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Das Taxi bleibt vor einem gläsernen Gebäude stehen, welches sich im Zentrum des Technologieparks befindet, der im Osten von Lund entstanden ist. Nachdem Martin Hill mühsam ausgestiegen ist, muss er sich erst einmal auf seine Krücke stützen, die man ihm im Krankenhaus mitgegeben hat.
Natürlich hätte er noch ein paar Tage dort bleiben sollen, bis die Ärzte und er selbst sicher sein konnten, dass die Schussverletzung an seinem Schenkel ordentlich heilte und keine Komplikationen entstanden.
Aber er hat schon zu viel Zeit seines Lebens in Krankenhäusern verbracht. Er verabscheut den Geruch, die Geräusche und den Gedanken an seine eigene Sterblichkeit.
Zumindest ist es das, was Sofie vermutet.
Sie ist inzwischen zu ihrem Mann nach Brüssel zurückgefahren, der allmählich ahnt, dass ihre Schwedenreisen nicht nur mit ihrer Arbeit zu tun haben, sondern damit, dass sie einen anderen hat.
Normalerweise wäre Hill mit diesem Handlungsverlauf nicht unzufrieden gewesen. Er mag Sofie, könnte sich eine Zukunft mit ihr durchaus vorstellen.
Aber das war, bevor Leo Asker wieder aufgetaucht ist.
Bevor sie ihn aus dem Berg des Trolls rettete. Bevor sie ihm ihr Geheimnis anvertraute, während er in Lebensgefahr schwebte. Bevor sie ihm erzählte, dass ihr Vater versucht hatte, sie beide umzubringen, sie ihn aber überlisten und sich befreien konnte.
In der Woche im Krankenhaus hat er viel über Leos Geschichte nachgedacht. Viel an sie gedacht.
Zu viel, ehrlich gesagt.
Aber jetzt bietet ihm diese unerwartete Einladung die Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen.
Hill streckt sich. Die Luft ist feucht, nebelig-kühl, was für den Herbst und Winter in Skåne typisch ist, Hill aber gar nicht bekommt.
Alfacent Industries, Corporate Headquarters, prangt auf dem großen erleuchteten Schild am Eingang des Gebäudes. Hill lässt den Blick nach oben wandern. Das Gebäude ist wirklich speziell, seine Fassade besteht aus schwarzem, mattem Glas. Alle Flächen und Winkel streben Richtung Himmel. Unten ist das Gebäude deutlich breiter als oben, wodurch es, in Kombination mit der futuristischen Architektur, an ein Raumschiff erinnert. Was wiederum nicht verwunderlich ist, wenn man die Geschichte des Unternehmens kennt beziehungsweise die der Eigentümerfamilie Irving. Und die kennt Hill besser als die meisten.
An der Seite befindet sich eine Rampe, aber er beschließt dennoch, die Treppe zu nehmen. Eine dumme Idee, wie er erkennt, sobald sich die Schussverletzung an seinem Bein schmerzhaft bemerkbar macht.
Er bleibt stehen, verzieht gequält das Gesicht.
In dem Moment öffnet sich die Eingangstür, und ein Mann um die fünfzig kommt auf ihn zu. Er trägt einen schwarzen, gut sitzenden Anzug und ein Polohemd, das seine breiten Schultern und den muskulösen Oberkörper betont. Haare und Bart sind grau meliert, der Blick fest.
»Willkommen, Lektor Hill«, begrüßt er ihn. »Darf ich Ihnen helfen?«
Im nächsten Augenblick hat der Mann ihn schon die Treppe hinaufgeführt und in die Lobby gebracht.
»Mein Name ist Samuel. Ich bin der Sicherheitschef von Alfacent. Die Rezeption ist gleich hier geradeaus.«
Hill nickt dankend, bevor er sich neugierig umschaut. Die Lobby ist mindestens so imposant wie das Äußere des Gebäudes. Heller Steinboden. Weiße Wände, die sicher zehn Meter hoch sind.
In der Mitte der Lobby steht die Skulptur eines Mannes in etwa doppelter Körpergröße. Die Figur beschirmt ihre Augen mit der einen Hand, während die andere Richtung Himmel deutet. Oder besser gesagt zur Decke, wo Lampen wie Sterne funkeln. Hill humpelt näher.
Die Statue ist pechschwarz, und obwohl man die Gesichtszüge nur schwer ausmachen kann, sieht der Mann aus, als würde er sehnsüchtig zu den künstlichen Sternen hinaufblicken.
Bisher hat Hill die Skulptur nur auf Fotos gesehen, und erst aus der Nähe erkennt er, dass sie nicht aus Stein oder Keramik ist, sondern aus schwarzem Glas.
»Gunnar Irving als junger Mann.« Samuel ist lautlos an Hills Seite gerückt. »Der Gründer von Alfacent.«
»Mm«, brummt Hill.
Er wartet auf eine Fortsetzung, eine Grimasse oder Geste, die verrät, dass der andächtige Ton des Sicherheitschefs nicht ernst gemeint ist. Stattdessen nickt Samuel Hill stumm zu, wie um ihn zu ermuntern, weiter Richtung Rezeption zu gehen.
Auf seine Krücke gestützt, humpelt Hill vorwärts. Die Dame am Empfang trägt genauso schwarze Kleidung wie Samuel und sieht eher wie ein Model aus als wie eine Rezeptionistin.
