Schweitzer Fachinformationen
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Keine Ausreden mehr. Nachhaltigkeit muss oberste Priorität haben, wenn wir weiterhin in Frieden und Wohlstand auf unserem Planeten leben wollen. Wer jetzt nicht handelt, trägt die Verantwortung dafür, dass nachhaltige Entwicklung, nachhaltige wirtschaftliche Prozesse und zukunftsfähige Lebensstile keine Chance haben.
Yvonne Zwick fordert uns dazu auf, aktiv zu werden – nicht aus Idealismus, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass die Erde nur dann weiterhin ein lebenswerter Ort bleibt, wenn wir alle unseren Teil dazu beitragen. Es geht nicht darum, das Unmögliche zu erreichen, sondern das Mögliche mit größtmöglichem Engagement zu tun. Jeder Schritt zählt, und wer zögert, wird von den Veränderungen überrollt.
In 17 radikalen Thesen, die sich an den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) orientieren, erläutert Yvonne Zwick in ihrem Buch, wie wir Nachhaltigkeit fest in unserem Leben und Handeln verankern können:
Yvonne Zwick ist Spezialistin für nachhaltigen Konsum und nachhaltiges Wirtschaften. Ihre Vision ist eine Wirtschaft, die jedem Menschen nützt und niemandem schadet, kurz: eine distributive, inklusive Ökonomie, die mehr Werte schafft als zerstört. Sie ist Diplom-Theologin und Vorsitzende des Unternehmensnetzwerks für nachhaltiges Wirtschaften BAUM e. V.
Yvonne Zwick ist Diplom-Theologin und Vorsitzende des Unternehmensnetzwerks für nachhaltiges Wirtschaften BAUM e. V. Zuvor war sie Stellvertretende Generalsekretärin des Rates für Nachhaltige Entwicklung und Leiterin des Büros Deutscher Nachhaltigkeitskodex. Sie war maßgeblich an der Entwicklung dieses Kodex beteiligt. Sie wirkte als Expertin in der Expertenarbeitsgruppe KMU der European Financial Reporting Advisory Group - EFRAG mit, die europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards für mittelständische Unternehmen ausgearbeitet hat, ist Mitglied im Kuratorium der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V. und im Beirat für Transparency International Deutschland.
»Weniger ist leer« - das hat gesessen. So habe ich es vor ein paar Jahren auf einem Kampagnenplakat von Brot für die Welt gelesen. Dazu war eine Schüssel mit einer kleinen Handvoll Reis abgebildet. Wie soll man davon satt werden? Und wie soll man bei so einer kleinen Portion noch auf etwas verzichten? Das Plakat hat ziemlich gut auf den Punkt gebracht, wie ungleich die Voraussetzungen auf diesem Planeten sind. Und wie schräg so manche Nachhaltigkeitsdebatte vielleicht klingt, wenn sie vor leeren Tellern geführt wird. Wer wenig hat, kann sich nämlich keinen Verzicht mehr leisten. Wer mit jedem Cent haushalten muss, hat keine Wahl zwischen bio und konventionell, zwischen Zugticket und Flieger oder zwischen Neuware und Gebrauchtware. Wer wenig hat, ist einfach nur damit beschäftigt, wie man es irgendwie hinbekommt, das Notwendigste zu organisieren. Eines der Ziele von SDG 1 ist, dass kein Mensch auf der Welt von weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag leben müssen soll - aber doch bitte gern von etwas mehr! Ich will im Rahmen meiner Thesen also gar nicht erst so tun, als sei »weniger« grundsätzlich ein Ideal und als müssten wir alle nur endlich runterkommen von Wachstum und Fortschritt - weit gefehlt!
Kapitalismus abschaffen, Wachstum verteufeln? Ohne mich. Zu kraftvoll ist die Triebfeder, die der Kapitalismus für Innovation und Fortschritt bietet. Statt ihn abzuschaffen, sollten wir den Kapitalismus reformieren und in nachhaltige Bahnen lenken. Wachstum ist nämlich nicht per se problematisch. Entscheidend ist, wie es entsteht und wofür es eingesetzt wird. Das klingt jetzt erst einmal unbequem, vor allem weil »Degrowth« so gern als pauschale Antwort gegeben wird, wenn es um die weltweiten Auswirkungen unseres Wirtschaftssystems geht.
