Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
ROM - DAS SILICON VALLEY DES POPULISMUS
US-Amerikaner sehen oft harmlos aus. Insbesondere wenn sie von der zynischen und verantwortungslosen Energie eines Ortes wie Rom umgeben sind. Das muss an ihrem Gesichtsausdruck liegen oder vielleicht an der Art, wie sie sich kleiden. Vor mir sitzt jetzt einer, der genau diese Regel bestätigt. Ich habe kaum auf dem Sofa in der Suite seines Hotels Platz genommen, da reicht er mir schon einen Muffin. Dabei soll ich es doch mit dem Teufel persönlich zu tun haben. Man nennt ihn sogar Darth Vader. Oder wie das Time Magazine ihn betitelte »der große Manipulator«. Laut Bloomberg News ist er der gefährlichste Politiker der Vereinigten Staaten. All diese Bezeichnungen wurden ihm schon angehängt, noch bevor er maßgeblich mit dazu beitrug, dass Donald Trump am 8. November 2016 ins Weiße Haus gewählt wurde.
Seine Freunde sagen, wenn Sie irgendwo eine Explosion hören sollten, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Steve Bannon in der Nähe ist und mit einer Streichholzschachtel herumspielt. Weil er das gern tut, ist er seit einiger Zeit häufig in Rom anzutreffen, und zwar mindestens einmal im Monat. Er gibt Interviews, nimmt an Meetings teil und tauscht sich ausgiebig mit Matteo Salvini und Luigi di Maio aus, denen er grenzenlose Bewunderung entgegenbringt. In den Pausen erholt er sich in seiner Suite im Hotel de Russie, das zwischen der Piazza del Popolo und der Spanischen Treppe liegt. Für Bannon ist dieses legendäre Hotel, in dem früher die Prinzessinnen und Berater der Zaren abgestiegen sind, genau der richtige Ort. Nicht, weil er heute Bestrebungen danach hätte, Oligarch zu werden oder weil er den US-amerikanischen Wahlkampf manipuliert hätte. Eher, weil Bannon eine Art Trotzki der populistischen Revolution ist, eine Mischung aus Ideologe und Mann der Tat, der mit seinem movement die populistischen europäischen Massen zu einer Revolte gegen die von ihm so betitelte »Davos-Partei« antreiben will.
Wenn man Bannon nach seiner Rolle in dieser Bewegung fragt, antwortet er bescheiden und mit schiefem Gesicht: »Ich bin ein globaler Schüler der populistischen Bewegung, und ich komme hierher, um zu lernen.« Aber eine ehrliche Antwort wäre wohl weniger zurückhaltend.
Steve Bannons Markenzeichen sind zwei übereinander getragene Hemden, er ist ein echtes Produkt der amerikanischen Arbeiterklasse, der es dank seines Talents und Ehrgeizes geschafft hat, alle Macht und Einfluss verkörpernden Institutionen Amerikas zu durchlaufen: die Armee, Virginia Tech, Georgetown, Harvard Business School, Goldman Sachs, dann Hollywood und schlussendlich Washington. Dabei hat er nie seine initiale, ihn antreibende Wut verloren, sondern ganz im Gegenteil überall ein bisschen Munition gesammelt, um der Welt der Eliten, die er als abgeschottete Kaste von Vaterlandsverrätern ansieht, den Krieg zu erklären.
Bannon führt heute das Werk seines Lehrmeisters Andrew Breitbart fort, dem Gründer der gleichnamigen Fake-News-Seite. Bannon hat als einer der Ersten der neuen Rechtspopulisten begriffen, dass Politik aus Kultur entsteht - politics is downstream from culture. Von Beginn an kämpft er darum, der liberalen Intelligenz die Deutungshoheit zu entreißen. So hat er sich in Hollywood als Produzent von extrem kitschigen Dokumentarfilmen versucht, die vor philosophischen Zitaten und Wagnermelodien nur so strotzten und sich mit dem american spirit, dem Zivilisationsschock und den Generationenwechseln beschäftigten, die die Geschichte formten und den Lauf von Ereignissen bestimmten. Aus dem gleichen Antrieb heraus macht Bannon die Breitbart News nach dem Tod dessen Gründers (2012) zu einem Sammelplatz für die amerikanischen Rechten - einem bunten Haufen aus Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und einfach nur Empörten, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, dass sie folgende, alles beherrschende Themen unter einem anderen Blickwinkel in den Mittelpunkt der Debatten stellen wollen: Einwanderung, Freihandel, die Rolle von Minderheiten und die Bürgerrechte. Bannon eröffnet eine Redaktion in Texas, um das Phänomen der illegalen Einwanderung von Nahem mitverfolgen zu können, er finanziert Thinktanks, die zum Ziel haben, die Missetaten des Establishments im Allgemeinen und der Familie Clinton im Besonderen zu erforschen, er mobilisiert Blogger und Trolls, um die Debatten in den Social Media zu beherrschen, er ist Mitgründer des Datenanalyseunternehmens Cambridge Analytica, das sich auf das politische Spektrum spezialisiert und wenig später Gegenstand eines weltweiten Skandals werden wird. So wird er zum Hans Dampf des amerikanischen Populismus.
