Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Bitte beachten Sie
Am Freitag, 03.10.2025 und am Sonntag, 05.10.2025 finden bei unserem externen E-Book Dienstleister jeweils zwischen 9.00 und 15.00 Uhr Wartungsarbeiten statt. Daher bitten wir Sie Ihre E-Book Bestellung außerhalb dieses Zeitraums durchzuführen. Möglicherweise kann die Zustellung des Download-Links auch außerhalb der Wartungsarbeiten an diesen Tagen zeitverzögert sein. Wir bitten um Ihr Verständnis. Bei Problemen und Rückfragen kontaktieren Sie gerne unseren Schweitzer Fachinformationen E-Book Support, der Ihnen am Montag, 06.10.2025 dann auf Ihre Nachricht antworten wird.
2. Konzeptionelle Ansätze in der Psychomotorik
Nicht nur die Einsatzbereiche der Psychomotorik haben sich erweitert. Mit der Verbreitung psychomotorischen Gedankengutes differenzierten sich auch unterschiedliche konzeptionelle Ansätze heraus, die sich zwar alle einer ganzheitlichen Förderung von Kindern - meist mit Entwicklungsbeeinträchtigungen und speziellen Bedürfnissen - verschreiben, aber doch ganz verschiedenen handlungsleitenden Konzepten folgen.
Im Folgenden sollen unterschiedliche Richtungen der Psychomotorik vorgestellt und ihre Konsequenzen für die Praxis diskutiert werden.
2.1 Von der »psychomotorischen Übungsbehandlung« zur ganzheitlichen Entwicklungsförderung
Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, liegt der Ursprung der deutschen Psychomotorik in der von Kiphard begründeten »psychomotorischen Übungsbehandlung«. Diesem Ansatz fühlen sich die meisten heute auszumachenden psychomotorischen Ansätze verpflichtet, auch wenn der Begriff »Übungsbehandlung« mit der Zeit ersetzt wurde durch »psychomotorische Erziehung«, »Motopädagogik«, »psychomotorische Förderung« oder auch »psychomotorische Entwicklungsförderung«.
Das Hauptanliegen der psychomotorischen Förderung wird in der Unterstützung der Gesamtpersönlichkeitsentwicklung des Kindes gesehen. Hier geht es in erster Linie um Hilfen zur Entfaltung der individuellen Handlungsmöglichkeiten einerseits und um die Befähigung zur Lösung sozialer Aufgaben andererseits (Kiphard 1980).
Die ersten Veröffentlichungen Kiphards zur psychomotorischen Übungsbehandlung und zur Motopädagogik erweckten noch den Eindruck einer starken Übungszentriertheit.
»Lernbereiche«
So benötige das Kind - um erfolgreich handlungsfähig zu sein - Übungsanregungen aus drei großen Bereichen, dem
■ Wahrnehmungsbereich,
■ Bewegungsbereich,
■ emotional-sozialen Bereich.
Hierzu bietet Kiphard dann eine Fülle von Übungen an, die dem Lehrenden einen Überblick verschaffen wollen, wie er schwerpunktmäßig arbeiten kann: »So wird er beispielsweise einmal mehr die Wahrnehmungsprozesse, ein andermal die Bewegungskoordination und motorische Handlungsfähigkeit, dann wieder die expressiv-motorische und sozio-motorische Seite betonen. Die Lernbereiche stellen also keine Hierarchie dar. Der Motopädagoge wählt für jede Stunde die Inhalte aus allen drei Lernbereichen, lediglich mit unterschiedlicher Betonung« (Kiphard 1980, S. 73 f.).
Didaktische Prinzipien
Zwar erwecken die einzelnen Übungen den Eindruck, als würden die Kinder vor allem angeleitet und zu bestimmten Bewegungsaufgaben aufgefordert werden (»Wir üben das Prellen des Balles gegen den Boden . Welcher Ball fliegt am höchsten . Wer kann den Luftballon mehrmals hochstoßen?« etc.), im Rahmen seiner Hinweise auf die me thodisch- didaktischen Prinzipien einer psychomotorischen Lehrweise stellt er jedoch Selbsttätigkeit, Kreativität und Selbststeuerung als wesentliche Prinzipien jeder psychomotorischen Förderung heraus. Kiphard wendet sich ausdrücklich gegen ein Funktionstraining, das er als nicht kindgemäß und nicht vereinbar mit der ganzheitlichen Auffassung der psychomotorischen Arbeitsweise hält.
Die Vielfalt der Anregungen Kiphards reichen von Wahrnehmungsübungen über Beispiele zur Haltungserziehung bis hin zu Zirkusaktivitäten, Akrobatik und Clownspielen. So sind in der Tradition Kiphards und als Weiterentwicklung der »psychomotorischen Übungsbehandlung« heute eine Reihe von Veröffentlichungen zu finden, die Anregungen für eine vielfältige Bewegungsförderung (insbesondere) von Kindern geben und sich durch spielerische, fantasievolle Beispiele auszeichnen (Beins 2020; Beudels, Kleinz & Delker 2011; Beudels, Lensing-Conrady & Beins 2013; Gerber 2012; Passolt & Pinter-Theis 2003; Zimmer 2021b, 2023a; Hunger & Zimmer 2016).