»Lektor Hill, willkommen«, sagt sie. Mit etwas zu breitem Lächeln. »Nova Irving verspätet sich um ein paar Minuten, wofür ich mich entschuldige. Setzen Sie sich solange, dann hole ich Sie, sobald sie bereit ist. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Espresso, Cappuccino oder vielleicht ein Mineralwasser?«
»Nein, vielen Dank.«
Es kommt ihm ziemlich altmodisch vor, mit Titel angeredet zu werden.
Er geht zum Wartebereich mit Sitzmöbeln aus Chrom und Leder, lässt sich in einen Sessel sinken und greift nach seinem Handy.
Aber statt im Netz zu surfen, bleibt sein Blick an der großen Skulptur hängen. Da sich das Licht im Glas bricht, verändert sich der Gesichtsausdruck der Figur ständig. Wechselt zwischen Faszination, Sehnsucht und Entschlossenheit.
Aber auch etwas Beunruhigendem.
Er macht mit der Handykamera ein Foto der Statue, wird dann aber von einer Nachricht von Leo unterbrochen.
Hast du Zeit zu reden?, fragt sie. Er blickt zur Rezeptionistin hinüber. Die Frau hat ihren Platz verlassen und ist mit ihrem übertriebenen Lächeln auf dem Weg zu ihm.
Gerade nicht, schreibt er notgedrungen zurück.
Ok, dann später. Es ist etwas passiert, worüber ich reden muss.
»Entschuldigen Sie die Verzögerung, Lektor Hill«, sagt die Empfangsdame, als sie vor ihm steht. »Nova Irving empfängt Sie jetzt.«
Sie führt ihn durch ein paar Glastüren zu einem Aufzug, hält eine Passierkarte an ein Lesegerät und drückt auf den obersten Knopf im Fahrstuhl, bevor sie ihm zum Abschied zulächelt.
Der Aufzug bewegt sich leise und so schnell, dass sich Druck auf Hills Ohren legt.
Die ganze Situation ist ein bisschen surreal, aber auch spannend.
Erst vor zwei Stunden bekam er einen Anruf von einer Frau, die sich als Nova Irvings Sekretärin vorstellte. Sie hatte ihn unumwunden gefragt, ob er Zeit für ein Treffen hätte, am besten schon heute. Mehr wollte sie nicht sagen. Da Hill schon seit Jahren versuchte, Kontakt zu Alfacent oder der Familie Irving aufzunehmen, hatte er kaum eine andere Wahl, als zuzusagen.
Der Aufzug bremst ab, die Türen gleiten fast lautlos auf.
Draußen wartet eine Frau, die etwa in Hills Alter ist. Auch sie ist schwarz gekleidet, trägt aber im Unterschied zum Personal in der Lobby statt eines Poloshirts eine Bluse unter dem Jackett. Ihren Hals schmückt eine silberne Kette mit Anhänger.
»Willkommen, Lektor Hill. Ich bin Nova Irving, die Geschäftsführerin von Alfacent Industries. Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten.«
Ihre Stimme ist überraschend tief, der Handschlag fest. Nova Irving trägt ihr rotblondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, ihre Haut ist braun gebrannt, der Lippenstift knallrot, und die Augen sind so hellblau, dass sie fast unecht wirken.
»Sagen Sie bitte Martin«, sagt Hill. »Und ich gebe zu, ich bin gespannt, worum es hier geht. Ihre Assistentin war am Telefon sehr kryptisch.«
Nova Irving deutet mit der Hand auf einen gläsernen Konferenzraum.
»Ich werde es gleich erklären. Lassen Sie uns hier hineingehen.«
Hill folgt ihr auf seine Krücke gestützt.
Der Tisch im Konferenzraum ist oval, an jeder Seite stehen fünf Stühle. Durch das Fenster hat man einen Blick auf den nördlichen Teil von Lund.
An der Breitseite des Raumes, neben dem Eingang, steht eine Büste, die ebenfalls aus schwarzem Glas ist. Sie ist detailreicher gestaltet als die Skulptur in der Lobby und stellt einen alten Mann mit eckigen Wangenknochen, hohem Haaransatz und einem Blick dar, den Hill sofort wiedererkennt.
»Gunnar Irving, mein Vater.« Novas Stimme hat den gleichen Ton, der Hill vorhin bei Samuel aufgefallen ist.
Respekt, wenn nicht gar Verehrung.
Nova bedeutet Hill, Platz zu nehmen, setzt sich dann ihm gegenüber und legt ein Tablet auf den Tisch.
Hill lässt sich schwer in einen Stuhl fallen, lehnt seine Krücke an den Tisch.
Er geht davon aus, dass sie ihm jetzt erklärt, warum er hier ist, doch stattdessen stellt sie ihm eine Frage.
»Sie haben uns vor einigen Jahren kontaktiert, richtig, Martin? Sowohl Alfacent als auch die Familie?«
»Das stimmt«, nickt Hill. »Ich schrieb damals ein Kapitel über Stjärneholm und Gunnar Irving für mein Buch Vergessene Orte und deren Geschichten. Aber leider war niemand zu einem Interview bereit, und man wollte mich auch nicht auf die Insel Blockö lassen.«
»Nein, damals war meine Schwester Maud die Geschäftsführerin. Sie hatte eine andere Einstellung. War zurückhaltender, könnte man sagen. Meine Führung ist transparenter.«
Novas Lächeln ist attraktiv und ansteckend.
»Was wissen Sie über Alfacent, Martin?«
Hill räuspert sich.
»Also, ich weiß, dass Sie im medizintechnischen...
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