Schweitzer Fachinformationen
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Amerika hatte Kemis Liebesleben zerstört.
Es hatte ihre Würde zerfetzt, die Schnipsel in die Luft geworfen und dabei schrill gelacht wie eine Hyäne. Kemi fühlte sich verdammt dazu, fragwürdige Kandidaten aufzulesen, und sie war es leid, ihre unsichtbare Rüstung zu tragen. Ein zwei Tonnen schweres Abwehrsystem, das der Welt entgegenschrie, sie brauche keinen Mann.
Sie konnte diese Last nicht länger tragen.
In letzter Zeit las sich ihr Datingleben wie ein Dossier der Schmach. Alles begann mit jenem denkwürdigen Abendessen mit Deepak.
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich Softwareentwickler bin, oder?« Schon nach zwanzig Minuten fing Deepak an zu schwadronieren. Kemi starrte ihn einfach nur zornig an. Dass er zum sechsten Mal beiläufig seine Karriere erwähnte, erschien ihr keiner verbalen Antwort würdig. Den Rest des Abends streute Deepak dann in regelmäßigen Abständen seine Liebe für »Schwarze Hintern« in seine Monologe ein.
Darauf folgte das stumme Date mit Earl, einem weißen Buchhalter aus Ohio, der Vorstellungen von einem Serienmörder heraufbeschwor. Earl starrte die ganze Zeit an ihrem Gesicht vorbei ins Nichts. Wann immer er versuchte, Kemi mit seinen Adleraugen anzuschauen, wanderte sein Blick zu ihrem Ausschnitt, um dann wieder zu der faszinierenden Leere hinter ihr zurückzukehren.
Sie war sich nicht sicher, ob er schüchtern oder heimtückisch war.
Und wie könnte sie den jamaikanischen Immobilienmakler Devan vergessen, dessen Blick jeder weißen Frau folgte, die an ihrem Tisch vorbeischlenderte, während er seine unbeirrbare Liebe für die Sisters beteuerte?
Amerika hatte Kemis Grenzen ausgetestet und ihre Entschlossenheit unfreiwillig ein Boot Camp durchlaufen lassen. Allen Datingumfragen, die sie gelesen hatte, zufolge war sie - als Schwarze Afrikanerin - neben asiatischen Männern die am wenigsten erstrebenswerte Beziehungskandidatin.
Jene Umfragen besagten, die erste Wahl falle stets auf jemand anderes.
Dieses Urteil nagte an Kemi, höhlte sie aus und brachte eine schwächere Version ihrer selbst zum Vorschein, die jeden Verehrer durch die skeptische Linse der Paranoia betrachtete. Aber als hätte sie eine masochistische Ader, kehrte sie immer wieder zu jener App zurück, die sie so zuverlässig wie präzise enttäuschte.
»Mach dir keine Sorgen, mein Schatz.« Die lang gezogenen Worte ihrer Mutter drangen plötzlich in Kemis Bewusstseinsstrom, wenn sie gerade damit beschäftigt war, auf ihrem iPhone Gesichter nach links oder rechts zu wischen.
Danach gingen diese Worte über zu einer Minipredigt, gefolgt von einem Tadel: »Gottes Zeit ist die beste. Geh in die Kirche! Verschwende nicht länger deine Zeit! Lass dich nicht unnötig vom Teufel verleiten, s? gb?? Hörst du mir zu?«
Ihre Mutter verteilte ihre Zärtlichkeit stets mit einer gesunden Portion Realismus. Kemi nickte automatisch zu jeder beiläufigen Bemerkung, im vollen Bewusstsein, dass ihre Mutter am Telefon war und sie nicht sehen konnte.
Um ehrlich zu sein, war Kemi es leid, bei Familiendiskussionen, in Konferenzräumen und auf langweiligen Dates ständig zu nicken. Sie war es leid, die archetypische »starke Schwarze Frau« zu sein, die keine Verletzlichkeit kannte. Das jahrelange Vortäuschen, die Berührung eines Mannes nicht zu brauchen, hatte seinen Glanz verloren.
Sie war einsam.
»Ernsthaft? Wie machst du das, Guurrl?« Connors Boston-irischer Akzent durchschnitt ihre Konzentration wie eine schrille Radiofrequenz. »Du bist eine bemerkenswerte Frau!«
Sie sah nicht zu ihm auf. Wann immer Connor in gekünstelten Slang verfiel, wandte Kemi den Blick ab, um seine Würde zu wahren. Sie hatte gerade die von einer Werbeagentur zugeschickten neusten Marken-Layouts überprüft. Mit auf die Finger gestützter gerunzelter Stirn hatte sie den Werbetext überflogen und dabei das Gesicht verzogen über eine Sprache, die deutlich machte, dass hier eine einzige Sichtweise eine globale Kampagne verantwortet hatte, die unterschiedliche Perspektiven widerspiegeln sollte.
Kemi war noch immer sauer auf Connor, der darauf beharrt hatte, dass sie den Text ein weiteres Mal überarbeitete, obwohl sie ihm versichert hatte, es sei Zeitverschwendung. Er hatte sie einfach aus seinem Büro gewinkt und behauptet, wenn irgendjemand aus Scheiße Brownies backen könne, dann sei es Kemi.
