Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Das monotone Brummen seines VW Corrado harmonierte mit dem Gefühl der Leere in Heinz Sablatnigs Kopf, als er auf der Villacher Straße stadtauswärts fuhr. Die Sonne ging gerade auf, die Himmelsbläue wurde intensiver. Heinz fragte sich, wann er das letzte Mal so wenig Verkehr auf dieser Straße erlebt hatte. Und er fragte sich, was Direktor Oberhofer dazu bewogen haben mochte, ihn um diese frühe Uhrzeit treffen zu wollen. Natürlich würde es um einen neuen Auftrag gehen, aber warum sollte Heinz ihn so früh am Morgen erhalten und dann noch dazu im Europapark? Konspirativer ging's ja nun wirklich nicht mehr.
"Wo genau?", hatte Heinz gefragt und der Direktor hatte geantwortet: "Sie werden mich schon finden, immerhin sind Sie Detektiv, oder nicht?"
Blöder Kerl!
Die Ampel an der Minimundus-Kreuzung stand auf Rot. Heinz rieb sich den Schlaf aus den Augen, gähnte und ließ den Blick über die Baumkronen des Europaparks schweifen, der links hinter der Kreuzung begann. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, denn jetzt wusste er, wo er Oberhofer finden würde. Über die Wipfel der Bäume wuchs nämlich gerade in diesem Augenblick die mächtige Hülle eines pastellgelben Heißluftballons hinaus, auf der in riesigen blauen Lettern die Aufschrift "Fiducia" prangte.
Die Fiducia AG war jene Versicherungsgesellschaft, deren Landesdirektion für Kärnten und Osttirol von Magister Armin Oberhofer geleitet wurde. Wann immer es Unstimmigkeiten bei der Auszahlung von Versicherungssummen gab, beauftragte Oberhofer Berufsdetektiv Heinz Sablatnig mit den Nachforschungen. Das war oft monotone, zumindest aber gut bezahlte Arbeit, doch ab und zu war auch ein interessanter Fall dabei, der Heinz vor besondere Herausforderungen stellte.
Nachdem er sein Auto geparkt hatte, schlenderte Heinz über die Wiese des Europaparks und sog genussvoll die frische Luft ein, die der nächtliche Regen gebracht hatte. Nicht mehr lange, und die morgendliche Kühle würde der tropischen Julihitze weichen, die seit Tagen in Kärnten vorherrschte. Der Ballon mit der Fiducia-Aufschrift war nur einer von vielen, die hier gerade befüllt und zum Start bereitgemacht wurden. Dabei lief das geschäftige Hantieren mit diversen Ausrüstungs- und Transportgegenständen in einer Ruhe ab, die der frühen Morgenstunde angemessen war, wie Heinz fand. CalibriDer Fiducia-Ballon war bereits prall gefüllt, im Korb stand ein Mann, der mit einem Gerät an der Innenwand beschäftigt war, und ein weiterer rollte auf der Wiese daneben eine Plane ein. Direktor Oberhofer wuchtete gerade eine Sporttasche in den Korb; er trug einen modernen Trainingsanzug.
"Guten Morgen, Sablatnig, grüße Sie." Heinz fragte sich, ob er die ungewohnte Freundlichkeit, die in der Stimme mitschwang, darauf zurückführen sollte, dass der Versicherungsmann noch nicht ganz wach war. Doch gerade, als er sich bei dem Gedanken ertappte, dies könnte Oberhofers unverfälschte Natur sein und seine sonstige, grobe Arroganz nur gespielt, rückte dieser Heinz' Vorstellung auch schon wieder zurecht: "War doch keine unlösbare Aufgabe, mich zu finden, wie ich sehe." Er drückte Heinz fest die Hand, dann wies er auf den schmächtigen Enddreißiger im Ballonkorb, der jetzt überkopf am Brenner hantierte. "Das ist Herr Salcher, unser Fahrer."
Als Salcher seinen Namen hörte, zuckte er zusammen und blickte zu ihnen herüber. Dann setzte er ein Grinsen auf und kletterte mit hektischen Bewegungen aus dem Korb, um Heinz ebenso hektisch die Hand zu schütteln. Heinz fand, dass Salchers Oberlippenbart seinen ausgeprägten Vorbiss unvorteilhaft betonte und sein Grinsen, bei dem der Unterkiefer zurückwich, diese Wirkung noch zusätzlich verstärkte.
"Was meinen Sie mit 'unser Fahrer'?", fragte Heinz Oberhofer, nachdem er sich Salcher gegenüber vorgestellt hatte.
"Sablatnig, ich habe mit Ihnen zu reden." Der Landesdirektor griff beidhändig an den oberen Rand des Ballonkorbs und sprang ansatzlos über die brusthohe Kante. Heinz staunte immer wieder darüber, wie fit der Mann war. "Was ist?", fragte Oberhofer ungeduldig, wodurch Heinz erst bemerkte, dass er erstarrt war, "steigen Sie ein."
Heinz kannte den Direktor gut genug, um zu wissen, dass jede Diskussion überflüssig war. Dass er nun mitfahren musste, war nicht verhandelbar, außer er würde schon im Vorhinein auf den Auftrag verzichten, der nun wohl anstand. Und abgesehen davon, dass er sich als Profi eine solche Blöße nicht geben wollte, war er viel zu neugierig darauf. Also kletterte er über eine Strickleiter auf den Rand des Korbes und sprang hinein. Der Korb war innen durch drei in Ypsilon-Form angeordnete Wände aus Rattan in drei Bereiche unterteilt. In einem stand nun wieder Salcher, im zweiten Oberhofer und im dritten Heinz.