Als Trump 2016 wie ein Wirbelsturm über die Vorwahlen der Republikaner hinwegfegt, steht Bannon bereit, um erst als Ideengeber im Hintergrund zu agieren und dann offizieller Stratege für die unkonventionellste Wahlkampagne in der Geschichte der US-amerikanischen Politik zu werden.
Nach dem Wahlerfolg von Donald Trump, zu dem er nicht unwesentlich beigetragen hat, wird Steve allerdings ein wenig übermütig. Nachdem er es sich als politischer Berater von Trump in seinem office bequem gemacht hat, kann er der Verlockung nicht widerstehen, sich selbst in Szene zu setzen. Als Stratege sollte man besser darauf verzichten, Zeitungen seine eigenen Ideen zu erzählen, anstatt sie seinem Prinzen ins Ohr zu flüstern, vor allem wenn man im Zeitalter des Narzissmus für dessen leibhaftige Personifizierung arbeitet. Seine Unvorsichtigkeit hat zur Folge, dass Steve Bannon nach einem Jahr aus dem Weißen Haus hinausgeworfen wird, wozu das Oberhaupt der Freien Welt in etwa folgende Stellungnahme twittert: »Der schlampige Steve hat geweint und mich angefleht, als ich ihn gefeuert habe. Fast alle haben ihn jetzt wie einen räudigen Hund zurückgelassen. Wie schade!« (Tweet des Präsidenten vom 6. Januar 2018).
Aber tatsächlich sind Menschen mit Bannons Auffassungsgabe, Erfahrung und Beziehungen in den populistischen Kreisen rar gesät. So tut sich für Bannon innerhalb von nur wenigen Monaten eine neue Perspektive auf: »Das, was mir vorschwebt«, erzählt er im März dem römischen Korrespondenten der New York Times, »ist der Aufbau einer globalen Infrastruktur für die globale populistische Bewegung. Das ist mir klar geworden, als Marine Le Pen mich zum Kongress ihrer Partei nach Lille eingeladen hat. >Worüber soll ich reden?<, habe ich sie gefragt. >Rede darüber, dass wir nicht allein sind<, hat sie geantwortet.«
In diesem Moment versteht Bannon, dass es einen Raum gibt, der die Existenz eines Oxymorons, also eines in sich widersprüchlichen Begriffs ermöglicht, die Internationale der Nationalisten, eine Plattform, die darauf abzielt, Erfahrungen, Ideen und Ressourcen zwischen den verschiedenen Bewegungen zu bündeln. Wieweit das schon gelungen ist, kann man an einem für die Rechtspopulisten wichtiger werdenden Thema, dem Klimawandel, ablesen. Die Klimawandelleugner versuchen, in Deutschland via Social Media eine Gegenfigur zu Greta Thunberg ins öffentliche Bewusstsein zu hieven: Die 19-jährige Bloggerin Naomi Seibt aus Münster erhält dabei aus anderen Ländern vielfältigste Unterstützung, sie wurde schon im Breitbart-Blog interviewt und durfte in Madrid auf dem Climate Reality Forum sprechen, einer Gegenveranstaltung zum Klimagipfel, die von dem amerikanischen Thinktank Heartland Institute und dem deutschen Klimawandelleugner-Verband EIKE aus Jena initiiert wurde. Naomi Seibt hat auf dem YouTube-Kanal 37 000 Abonnenten, sie ist in der AfD sehr beliebt, weil sie schon als junges Mädchen einen von einer AfD-Bundestagsabgeordneten ausgeschriebenen Gedichtwettbewerb unter dem Slogan »Mutige Mädchen« gewann und weil ihre Mutter, eine Rechtsanwältin, während des Bundestagswahlkampfs 2017 einen Aufruf der Wahl der AfD lancierte. Aber der Weg zu einer Anti-Greta ist weit - und die Zielsetzung unrealistisch, denn anders als die Initiatorin von Fridays for Future kann die Galionsfigur der jungen Klimaschutzgegner sich nicht auf eine erdrückende Menge wissenschaftlicher Befunde stützen. Dennoch: Die internationale Zusammenarbeit der Rechten in diesem Projekt funktioniert.
Sogar die Identitären erfreuen sich internationaler Unterstützung. Als deutsche, französische und italienische Aktivisten dieser Bewegung im Sommer 2017 C-Star charterten, ein vierzig Meter langes Schiff, um NGOs im Mittelmeer daran zu hindern, Flüchtlinge zu retten, erhielten sie 200 000 Euro Spenden, die zu einem großen Teil aus den USA stammten. Unter dem Hashtag #DefendEurope zeigten Sie auf Facebook und Twitter täglich neue Bilder von ihrer Fahrt, die de facto aber ein Fehlschlag war und damit endete, dass sie mittellos und ausgelaugt in Barcelona an Land gingen.
Zurück zu Steve Bannon und seinen ehrgeizigen Zeilen »Wir sind auf der guten Seite der Geschichte. Sogar George Soros hat vor Kurzem noch gesagt, dass wir in revolutionären Zeiten leben .«
Soros ist ein ungarischer Milliardär, der mit seiner Open Society Foundation weltweit demokratische Bewegungen finanziert. Für die neuen globalen Populisten ist er gleichermaßen rotes Tuch und ein verbotener Traum. »Er ist brillant«, räumt Bannon ein. »Bösartig, aber brillant.« Bannons Freund Orbán hat Soros zwar zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.