit Toby und Gerty spielen, aber Toby und Gerty wollten nicht. Sie wollten nur die Kaffern jagen, die auf der Wiese Fußball spielten. Das waren solche jungen, wilden Kaffern mit starken, schwarz glänzenden Beinen und verbissenen Gesichtern, und es ging hart zur Sache bei ihnen. Toby hatte einmal einen ins Bein gebissen und dafür einen Tritt in den Hintern kassiert. Pop sagte, das wär passiert, weil Toby ein weißer Hund sei, denn Kaffern würden Hunde eigentlich mögen. Treppie sagte, das könnte sein, es hinge nur davon ab, wie viel Hunger ein Kaffer hätte, und dann erzählte er wieder diese Geschichte von den Hunden aus Sophiatown.
Nachdem alles plattgemacht worden war - knapp drei Jahre hatte es gedauert -, hatten die zurückgebliebenen Hunde angefangen zu heulen. Überall zwischen den Schutthaufen hatten sie mit den Schnauzen in der Luft gesessen und so geheult, dass man es meilenweit hören konnte.
Treppie erzählte, dass er an einem Abend ein paar von den Kaffern hatte zurückkommen sehen, mit Macheten, und damit hätten sie ihre Hunde getötet. Später wusste er nicht mehr, ob die Kaffern oder die Hunde geheult hatten. Dann hätten sie sie in Säcken weggeschafft.
Er wär sicher, sagte Treppie, dass sie Eintopf aus ihnen gekocht hätten. Mit Zwiebeln und Tomaten...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.