2.2 Der handlungsorientierte Ansatz
Adaption = Anpassung
Parallel zu der stärker intuitiven Förderpraxis von Kiphard entwickelte sich eine Richtung der Psychomotorik, deren Ausgangspunkt in der Annahme lag, dass vielseitige Bewegungs- und Wahrnehmungsmus ter eine wichtige Grundlage menschlicher Handlungsfähigkeit darstellen. Ausgehend von Regelkreismodellen, nach denen Wahrnehmen und Sich-Bewegen in Zusammenhang mit den Umweltbedingungen als eine sich selbst regulierende biologische Einheit verstanden werden, beschreibt Schilling (1978) Bewegungsentwicklung als Adaptationsprozess des menschlichen Organismus an die Bedingungen der Umwelt. Entwicklungsfortschritte werden durch Reifungsvorgänge, Lernprozesse und exogene Einflüsse bestimmt.
»Ziel des Organismus ist eine totale Ortsungebundenheit (räumliche Unabhängigkeit) und eine optimale Nutzung und Beherrschung der Umweltbedingungen. Der Verlauf des Adaptationsprozesses richtet sich in hohem Maße nach den Anforderungen der Umwelt. Bewegungsentwicklung braucht ein hohes Maß an differenzierten Bewegungsreizen, die bei der bisherigen Kleinkinderziehung nicht genügend Beachtung fanden« (Schilling 1978, S. 23).
Lernen - Üben
Das Ziel jeder Bewegungsadaptation sieht Schilling (ebd.) darin, » . durch ständiges Wiederholen der Bewegungen (Lernen - Üben) die Anpassungen an die Umweltbedingungen zunehmend zu verbessern. Auf diesem Weg kommt es zu der Ausbildung von Fertigkeiten«.
Verhaltensprobleme als Folge von Bewegungsstörungen
Schilling weist darauf hin, dass die Beschäftigung mit den damals so bezeichneten »bewegungsbehinderten« Kindern, insbesondere die Folgezustände nach »frühkindlichen Hirnschäden«, zu der Einsicht führte, dass die Wahrnehmungs- und Bewegungsentwicklung in den Vordergrund jeder Persönlichkeitsentwicklung zu stellen sei. Verhaltensprobleme werden demnach auch als Folge von Bewegungsstörungen und als mangelnde Anpassungsfähigkeit des Kindes an die Anforderungen der Umwelt interpretiert:
»Empirische Untersuchungen zeigten deutlich, dass diese Kinder unzureichend über Bewegungserfahrungen verfügten, dass sie infolge dieser Unzulänglichkeiten aufgrund bestehender Forderungen der sozialen Umwelt vielfältige Kompensationsmechanismen entwickeln und dadurch verhaltensauffällig werden oder doch zumindest Schwierigkeiten mit sich selbst und ihrer sozialen Umwelt zeigen« (Schilling 1986, S. 59).
Durch anregungsreiche, strukturierte Bewegungsangebote soll das Kind nach diesen Überlegungen zur Eigenaktivität angeregt werden. Ansatzpunkte sind weniger die Schwächen des Kindes, sondern seine Stärken und besonderen Interessen. Durch differenzierte Bewegungsangebote wird versucht, dem Kind Erfolgserlebnisse zu vermitteln. Es kann also da beginnen, wo es sich selbst als handlungsfähig erlebt. Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung werden hier jedoch vorwiegend als sekundäre Folge einer primären Bewegungsstörung angesehen, und über die Verbesserung im funktionell motorisch-physiologischen Bereich wird eine tiefergehende Förderung - auch auf psychischer Ebene - erwartet.
Schillings Definition der Motopädagogik als »das Konzept der Persönlichkeitsbildung über motorische Lernprozesse« (1981, S. 187) verkürzt psychomotorische Entwicklungsförderung allerdings auf das gezielte Aufbauen von Bewegungsmustern. Der Mensch wird als Anpassungsorganismus auf innere und äußere Reize gesehen - das widerspricht eigentlich dem ganzheitlichen Anspruch, den die Psychomotorik erhebt.
Seewald (1997, S. 5) bezeichnet den Ansatz Schillings als »lern- und kompetenzorientierten Ansatz« und vermisst in ihm die Berücksichtigung subjektiv-sinnorientierter Dimensionen. Allerdings muss bedacht werden, dass durch die Arbeiten Schillings zur Diagnose und Therapie motorischer Störungen bei Kindern die empirische Forschung in der Psychomotorik angeregt wurde und die weitreichende Bedeutung von Bewegungsstörungen für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ins Bewusstsein der Mediziner und Pädagogen rückte.
2.3 Die sensorische Integrationsbehandlung
Nicht weit von diesen Vorstellungen entfernt liegt der Ansatz der sensorischen Integrationsbehandlung. Auch hier geht es um die Voraussetzungen menschlicher Handlungsfähigkeit und um die Gefahren, die durch eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungsleistungen für die Gesamtentwicklung des Kindes entstehen.
Integrationsstörungen
Neurophysiologische Überlegungen zur Funktionsweise des Zentralnervensystems und zur Bedeutung sinnlicher Wahrnehmung bei der Auseinandersetzung mit der Umwelt führen zu einer Theorie über die Entstehung und Behandlung von Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten, bei der die Beziehung zwischen motorischen und sensorischen Systemen eine wichtige Rolle spielt.
Die Grundsinne
Jean Ayres,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.