Schweitzer Fachinformationen
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Als Helen und David das Eckbüro betraten, war es Punkt acht. Dicht an dicht saßen die Ressortleiter und leitenden Mitarbeiter des Verlags auf Stühlen, auf dem Sofa, den Sesseln, zum Teil auf Fensterbänken und Heizkörpern. Helen Christensen, die Eigentümerin des Verlags, hatte hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen, David Jakubowicz, der Chefreporter, und Alex Khan, der Chefredakteur, rahmten sie ein.
Unverzüglich begann Helen Christensen mit ihren einführenden Bemerkungen. «Vielen Dank, dass Sie trotz des kurzen Vorlaufs zu dieser frühen Stunde hergekommen sind. Ihnen dürfte bekannt sein, dass wir eine Sache von äußerster Dringlichkeit verhandeln. Da morgen Nachmittag der Fusionsvertrag unterzeichnet werden soll, läuft uns die Zeit davon. Bedenken Sie das bitte bei allem, was Sie gleich sagen möchten.»
Helen war bekannt dafür, knapp und klar zu formulieren, weshalb ihre Konferenzen in der Regel nicht lange dauerten. Es war daher nicht überraschend, dass sie auch jetzt gleich zur Sache kam.
«Zunächst die Tatsachen. Wir sind seit gestern Abend im Besitz von Informationen, denen zufolge Adam Rycart, der abgewählte US-Präsident, an einer Erbkrankheit leidet, die bereits kurz vor seinem Amtsantritt vor vier Jahren im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung entdeckt wurde. Rycart hat damals den Gendefekt nicht öffentlich gemacht. Die Beweise deuten nun darauf hin, dass er jetzt, vier Jahre später, seine Patientenakte mit den ihn belastenden Untersuchungsergebnissen verschwinden ließ. Und zwar aus dem Geheimarchiv des Kapitols just am 6. Januar, als der Mob das ehrwürdige Gebäude stürmte. Ob es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen gibt, wissen wir nicht. Noch nicht.»
Da David, ihr ältester Freund und Berater, den Anschein machte, etwas sagen zu wollen, legte Helen ihre Hand auf seinen Arm und fuhr fort: «Besonders wird Sie wohl interessieren, dass bei den gewalttätigen Aktionen am 6. Januar ein Mann eine zentrale Rolle spielte, hinter dem wir nun seit fast zwei Wochen her sind. Es handelt sich um den Zeugen, den Emma Bricks unter dem Namen Brandon Lee kennengelernt hat.» Sie blickte zu der jungen Frau, die sie kurz vor der Konferenz angerufen und hergebeten hatte. «Ohne Emma wären wir nicht im Besitz des brisanten Materials.»
Alle schauten zu der jungen Frau, die hinten auf einer Fensterbank saß. «Bisher sind wir davon ausgegangen», fuhr Helen fort, «dass uns dieser Brandon Lee einige bislang unbekannte Informationen über den Sturm aufs Kapitol liefern könnte. Jetzt aber haben wir Beweise, dass er in dem Chaos offenbar under cover einen ganz anderen Plan verfolgt hat: den Diebstahl der Krankenakte des Ex-Präsidenten. Nach unserer Kenntnis ist dieser Lee derjenige, der die Originalakte gestohlen und dann seinen Auftraggebern übergeben hat.»
Ruhig blickte sie in die Runde. «Woher wir das wissen?» Die Antwort gab sie sich selbst. «Brandon Lee ist am gestrigen Abend im Haus von David Jakubowicz gefunden worden. In seinem Hauswirtschaftsraum. Tot.»
Im Raum herrschte für ein paar Sekunden eine tiefe Stille. Dann entlud sich die Spannung, und alle redeten gleichzeitig. Und schon prasselten die Fragen auf Helen ein.
«Weiß Rycart von den Beweisen in unserem Besitz?»
«Ist die Polizei eingeschaltet?»
«Wo ist der tote Amerikaner jetzt?»
«Hat Bobby Meyers Ermordung etwas mit der Sache zu tun?»
Helen hob eine Hand, und sofort kehrte wieder Ruhe ein. «Ich weiß, die Elemente der Geschichte sind unwiderstehlich: im Zentrum der unberechenbare, irrlichternde Adam Rycart, dessen Karriere wir ein Ende setzen könnten. Darüber hinaus das persönliche Drama, dass er offenbar die Erbkrankheit an mindestens zwei seiner Kinder vererbt hat. Dann noch zwei Frauen, die Mütter dieser Kinder, die vermutlich nicht wussten, in welche Gefahr sie sich gebracht haben, als sie sich mit diesem Mann einließen. Und jetzt am Ende ein doppelter Wettlauf mit der Zeit. Rycart hat nur noch eine Chance, wiedergewählt zu werden. Und wir haben nur noch bis morgen Zeit, eine kluge, zukunftsweisende Entscheidung zu treffen. Und trotzdem .»