Ich bin der Meinung, dass klug gestaltetes Wachstum kein Gegenspieler der Nachhaltigkeit ist. Vielmehr ist es ein wichtiges Werkzeug. Wachstum kann sinnvoll sein, wenn es soziale Teilhabe fördert, ökologische Grenzen respektiert und langfristige Resilienz stärkt, wenn es sich am Gemeinwohl und an Nachhaltigkeit orientiert. Deshalb bin ich nicht grundsätzlich für weniger wirtschaftliche Aktivitäten, sondern für Differenzierung. Um Armut zu überwinden, Versorgung zu sichern und Teilhabe zu ermöglichen, brauchen wir ein bedarfsorientiertes Wachstum - im Globalen Süden ebenso wie hier bei uns.
Ich selbst bin ein »Aufsteigerkind« - in dem Begriff schwingt immer beides mit, die große Hoffnung, aber eben auch die Brüche in der Biografie. Nach der Trennung meiner Eltern habe ich als Kind erlebt, wie schmal ein Geldbeutel sein kann. Wir bewegten uns in meinen ersten Lebensjahren hart am Existenzminimum. Jeder Einkauf war ein Abwägen: Was ist drin, was ist nicht drin? Und jede unerwartete Mark war ein Glücksfall. Diese Erfahrungen haben sich tief eingebrannt. Und doch war ich - im globalen Maßstab betrachtet - schon damals privilegiert: weiß, gesund, in einem wohlhabenden Land mit Zugang zu Bildung und öffentlicher Infrastruktur. Und mit einer Mutter, die mit eisernem Willen für ein besseres Leben kämpfte.
Diese Ambivalenz hat meinen Blick geschärft. Ich weiß, wie es ist, wenn man nicht aus freien Stücken bzw. aus einer moralischen Überlegung heraus auf etwas verzichtet, sondern aus Zwang. Wenn ein Auto kein Symbol klimaschädlicher Bequemlichkeit ist, sondern die einzige Möglichkeit, den Arbeitsweg zu bewältigen und den eigenen Radius zu erweitern. Und ich weiß, dass wirtschaftliche Entwicklung Menschen überhaupt erst in die Lage versetzen kann, die eigenen Lebensumstände zu gestalten, ohne von der Gunst anderer abhängig zu sein. Deshalb ist für mich klar: Armut zu bekämpfen, heißt nicht, Wachstum rundheraus zu verdammen. Es heißt, Wachstum so zu gestalten, dass es Menschen stärkt - sozial, ökologisch und gerecht.
Aus privilegierter Perspektive klingt der Ruf nach einem Ende des Wachstums freilich nobel und vernünftig: Es geht uns doch gut, wir haben genug, wir brauchen nicht mehr - diese Argumente sind nachvollziehbar. Aber sie gelten eben nur für Menschen, die bereits viel haben. Deren Leben wird sich durch mehr wirtschaftliche Expansion vermutlich nicht noch weiter verbessern. Wer aber über kein sicheres Einkommen verfügt oder über keine Ausbildung, wer den Teller gerade mal so eben gefüllt bekommt, für den ist der Ruf nach einem Gesundschrumpfen eine Zumutung, die das hierarchische Gefälle von Gebern und Empfängern zementiert. Das Problem, dass viele Menschen zu wenig haben, wird aber nicht dadurch gelöst, dass man dieser Gruppe Spenden und Transferleistungen zukommen lässt. Wer wenig hat, sollte vielmehr die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu helfen.
