Schweitzer Fachinformationen
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Kaufmann: Mit Recht wurde Merkur1, der Gott der Kaufleute, mit Flügeln am Kopf und an den Füßen dargestellt, weil es scheint, dass die Kaufleute, obgleich einige unter ihnen weder Kopf noch Füße haben, Flügel an den Füßen haben wegen der Schnelligkeit, mit der sie vorwärtskommen, und Flügel am Kopf wegen der sie beflügelnden Gedanken.
Philosoph: Ich zerbreche mir deshalb nicht den Kopf mit Wechselbriefen, sondern befasse mich nur mit meiner Wissenschaft. Hier finde ich Erholung ohne Beschwerde, Vorteil ohne Last und Vergnügen ohne Sorgen: Ich überlasse die Trommel den Soldaten und die (Sand-)Bank den Seeleuten2. Das Altertum verehrte Pallas als die Göttin der Wissenschaft und die Gelehrten bedienen sich der Wissenschaft, um Ball mit den Dummköpfen zu spielen, die über alle sich betrüben, über alles sich beklagen, an allem verzweifeln.3
Kaufmann: Ich gebe zu, dass diese Lebensart die ruhigste ist, aber da man auf diese Weise nichts verdienen kann, so muss man seinen Vorteil wahrnehmen, auch wenn dies weniger befriedigt. Die Zeit des Manna ist vorüber. Wer seine Klugheit weniger aus Furcht vor Neid als aus Furcht vor Geringschätzung verbergen muss, tut am besten, sich wie David als Narr zu verstellen, wenn er sich nicht vor Verzweiflung aufhängen will wie Ahitofel.4 Du weißt wohl, dass Hiob das Leben mit der Kriegskunst verglich, weil es Anstrengung kostet, stets mit dem Unglück zu kämpfen und mit dem Geschick zu ringen. Man kann sich in diesem Jammertal nicht der Ruhe erfreuen, die du als Wunsch ausgesprochen hast, denn sogar eure Pallas stellen die Mythologen bewaffnet dar, um anzudeuten, dass es selbst in der Wissenschaft nur Kämpfe, Schlachten und Gefechte gibt.
Aktionär1: Es scheint mir, dass es müßig ist, so viel zu diskutieren, ohne selber mit Aktien1 zu handeln, das muss von Sachkundigen getadelt werden, denn eine derartige Oberflächlichkeit würde bei der großen Verbreitung des Geschäftes als Unverschämtheit gelten. Es gibt Personen, die trotz angestrengter Bemühungen nicht einmal das kennen, worüber sie sprechen.
Philosoph: Und was ist das für ein Geschäft, von welchem ich oft habe sprechen hören, das ich aber weder verstehe, noch um dessen Verständnis ich mich bemüht habe? Auch habe ich kein Buch gefunden, welches das Geschäft behandelt und das Verständnis erleichtert.
Aktionär: Ich sage auch, dass du, Freund Graubart, kein Ignorant bist, wenn du keine Kenntnis von einem rätselhaften Geschäfte hast, welches das reellste und falscheste in Europa, das edelste und infamste in der Welt, das feinste und gewöhnlichste auf dem Erdball ist: eine Quintessenz der Wissenschaften und ein Inbegriff von Schwindeleien, ein Prüfstein für die Vernünftigen und ein Grabstein für die Tollkühnen, eine Schatzkammer des Nutzens und ein Herd des Unheils, schließlich ein Abbild des Sisyphus, der niemals ausruht, und ein Gleichnis des Ixion, der immer an ein sich unaufhörlich drehendes Rad gefesselt ist.1
Philosoph: Würde meine Neugier nicht verdienen, dass du mir eine kurze Darstellung dieses Betruges und eine gedrängte Erklärung dieses Rätsels gibst?
Kaufmann: Auch ich bitte darum, weil die Kommissionen, die Verladungen und der Wechselverkehr mir so lästig fallen. Dies veranlasst mich, eine neue Beschäftigung zu suchen, um ein Vermögen zu erwerben und selbst unter Gefahren aus so viel Mühseligkeiten herauszukommen.
Aktionär: Das Beste und Angenehmste von allem ist, dass man ohne Risiko reich werden kann. Ohne dein Kapital zu gefährden und ohne mit Korrespondenzen, Vorschüssen, Lagerhäusern, Portounkosten, Kassierern, Zahlungseinstellungen und anderen unerwarteten Zwischenfällen zu tun zu haben, hast du die Aussicht, zu Wohlstand zu gelangen, wenn du beim Fehlschlagen der Geschäfte nur den Namen änderst. Denn wenn die Hebräer bei gefährlichen Krankheiten den Namen ändern, um Besserung zu erreichen, so genügt für den Spekulanten, der sieht, dass es schlecht steht, eine Namensänderung, um sich von allen drohenden Gefahren und aller quälenden Unruhe zu befreien.2
Philosoph: Und welchen Namen nimmt er an? Den Namen von Philipp, von Leonard oder von Diego?
