Schweitzer Fachinformationen
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Wir sind wieder zurück in Nordeuropa, unternehmen aber zwecks Erkenntnisgewinn eine fixe Fährfahrt von Fanø zum Festland nach Esbjerg, der siebtgrößten Stadt Dänemarks (72 000 Einwohner), und bewegen uns von dort zügig 812 km weiter südlich in die siebtgrößte Stadt Deutschlands (753 000 Einwohner): Frankfurt am Main liegt im Bundesland Hessen, in unmittelbarer Nähe zum beliebten Naturpark Taunus. Viele Frankfurter pflegen ihre Traditionen, unterstützen gemeinschaftlich »ihre« Eintracht (e.V.) oder trinken ortsüblichen Apfelwein, regional: »Äppelwoi« oder »Ebbelwoi«. Einige von ihnen sind stolz darauf, dass Goethe hier geboren wurde, andere auf die historischen Altstadtbauten rund um den Kaiserdom, die immer noch zahlreichen Messen (die erste gab es hier im 12. Jahrhundert), den globalen Drehkreuz-Flughafen (der viertgrößte Europas) oder die imposanten Wolkenkratzer im Stadtzentrum. Der Bahnhof ist der verkehrsreichste und das Autobahnkreuz darüber hinaus das meistbefahrene Deutschlands. Doch der Ort ist nicht nur ein gewaltiger Verkehrsknoten im traditionellen Wortsinn. Hier existiert überdies - gemessen am Datendurchsatz - der weltweit größte Internet-Verkehrsknoten. Zur schönsten Stadt im Staate wurde Frankfurt zwar noch nie erwählt, aber immerhin wurde der Goethe-Wanderweg zum schönsten Wanderweg Deutschlands in der Kategorie »Stadt und Kultur« gekürt (11 km, Startpunkt Goethehaus, Großer Hirschgraben 23-25).
Die zahlreich vorhandenen Hochhäuser bilden eine an US-Metropolen erinnernde Skyline, was dazu führt, dass die Main-Metropole in Reiseführern stets als »Mainhattan« bezeichnet wird, angelehnt an den bevölkerungsreichsten Bezirk von New York City (NYC), Manhattan. Insgesamt sollen es 450 Hochhäuser sein. Ab ca. 150 Meter Höhe gehören sie in die Kategorie Wolkenkratzer. Ganze 19 der 20 höchsten Wolkenkratzer Deutschlands stehen hier in Mainhattan. Und bei dem anhaltenden Bauboom vor Ort kommen wohl noch einige hinzu. Eine der Ursachen für die stadtbildprägenden Hochhäuser ist die kulturell gewachsene Bedeutung Frankfurts als ein maßgeblicher Finanzplatz Kontinentaleuropas neben Paris und London: Bereits 1194 erhielt die Krönungsstadt deutscher Kaiser und Könige erstmals das Recht auf eigene Münzprägung, 1585 wurde die Frankfurter Börse gegründet.
Die meisten der richtig hohen Häuser stehen dementsprechend im sogenannten Bankenviertel. Der von Stararchitekt Lord Norman Foster entworfene Commerzbank Tower am Kaiserplatz bildet mit 259 Metern Höhe den absoluten Gipfel des örtlichen Bankengebirges, in der gesamten EU baute bisher niemand höher. Wer dort als Tourist im Sonnenschein durch die beeindruckenden und zudem schattenspendenden Häuserschluchten schlendert und vor den Repräsentanzen internationaler Großbanken oder der Europäischen Zentralbank (Ostend), von Versicherungen oder sonstigen finanzkräftigen Institutionen verweilt, entdeckt weder blumige Vorgärten noch selbst gebaute Marmeladenschränkchen. Ein hyggeliges Flair ist trotz vereinzelter, perfekt in Form frisierter Grünpflanzen nicht zu entdecken (eventuell oben in den Teppichetagen, vielleicht haben einige Firmen bereits cozy »Innovation-Labs«2). Behaglich oder gar heimelig muss es hier aber auch gar nicht sein, denn die Faszination und Intention des Finanzdorfes ist eine völlig andere . Dennoch oder gerade deswegen starren ein paar der Turmbewohner etwas ermattet auf ihre zahlenschweren Bildschirme. Vielleicht träumen einige dabei gar nicht vom Urlaub im Porsche, sondern vom Urlaub in Dänemark. Der beschleunigt zwar weniger das Ego, sondern entschleunigt primär die Seele, wirkt dafür aber meist nachhaltiger als die 4,2 Sekunden bis Tempo 100 (reine Typenfrage).
Gerade Banken auf der tempolastigen Überholspur, die ihre diversen High-Performance-Anlageschäfchen bevorzugt grenzübergreifend vermehren, bemühen sich gerne um repräsentative Dependancen in bester A-Lage. Ein traditioneller Grund dafür war das damit verbundene Werben um das Vertrauen der Kundschaft - neben dem Wunsch nach Selbstdarstellung, Präsenz, Reputation, Seriosität: »Bei uns ist Ihr Geld sicher.« Die Bank winkt mit dem selbsterklärenden Zaunpfahl bzw. der Carrara-Marmorsäule: Wir können mit Geld umgehen, das sollen unsere Kunden ruhig sehen und spüren. Die älteste Zentralbank der Welt, die 1668 gegründete Schwedische Reichsbank, hatte einst das Motto »Hinc robur et securitas«, zu Deutsch: »Von hier stammen Stärke und Sicherheit.« Es wurde zur massengängigen Bekräftigung der Johanniskraut-Aussage zeitweise sogar auf die 100-Kronen-Scheine gedruckt. Aber als Zentralbank ist ihre Aufgabenstellung naturgemäß deutlich sicherheitslastiger und für alle Schweden definiert.
