Schweitzer Fachinformationen
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Sahra Bering stand reglos, wie eine Statue zwischen Flöten aus Kristall, goldumrahmten Leinwänden und Stimmen, die wie Parfum in der Luft hingen. In ihrer Hand ruhte das Sektglas, leicht erhoben, als sei es nicht Getränk, sondern Zepter. Sie sprach, sie lächelte, sie war die Gastgeberin eines Abends, der so glitzerte wie die Augen ihrer Gäste - Augen, in denen keine Tiefe war. Man reichte ihr Lob wie Opfergaben. Herren in teuren Stoffen und Damen mit Juwelen an den Handgelenken und Hälsen nickten beifällig, küssten Wangen, flüsterten Komplimente, die längst ihre Bedeutung verloren hatten. Alles war so glatt, so kunstvoll inszeniert, dass kein Laut der Welt diesen Kokon hätte durchdringen können. Dabei war dies nicht ihre Bühne. Nicht ganz. Nicht mehr. Das Museum, dem sie sonst Würde verlieh, war fern; hier, in dieser Galerie, kämpfte etwas ums Überleben. Eine Freundin hatte sie gebeten. Die Mauern bröckelten schon, als Sahra einzog. Also bot sie ihr Gesicht, ihren Namen, ihre Adern für das zitternde Herz dieses Hauses. Und nun stand sie hier, Teilhaberin eines Traumes, der kaum mehr war als feiner Staub auf lackierten Rahmen. Doch Sahra fühlte sich wohl. Noch. Denn wer unter Masken lebt, weiß, dass sie irgendwann das Gesicht werden.
Diese Vernissage war kein Fest - sie war ein letzter Versuch, das Sinken aufzuhalten. Die Galerie, deren Wände noch immer rochen nach kaltem Stein und abblätternder Hoffnung, stand kurz davor, zu einem leeren Raum zu werden, in dem nur das Echo der Vergangenheit wohnen würde. Sahra hatte alles gegeben. Jede Verbindung, die ihr als Kuratorin des staatlichen Museums zu Füßen lag, hatte sie aktiviert, als wären es alte Geister, die man beschwört, wenn das Licht zu flackern beginnt. Und sie kamen: zwei Maler und ein Bildhauer - Namen, die in der Szene schon wie Gerüchte flüsterten, aber noch nicht laut genug waren, um Aufmerksamkeit zu erzwingen. Sie passten in diesen Abend wie Figuren auf einem Schachbrett, das längst eine eigene Sprache sprach. Besonders Peter A. - der darauf bestand, nur mit diesem Namen genannt zu werden, als sei er bereits eine Legende. Sahra dachte sich ihren Teil. Immer diese eingebildeten Künstler mit ihren selbstgewählten Titeln - als könnten ein Buchstabe und ein Punkt ihnen Bedeutung verleihen, die ihr Werk noch nicht trug. Er war schwierig. Zu schwierig. Hätte beinahe einen der reichen Gäste zur Schnecke gemacht, als dieser sich erdreistete, das Werk zu erklären, das er nicht verstand. Sahra hatte ihn im letzten Moment zurückgezogen, ihm eine Hand auf die Schulter gelegt - fest genug, um ihn zu halten, sanft genug, um ihn nicht zu demütigen. "Du kannst toben, Peter", flüsterte sie später, "wenn du ein paar Gemälde verkauft hast. Wenn dein Name mehr ist als nur Initialen mit Attitüde. Dann darfst du den schwierigen Maler spielen. Heute brauchst du sie noch, die Heuchler mit den Goldketten. Heute kaufen sie dein Überleben." Er schwieg. Und sie wusste: Er hasste sie dafür, dass sie recht hatte.
Sahra glitt durch den Raum wie eine Erscheinung, schwerelos und doch bestimmt, als trüge der Boden sie aus eigenem Willen. Zwischen Kristallgläsern und Gemälden, zwischen Duftschwaden und den säuselnden Stimmen der Reichen, tanzte sie von Grüppchen zu Grüppchen - ihr Lächeln das feinste Porzellan, das sie an diesem Abend zu tragen hatte. Sie sprach, sie lachte, sie stellte vor - zwei Maler, ein Bildhauer, Namen wie Versprechen in die Zukunft gesprochen. Ihre Stimme war weich, ein warmer Strom, der über Unsicherheiten hinwegglitt. Der Zweifel durfte heute keinen Namen haben, kein Gesicht. Die Galerie, die in ihren Fundamenten bereits bröckelte, war für diesen einen Abend nichts als Glanz. Sahra spielte ihre Rolle mit makelloser Eleganz. Die Galerie sei im Aufwind, sagte ihr Blick. Die Künstler seien Entdeckungen, sagte ihr Ton. Alles war Inszenierung - aber keine Lüge. Denn sie glaubte an das, was hier entstehen könnte. Noch. Und wenn der Abend endete und der letzte Tropfen Champagner verklang, würde niemand sagen können, dass sie nicht alles gegeben hatte. Für diesen Moment. Für diesen Traum.