"Geben Sie Gas, Salcher", befahl der Landesdirektor, kaum dass Heinz eingestiegen war. Der Ballonfahrer nickte hastig und begann zu hantieren. Er löste die Halteleine und ließ den Brenner laut und anhaltend aufpfauchen. Heinz wandte sein Gesicht ab, um es vor der Hitze zu schützen. Mit einem leichten Wackeln begann die Reise. Der Mann auf der Wiese, der vorhin die Plane eingerollt hatte, schloss nun ein paar große, metallene Koffer. Er war offenbar eine Hilfskraft, für Oberhofer unwichtig genug, um ihn und Heinz nicht miteinander bekannt zu machen.
Nach den ersten paar Höhenmetern stieg der Ballon immer schneller in den Kärntner Himmel. Heinz fuhr nicht zum ersten Mal in einem Heißluftballon, doch offensichtlich war er noch nicht oft genug gefahren, um sich an das leichte Schwanken des Korbes und an die knirschenden und schabenden Geräusche des Seilwerks am Korb und an der Hülle gewöhnt zu haben. Er fühlte sich unsicher, schutzlos - ausgeliefert.
Als Salcher die Hände vom Brenner nahm, kehrte schlagartig eine angenehme Ruhe ein. Die Bäume des Europaparks lagen unter ihnen und Heinz hatte freie Sicht auf den noch ruhig daliegenden Wörthersee im Westen und auf die Stadt Klagenfurt im Osten, die von der aufgehenden Sonne in ein atemberaubendes Licht getaucht wurde. Seine Unsicherheit schwand mit jedem Meter, den der Ballon nach oben stieg.
Es dauerte noch etliche Minuten, bis Oberhofer irgendwelche Gegenstände am Boden seines Korbdrittels zurechtgelegt hatte, dann klingelte sein Telefon und er begann ein Gespräch, das schier endlos anzudauern schien. Auch wenn Heinz sich fragte, wer um kurz nach sechs Uhr morgens anrief, hatte er nichts dagegen. So konnte er ungestört den Aufstieg des Ballons genießen, der die Aussicht in alle Himmelsrichtungen immer weitläufiger werden ließ. Die Luft war so klar, dass sich die Gipfel der Karawanken im Süden scharf vom azurblauen Himmel abhoben, als wäre das Gebirge eine riesige, unregelmäßig gezackte Säge.
Irgendwann, nach einer halben Stunde oder mehr, war das Telefonat des Direktors doch zu Ende und Oberhofer wandte sich Heinz zu: "Sablatnig, in medias res." Während er sprach, zog er seinen Trainingsanzug aus. "Vor dreizehn Jahren sind ein gewisser Guido Raunjak und ein gewisser Markus Meißler, beide Berufskriminelle, in die Villa Schilling in Krumpendorf eingedrungen. Dort haben sie den Inhaber, einen ausgesprochen wohlhabenden Fabrikanten namens Thomas Schilling, sowie dessen Gattin als Geiseln genommen. Die Geiselnehmer haben die Herausgabe eines bestimmten Gegenstands gefordert, andernfalls würden sie Frau Schilling foltern. Daraufhin hat ihnen Herr Schilling den geforderten Gegenstand übergeben. Raunjak und Meißler haben das Ehepaar gefesselt und sind mit der Beute geflohen. Dass die Polizei quasi sofort die Verfolgung hat aufnehmen können, war zwei glücklichen Umständen zu verdanken. Zum einen einer Nachbarin, der es verdächtig vorgekommen ist, dass zwei fremde Männer im Laufschritt die Villa Schilling verlassen, und die deshalb die Polizei alarmiert hat. Sie war geistesgegenwärtig genug, um sich den Fahrzeugtyp und das Kennzeichen des Fluchtautos zu notieren. Zum anderen war in unmittelbarer Nähe zufällig ein Streifenwagen unterwegs. Der hat keine zweihundert Meter vom Tatort entfernt Sichtkontakt zum Fluchtfahrzeug aufgenommen, sich auf die Fährte gesetzt und die nachkommende Verstärkung auf den richtigen Weg geführt. Nach einer Verfolgungsjagd über mehrere Kilometer hat die Polizei Raunjak und Meißler mithilfe einer Straßensperre stoppen können. Dort ist es dann zu einer Schießerei gekommen, bei der Raunjak einen Polizisten erschossen und einen weiteren schwer verletzt hat. Meißler hat einen Kopfschuss abbekommen, er hat zwar überlebt, ist aber bis zu seinem Tod vier Jahre später nicht mehr aus dem Koma erwacht. Raunjak hat man festgenommen und nach einem kurzen Gerichtsverfahren wegen schweren Raubes mit Todesfolge zu achtzehn Jahren Haft verurteilt. Sowohl die Polizei als auch das Gericht sind davon ausgegangen, dass der Raub eine Auftragsarbeit war, weshalb man Raunjak dazu bringen wollte, den Namen seiner Auftraggeber zu nennen. Doch der hat sich darüber genauso ausgeschwiegen wie über den Verbleib des geraubten Gegenstands."
Als Oberhofer seinen Monolog beendet hatte, hockte er sich auf den Ballonboden und Heinz hörte das Geräusch eines Reißverschlusses, der aufgezogen wurde.
"Das heißt, er hat die Beute versteckt? Aber wie ist das möglich, wenn er gleich nach der Tat geschnappt worden ist?" Auch wenn Heinz das hasste, so machte er dem Direktor doch die Freude, nach den Informationen zu fragen, die dieser offengelassen hatte, um die Spannung seiner Erzählung zu erhöhen.
Der Versicherungsmann richtete sich wieder auf und erklärte: "Nicht er hat die Beute versteckt, sondern seine Freundin, eine junge...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.