Wer heute als Nichtbanker vor den höchsten Bankhäusern Frankfurts steht, der spürt vermutlich etwas anderes als eine Aura von persönlicher Sicherheit: Die gewaltigen Bankentürme demonstrieren zwangsläufig - und sind darin durchaus mit Burgen oder Kathedralen des Mittelalters vergleichbar - Macht und Überlegenheit gegenüber der »normalen« Welt. Es sind imposante Burgen aus Stahl, Beton und Glas, die etwas hermetisch Verriegeltes ausstrahlen, sogar ohne Wassergraben und hochgezogene Zugbrücke: Gräben und Mauern sind hier von ganz anderer menschlicher Natur und sozialer Härte . Viele draußen vor den Glastüren würden wohl das Wort »Abgehobenheit« oder - in Bezug auf das massenwirksam überlieferte Verhalten einiger Turmarbeiter - sogar »Arroganz« oder altmodisch »Niedertracht« hinzufügen. Die preisgekrönte deutsche TV-Serie »Bad Banks« hat den Mythos von Gier, Gefühlskälte und Egomanie vor Frankfurts Global-Finance-Kulisse massentauglich mit Coolness-Faktor inszeniert und so ein überzeugendes Investment in alle negativen Vorurteile vorgenommen. Nur einer klemmt sie alle im Vorbeigehen unter seine Hosenträger: Der gut gegelte Finanzhai Gordon Gekko3, dargestellt von Michael Douglas, hat im Film »Wallstreet« von 1987 mit seinem »Gier ist gut«-Credo oscarprämierte Pionierarbeit für die Anziehungs- wie Abstoßungskraft der Branche geleistet.
Quelle: picture-alliance/dpa
Ihr sympathischer und vertrauensvoller Finanzexperte von nebenan: Herr G. Gekko. Mit eingebauter Vorbildfunktion für mindestens eine Generation Banker.
Die perfekt polierte Oberfläche vieler Banken zeigt Korrosionserscheinungen. Und in der Wahrnehmung vieler Menschen deutlich weniger Oscar-Glamour à la Hollywood, dafür aber mehr Oskar in der sozialen Mülltonne. Im Ergebnis sämtlicher Vorgeschehnisse, spätestens seit der Finanzkrise 2008, ist im 21. Jahrhundert »tiefes Vertrauen« sicher nicht der erste Begriff, der externen Normalmenschen im Angesicht hochstapeliger Frankfurter Finanzbollwerke einfällt. Und »Gemeinschaft«4 vermutlich nicht das zweite Wort, das einem in den Kopf kommt, wenn allmorgendlich gepflegt-stromlinienförmige Anzugträger mit weißen Bluetooth-Knöpfchen im Ohr aus den U-Bahnschächten stromlinienartig in Richtung ihrer jeweiligen Heimattürmchen streben. Übrigens: Headhunter empfehlen mantraartig, für den perfekten CV bzw. Lebenslauf alle zwei bis drei Jahre das Türmchen zu wechseln .
All diese brutal-zerstörerischen Vorgänge sind selbstverständlich weder im Falle pulsgebender Banken noch anderer kapitaler Organisationen der aufstrebenden Architektur zuzuschreiben; diese Architektur ist allerdings ein in Beton gegossener Ausdruck des prestigeorientierten Selbstverständnisses einiger Protagonisten - und soll es wohl auch sein. Die zwei 155 Meter hohen verspiegelten High-End-Zwillingstürme der Deutschen Bank im Frankfurter Westend sind so oft medial gezeigt worden, dass sie mittlerweile zu einem Sinn- und Abziehbild deutscher Wirtschaft geworden sind - im Guten wie zuletzt zunehmend im Schlechten. Ein im Zuge der Cum-Ex-Affäre als Kronzeuge auftretender ehemaliger Banker und Hauptbeschuldigter im größten bundesdeutschen Steuerermittlungsverfahren formuliert es im Interview (anonym) so: »Wir haben da oben in diesem 32. Stock aus dem Fenster auf die Taunusanlage geschaut, da erscheinen dir die Menschen unten ganz klein, und wir haben gedacht, wir sind die Schlauesten, wir sind die Genies hier oben, und ihr da unten, ihr seid alle doof.«5
Diese unter einigen Topbankern anscheinend verbreitete Einstellung fand ihr öffentlich-plakatives Sinnbild bereits Jahre zuvor: in einem vom damaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Gerichtssaal fingerfertig und mit breitem Grinsen in die Kamera gehaltenes Victory-Zeichen. Mittlerweile ist das Foto eine Ikone der Kapitalismuskritik (»Causa Josef Ackermann« anno 2004). Und diese Art der...
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