Aktionär: Nein, er hat es nicht nötig, Fersengeld zu geben oder, wie man sagt, sich auf die Strümpfe von Villa Diego zu machen, um sich zu retten. Es genügt, sich an den Namen Friedrich zu halten, um dem Schrecken zu entgehen und die Verfolgung niederzuschlagen.
Philosoph: Ich verstehe dich nicht, auch habe ich in den Kategorien der Philosophen diese Aktien nicht kennengelernt.
Aktionär: Dann will ich deinen Wunsch, über den Ursprung dieses Handels unterrichtet zu werden, erfüllen und du wirst erkennen, dass nicht immer die Aktien für Esel da sind, sondern auch für Verständige. Einige holländische Kaufleute gründeten im Jahre 1602 eine Kompanie. Hierfür interessierten sich die reichsten Leute und es kam ein Kapital von 64 ? Tonnen Goldes1 oder 6,4 Millionen Gulden zusammen. Es wurden einige Schiffe gebaut und im Jahre 1604 hinausgesandt, um wie Don Quichotte in Ostindien Abenteuer zu suchen. Das Gesellschaftsvermögen zerfiel in verschiedene Anteile und jeder Anteil, welchen man Aktie2 nannte, wegen des Anspruches (Actio) auf die Überschüsse, betrug 500 Pfund3 oder 3.000 Gulden. Allerdings gab es viele, die nicht eine Aktie zeichneten, sondern nur einen kleineren Anteil übernahmen, je nach Vermögen, Neigung und Auffassung.4 Die Schiffe nahmen ihren Kurs, ohne Windmühlen oder verzauberten Riesen zu begegnen. Ihre glücklichen Fahrten, die siegreichen Eroberungen und die reichen Rückfrachten bewirkten, dass Cäsars "veni vidi vici" übertroffen und ein prächtiger Gewinn erzielt wurde, der zu weiteren Unternehmungen anreizte. Es wurde bis zum Jahre 1612 die erste Gewinnverteilung aufgeschoben, damit sich das Gesellschaftsvermögen kräftigen konnte.1 Damals verteilte die Verwaltung 57 ½ Prozent, 1613 betrug die Dividende 42 ½ Prozent, weil die Aktionäre nach Einzahlung des Kapitals sich eines höheren Ertrages erfreuen konnten.2
Mit der Zeit entwickelte sich die Kompanie derartig, dass sie die glänzendsten Geschäfte übertraf, die je in der Welt berühmt gewesen waren. Jedes Jahr trafen neue Ladungen und neue Reichtümer ein, die je nach den Überschüssen und den Ausgaben laut der Festsetzung durch die Verwaltung verteilt wurden; bald in Gewürznelken, bald in Obligationen, bald in Geld, wie es das Direktorium für angemessen hielt. Die Dividende betrug von der Stiftung der Gesellschaft bis zur Zeit dieser Unterredung 1482 ½ Prozent, während der Wert des Kapitals sich seit der Gründung mehr als verfünffacht hat. Man nennt diesen Schatz einen Baum, weil er jedes Jahr Früchte trägt, und obgleich er in einigen Jahren nur Blüten hervorbrachte, so gab es andere Jahre, in denen er den Bäumen von Uraba glich, die zwei- und dreimal im Jahre ihre Pracht zeigen,3 und mit den Sibyllinen wetteiferte, deren Äste von Gold und deren Blätter von Smaragden waren. Andere nennen die Gesellschaft den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, weil sie von allem, was auf den Zweigen vorgeht, unterrichtet ist. Aber ich habe eingesehen, dass sie dem Baum des Lebens im Paradiese gleicht, weil unzählige Menschen in ihrem Schatten ihren Lebensunterhalt gewinnen. Und wer sich mit den Früchten begnügen will, ohne zugleich die Wurzel auszureißen, wird gestehen, dass er bei diesen Geschäften wohl fährt.
Philosoph: Ich glaube, dass ich vollkommen usque ad ultimas differentias begriffen habe, was die Kompanie, ihre Aktien, ihr Prinzip, ihr Ansehen, ihr Glanz, ihre Grundlage, ihre Fortschritte, ihre Verwaltung, ihre Gewinnverteilung und ihre Solidität bedeuten: Aber was hat das mit dem rätselhaften Geschäft zu tun, das du erwähnt hast, mit den Kunstgriffen, die du dargestellt hast, mit den Schwierigkeiten, die du betont hast, mit dem Ausschluss des Risikos, mit dem Wechsel des Namens und mit anderen Übertreibungen und Ausdrücken, die mich verwirrt, außer Fassung gebracht und bestürzt gemacht haben?
Kaufmann: Ich glaube, dass dieser Herr mit uns Possen getrieben hat, deshalb will ich bei meiner Tretmühle bleiben, ohne an Windbeuteleien zu glauben. Ich finde jedoch bei Prüfung dieser Geschäfte kein anderes Rätsel als das Rätsel des Simson "aus dem Starken geht das Angenehme hervor"1. Denn während ich nach diesen rauen Ankündigungen auf ein Untier2 gefasst war, so finde ich jetzt in deiner Beschreibung nur ein angenehmes, reizendes und ertragreiches...
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