Sie ließ den Satz in der Schwebe, warf einen Blick in die Runde, und das Schweigen im Raum verdichtete sich. «Und trotzdem leitet mich letztlich die Frage, ob jeder hier die Lage vollständig begriffen hat.»
Alle schauten sie ernst an. Sie hatten den zweifelnden Unterton wahrgenommen.
«Denn meine Entscheidung, ob wir die geschilderten Informationen öffentlich machen oder nicht, hat Konsequenzen. Gravierende Konsequenzen.»
Sie räusperte sich. «Noch in der vergangenen Nacht habe ich mit Anthony Zara gesprochen. Er hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass es die Fusion nicht geben wird, wenn wir das Material verwerten.»
Jetzt schwoll das Gemurmel an. Und der eine oder andere sagte leise, dass das doch nicht die schlimmste Lösung des Dramas wäre.
Aber Helen war noch nicht fertig. «Zur ganzen Wahrheit gehört leider auch, dass in zwei Monaten der Dispositionskredit des Verlags für das Alltagsgeschäft ausläuft, was bedeutet, dass wir von da an die Gehälter nicht mehr zahlen können. Unsere Bank hat klargemacht, den Kredit ohne die Sicherheiten der Amerikaner nicht zu verlängern.»
Augenblicklich war es ruhig.
Aber nur für einen kurzen Moment. Denn Alex Khan, der Chefredakteur, ergriff das Wort. «Könnte eine Sensationsstory den Verlag retten?»
Helen nickte. «Die Vermarktung der Story könnte uns vielleicht retten. Aber nur, wenn wir absolut sicher sind, eventuelle Schadensersatzklagen nicht zu verlieren. Deshalb bitte ich ganz ernst um Ihren Rat. Kurz: Was sollen wir tun?»
Alle sammelten sich. Jedem war klar, dass es um viel ging, denn es gab keine Blaupause für diesen Moment.
Da hob Justitiar Mackenroth, ein Brillenträger in den Fünfzigern mit einem zarten, blassen Gesicht, höflich die Hand. «Dürfte ich .?»
«Selbstverständlich», rief Helen.
«Worin . Worin besteht konkret Rycarts Verfehlung?»
«Er hat die Bürger seines Landes über seinen Gesundheitszustand getäuscht und damit seine Wähler willentlich in die Irre geführt», antwortete David Jakubowicz.
Mackenroth faltete die Hände: «Wir müssen also unterscheiden zwischen dem Gendefekt des Ex-Präsidenten, der bei ihm bisher nicht zu einem schlimmen Ausbruch geführt hat. Und auf der anderen Seite der Erbübertragung auf einen oder mehrere Nachkommen.»
Helen bemerkte mit Genugtuung, wie Fritz Rosental, der Geschäftsführer, diskret mitschrieb.
«Genau», sagte sie.
Mackenroth fuhr fort. «Bleiben wir einen Moment bei der Falschaussage in Bezug auf den eigenen Gesundheitszustand. Diese Falschaussage ist, denke ich, juristisch unerheblich und lediglich moralisch fragwürdig, denn ein an einer Erbkrankheit leidender Präsident nimmt ja in Kauf, eine Amtszeit nicht durchhalten zu können. Das ist unverantwortlich. Aber . Aber wohl nicht strafbar.»
«Tatsächlich?», meldete sich Khan mit hochgezogenen Brauen.
«Ja. Denn es ist das fundamentale Recht eines jeden, medizinische Behandlungen zu verweigern. Einen Erwachsenen gegen seinen Willen zu behandeln, ist sogar strafbar. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass er eine Krankheit verschweigen darf.»
«Politisch allerdings wäre eine solche Führungsfigur so gut wie tot», warf Khan ein.
Irrelevant, dachte David reflexartig. Laut aber sagte er: «Wir müssen uns somit fragen: Wusste Rycart von dem in ihm schlummernden Gendefekt? Denn wenn er es nicht wusste, wäre auch er nur ein unwissendes Opfer.»
«Bis zur Untersuchung vor der Inauguration wäre er das vielleicht gewesen», sagte Mackenroth. «Aber danach war ihm bekannt, was er anrichtet. Das...
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