Sahra hatte nichts dem Zufall überlassen. Für ihre dreiunddreißig Jahre sah sie nicht nur gut aus - sie war die fleischgewordene Antwort auf eine Welt, in der Schönheit immer auch Währung war. Stunden im Fitnessstudio, Schichten aus Licht und Schatten auf ihrer Haut, sorgsam aufgetragen mit Pinsel und Puder - sie hatte sich selbst zu dem Kunstwerk gemacht, das den Rahmen dieses Abends trug. Ihr Kleid - ein goldener Strom aus Pailletten - fiel wie flüssiges Licht über ihre Schultern, um sich dann zu einem Ausschnitt zu formen, in dem Blicke versanken wie Schiffbrüchige. Doch das Maß war mit Bedacht gewählt: verführerisch genug, um das Verlangen der Männer zu wecken, zurückhaltend genug, um den Argwohn ihrer Frauen nicht auflodern zu lassen. Der Schmuck? Kein Zufall. Zwei Tropfen Licht an ihrem Hals, eine schmale Linie funkelnder Steine entlang des Schlüsselbeins - genau dort, wo die Augen der Herren verweilen sollten. Und doch so kunstvoll gesetzt, dass die Damen nicht die Waffen zückten, sondern sich im Glanz der Edelsteine verloren, während ihre Ehemänner längst in einen anderen Glanz starrten. Sahra bewegte sich mit der Eleganz einer Jägerin im Ballsaal. Sie wusste, was sie tat. Und sie tat es für etwas Größeres als Stolz: für den letzten Atemzug einer Galerie, die sie mit Schönheit zu retten versuchte.
Zwei Männer an diesem Abend passten nicht ganz ins Bild - und doch fiel es niemandem auf. Ihre Anzüge saßen tadellos, das Haar war gegelt, die Haltung höflich und zurückhaltend, genau im richtigen Maß. Sie bewegten sich wie geübte Gäste, sprachen wenig, tranken langsam, und niemand stellte Fragen. Vielleicht, weil ihre Anwesenheit zu selbstverständlich wirkte. Oder weil niemand hinsah, um zu sehen. Nur wer Augen hatte für Zwischentöne, für den feinen Riss in der Porzellanmaske des Abends, hätte etwas bemerkt. Eine Fremdheit. Einen Schatten, der sich nicht erklären ließ. Der eine hieß Ben. Ben Lenz. Restaurator von Beruf, ein stiller Diener der Kunst, der den Werken ihre Wunden nahm, ohne sie zu verändern. Er arbeitete oft für das staatliche Museum, wo er auch Sahra begegnet war. Zwischen ihnen hatte sich etwas geformt, das man Freundschaft nennen konnte - wenn man das Unausgesprochene außer Acht ließ, das manchmal zwischen zwei Blicken schwebte wie Staub im Licht. Der andere nannte sich Jack. Nur Jack. Niemandem fiel auf, dass er seinen Nachnamen nie nannte - niemandem, außer vielleicht Sahra, die ihn vom Rand der Halle aus mit einem kurzen, prüfenden Blick musterte. Jack war nicht bloß ein Mann - er war eine Erscheinung. Anfang dreißig vielleicht, mit einem Körper wie aus Licht gegossen: drahtig, ruhig, kontrolliert. Er bewegte sich mit einer Eleganz, die nicht erlernt wirkte, sondern angeboren - als hätte er nie anders gehen können, als in dieser fließenden Stille. Sein Gesicht war von klassischer Schönheit: makellose Haut, ein markantes Kinn, ein Bart wie aus Absicht gewachsen - keine Spur von Nachlässigkeit. Der Anzug, zweifellos Maßarbeit, war ein schwarzer Spiegel, der alles Gute betonte und alles andere verschluckte. Aber es waren die Augen, die auffielen - selbst wenn man es sich nicht eingestand. Ein Blau, das so rein war, dass es in dieser Welt keinen Platz hatte. Ein Blau, das Fragen stellte, ohne den Mund zu öffnen. Sahra trank einen Schluck. Und fragte sich, warum ihr plötzlich kalt war.
Ben war anders. Nicht das Gegenteil - denn das hätte Jack zu einem Extrem gemacht, das Ben nicht war. Nein, Ben war die andere Wahrheit. Die mit dem festen Boden unter den Füßen. Mit siebenunddreißig war er nur wenige Jahre älter als Jack, doch etwas an ihm wirkte erfahrener, abgeklärter - wie ein Mann, der schon mehr gesehen hatte, als er zu erzählen bereit war. Auch er trug Sportlichkeit mit sich, nicht wie ein Schmuckstück, sondern wie ein Werkzeug, das gebraucht wurde. Seine Bewegungen waren klar, effizient, ruhig. Nichts an ihm war überflüssig. Der Anzug, den er trug, saß gut - nicht perfekt, aber überzeugend. Kein Maß, sondern Maßhalten. Seine Erscheinung war die eines Mannes, der keine Rolle spielte, sondern war. Und gerade das machte ihn bemerkenswert. Er war attraktiv, zweifellos. Doch nicht auf die Art, die Blicke verlangte. Er zog sie nicht an - er hielt sie fest, wenn sie ihn fanden. Im Vergleich zu Jack mochte ihm das Überirdische fehlen, das Leuchten in den Augen. Doch dafür hatte er etwas, das schwerer zu fassen war: Verlässlichkeit. Gegenwart. Und vielleicht ein leiser Schmerz, der sich nicht zeigen wollte, aber da war. Zwischen all dem Gold, dem Glas, dem Flimmern - war Ben wie ein Fels in einem Strom aus Licht.
Wie zufällig führte ihr Weg sie zu ihm - vorbei an lachenden Paaren, an gehobenen Gläsern, an Gesprächen über Märkte, Materialien und Moden. Niemand...
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