Ein Blick nach Asien zeigt, wie wirtschaftliches Wachstum als Motor für sozialen Fortschritt und ökologische Transformation genutzt werden kann: Vietnam ist mit seinen ausgedehnten Flussdeltas, einer langen Küstenlinie und niedrigen Höhenlagen durch die Folgen des Klimawandels besonders gefährdet. Zugleich hat sich das Land in den letzten Jahrzehnten vom Niedriglohnland zum unteren Mittelsegment entwickelt und will bis 2045 den Status eines Hochlohnlandes erreichen.
Mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von 6,8 Prozent im Jahr 2025 hat sich Vietnam dabei für einen ökologischen und sozialen Wandel entschieden: Bis 2050 sollen insbesondere durch einen Ausstieg aus der Nutzung von Kohle Netto-null-Emissionen erreicht werden, die Methanemissionen sollen bis 2030 um 30 Prozent sinken.1 Dazu baut das Land die erneuerbaren Energien aus und setzt auf die Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung von grünen Technologien. Gleichzeitig wird der Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialen Diensten systematisch ausgebaut. Insbesondere Frauen, ethnische Minderheiten und Regionen im Strukturwandel sollen gezielt gefördert werden. Und siehe da: Auch wenn es noch immer Ungleichheiten gibt, gehört Vietnam heute zu den Ländern mit den größten Erfolgen bei der Armutsbekämpfung weltweit - 2023 lag die Armutsquote nur noch bei rund 3,4 Prozent.2 Im Climate Change Performance Index (CCPI) 2025, der die Klimaschutzleistungen von 63 Ländern und der EU abbildet3, ist Vietnam auf Platz 21 vorgerückt und liegt noch hinter Deutschland (Platz 16), aber vor Österreich (Platz 23) und der Schweiz (Platz 33).4
Auch Bangladesch liefert ein interessantes Modell, wie Wachstum im Kampf gegen Armut eingesetzt werden und ganz neue Chancen schaffen kann. In den 1980er-Jahren gründete dort der Ökonom und spätere Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus die Grameen Bank. Bis heute versorgt sie Millionen Menschen mit Mikrokrediten, die den Weg in ein selbstbestimmtes Leben ebnen. Interessanterweise sind rund 97 Prozent der Kreditnehmer:innen Frauen, die in Bangladesch durch traditionelle Rollenbilder, Diskriminierung und einen eingeschränkten Zugang zu Bildung und Wirtschaft besonders anfällig für Armut sind.5 Mit dem zur Verfügung gestellten Kapital können die Frauen kleine Geschäfte aufbauen, Arbeitsmaterial kaufen und so ein eigenes Einkommen erwirtschaften. Das stärkt nicht nur ihre eigene ökonomische Position, sondern wirkt sich auch messbar auf Bildung, Gesundheit und Ernährungssicherheit in ihren Familien aus.6
Natürlich will ich damit die Schattenseiten wirtschaftlicher Dynamik nicht komplett ausblenden. Wenn aber irgendwo auf der Welt etwas unterm Strich gut funktioniert, dann sollten wir davon lernen. Im Lichte der globalen Nachhaltigkeitsziele wird Abschauen zur Pflicht. Immer nur Nabelschau macht sowieso einen steifen Nacken. Den können wir nicht brauchen.
Dabei ist das Prinzip, wirtschaftliche Anreize zu nutzen, um Armut zu lindern, in Deutschland ja nicht völlig unbekannt: Die Einführung des Mindestlohns 2015 war so eine Maßnahme, um diejenigen besserzustellen, die trotz Arbeit kaum über die Runden kamen. Millionen Beschäftigte, vor allem im Niedriglohnsektor, hatten durch die neue Lohnuntergrenze spürbar mehr im Portemonnaie. Besonders Frauen, Alleinerziehende und Menschen in ostdeutschen Bundesländern haben profitiert - und damit genau diejenigen, die ein statistisch höheres Armutsrisiko tragen.7
Der Mindestlohn stärkt allerdings nicht nur die Kaufkraft, sondern auch das Selbstwertgefühl. Menschen, die fair bezahlt werden und die für sich selbst sorgen können, bewahren ihre Würde. Er ist deshalb ein Mittel zur Befähigung und zur Entwicklung - und genau das meine ich, wenn ich sage, wer...
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