»Was?«, fragte Kemi halbherzig, während sie den vor ihr liegenden Mist weiterlas.
»Ich sagte«, erwiderte Connor in die Länge gezogen, »dass du eine bemerkenswerte Frau bist, Kemi. Herzlichen Glückwunsch!« Er trat nun vollständig in ihr Eckbüro mit seinen Panoramafensterscheiben, das sie mental vom Großraumbüro trennte. Physisch tat es das jedoch nicht, so sehr Kemi sich auch danach sehnte.
Sie wollte, dass er aus ihrem Bereich verschwand. Aber er fuhr fort: »Du bist landesweit zur Marketing-Expertin des Jahres ernannt worden. Schon wieder! Herzlichen Glückwunsch!« Auf seinem leicht sommersprossigen Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Er verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust, die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen aufgerollt.
Kemi antwortete mit einem tiefen Atemzug, sagte dann: »Danke, Connor«, und ließ ihre Worte zu einem Lächeln ausklingen.
»Nun ja, bedank dich beim Komitee! Wir können die Neuigkeit noch nicht veröffentlichen, weil sie bis Mitte Mai gesperrt ist, aber wir sollten es schon feiern. Ich lasse Rita einen Kuchen und ein paar Flaschen Champagner besorgen«, fügte er hinzu.
»Danke schön, aber ich möchte wirklich kein Aufheben darum machen. Es ist eine riesige Ehre, aber -«
Er unterbrach sie: »Nun, wir werden aber ein Aufheben darum machen, um dich, also wird Rita für Freitag den Kuchen und den Champagner besorgen, okay?«
Sie lächelte erneut, diesmal breiter, wobei sie ihre tiefen Grübchen zeigte. In diesem Moment bemerkte sie ihn. Schon wieder. Connors nackten Blick. Dieses Verweilen für den Bruchteil einer Sekunde, das Kemi offenbarte, dass ihr Chef sie wollte.
Sie wandte sich abrupt von ihm ab und wieder dem Werbetext zu, den zu verbessern sie sich bemühte. »Nochmals danke, Connor«, sagte sie, um ihn endlich loszuwerden. Sie spürte seine bedrohlich aufragende Präsenz, bis Connor sich umdrehte und davonschritt. Kemi sah noch rechtzeitig auf, um einen Blick auf seinen vertrauten Gang zu erhaschen, den sie in den letzten vier Jahren beinahe wöchentlich hatte verfolgen können. Jenes Stolzieren, das allen, die ihm entgegenkamen, unmissverständlich mitteilte, dass er den Laden führte, auch wenn er nicht der eigentliche Besitzer der Firma war.
Kemi konnte nicht länger bei Andersen & Associates bleiben.
Gedanken an eine Kündigung schwammen ihr jeden Tag durch den Kopf. Montags sprangen sie herein, wenn Connor das Team für ein Meeting zusammenrief. Dienstags zogen sie Bahnen, wann immer er Kemi auf dem schmalen Grat zwischen Flirten und Herumkommandieren umkreiste. Mittwochs tauchten sie nach Luft schnappend auf, sobald er zu Kundenbesuchen das Büro verließ. Und dann ging es im Schmetterlingsstil weiter bis zum Wochenende, wenn Kemi diese Gedanken abzuschütteln versuchte.
Auch wenn sie sich langsam in ihrer Exekutivfunktion eingelebt und ein paar Kundenportfolios von den roten in die schwarzen Zahlen gebracht hatte, erinnerte Connor McDonoughs Blick Kemi daran, dass sie noch immer eine Probe war, die entnommen und getestet werden konnte. Oder eher gekostet. Er war bereits mit seiner ersten Wahl verheiratet, aber er wollte sie probieren wie Käse auf Zahnstochern, der auf einem Wochenmarkt Vorbeikommenden feilgeboten wurde.
Er hatte nicht vor, etwas zu kaufen. Er war einer jener Männer, die sich nachts an den Kühlschrank schleichen wollten, um sich dort zu überfressen, während alle schliefen, nur um am nächsten Morgen wieder zu ihren Diäten - ihren Ehefrauen - zurückzukehren.
Connor hatte sich im Laufe der Jahre erfolglos bemüht, seine lüsternen Blicke zu verbergen. Er bezeichnete alles, was Kemi tat, als »bemerkenswert«, auch wenn sie bloß ihren Job erledigte, was sein mittelmäßiger Versuch war, sich durch leere Schmeicheleien näher an sie heranzuschleichen.
Kemi nahm die losen Blätter des grauenhaften Werbetextes von ihrem Schreibtisch und fing an, sie eins nach dem anderen zu zerreißen. Sie riss und riss und verstreute die Fetzen wie Konfetti über ihren Schreibtisch und ihr Büro mit seiner Aussicht auf den Capitol Hill in der Ferne, umrahmt von hellrosa Kirschblüten.
Wie kaltes Wasser ins Gesicht einer Betrunkenen unterbrach das hohe Summen ihres Telefons Kemis Papierfetzenparade, gefolgt von der ebenso hohen Stimme ihrer Sekretärin Nicole.
»Ms....
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