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Politik geht vom Menschen aus und wird für den Menschen gemacht. Sie hat ihren Ausgangspunkt in der Frage: Was macht den Menschen aus? Was ist eine Politik, die dem Menschen gemäß ist? Und sie gewinnt ihre Vollendung in der Frage: Wie kann ich das, was dem Menschen gemäß ist, aber nicht einheitlich, nicht gleichgerichtet, für die Menschen gestalten? Wie kann ich individuelle Interessen und Gemeinschaft zusammendenken? Die erste Frage ist die Frage nach dem Menschen als Person. Der Mensch als Person ist das der sozialen Ordnung zugrunde liegende Prinzip. Aus ihm erwachsen sowohl weitere Ordnungsprinzipien der Gesellschaft als auch die uns leitenden Grundwerte. Die zweite Frage ist die Frage nach dem Menschen und dem Gemeinwohl. Gemeinwohl ist ein regulatives Prinzip. Es sorgt dafür, dass die Mannigfaltigkeit der unterschiedlichen Lebensentwürfe in einem vernünftigen, zustimmungsfähigen Ganzen zusammengeführt werden kann. Gemeinwohl ist ein anderer Begriff für soziale Gerechtigkeit, für Fairness. Es stellt Leitplanken des Zusammenlebens bereit, die für die Einheit in der Vielheit sorgen. Gemeinwohl ist kein festes Rezept, kein ideologisches Programm, sondern ein Erfordernis der praktischen Vernunft; ohne das regulative Prinzip des Gemeinwohls fiele die Gesellschaft auseinander, und eine Politik, die für den Menschen gemacht wird, wäre nicht möglich. Person und Gemeinwohl sind also dialektisch miteinander verbunden, sie bedingen sich gegenseitig. Personalität lässt sich ohne Sozialität und damit Gemeinwohlorientierung nicht denken. Ebenso wenig lässt sich Gemeinwohl denken ohne die Freiheit der Person, die eine Vergesellschaftung der Menschen verhindert.1
Politik wird für den Menschen gemacht. Was aber macht den Menschen aus? Was unterscheidet ihn vom Tier oder von anderen Bestandteilen der Schöpfung? Was ist es, auf das sich Politik bezieht, wenn sie vom Menschen spricht?
Die erste Antwort auf die Frage, was der Mensch ist, lautet: Er ist dasjenige Wesen, das diese Frage stellt und stellen kann. Er kann sich als Subjekt begreifen, also als ein von der Umwelt abgeschlossenes, autonomes (oder zumindest in den Grenzen der Biologie autonomes) Handlungssystem. Und er kann sich zweitens selbst reflektieren, also sich selbst zum Objekt machen. Er macht sich eine Vorstellung von sich selbst, indem er sich selbst zum Objekt seiner Betrachtung macht. Und schließlich kann er verallgemeinern, also eine begriffliche Fassung des Menschen denken: Das, was er für sich selbst reflexiv erfasst, kann er auf eine unbestimmte Vielzahl anderer Menschen übertragen und damit begrifflich denken.
Darüber hinaus kann dieser Mensch Vergangenheit und Zukunft erfassen. Aus der Vergangenheit erwächst seine Erfahrung, aus dem Wissen um die Zukunft die Sorge oder Hoffnung bezüglich des Morgen. Schließlich kann er über die Bedingungen seiner eigenen Existenz hinausgehen und die Frage nach dem Woher des Lebens und dem Wohin nach dem Leben thematisieren. Der Mensch ist also: Subjekt, durch die Fähigkeit zur Reflexivität gekennzeichnet, geschichtliches Wesen, das um Vergangenheit und die Möglichkeit der Zukunft weiß, und zur Transzendenz fähig.
Die zweite Antwort ist: Der Mensch ist ein Wesen, das schon immer auf den anderen angewiesen ist. Er kann sich nicht in Einsamkeit verwirklichen, sondern nur in der sozialen Interaktion. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er braucht andere Menschen, um zu überleben, und ebenso, um zur Sprache und damit zur Möglichkeit der Welterschließung zu gelangen. Das Ich entwickelt sich erst durch die Ansprache des Du. Das Kind lernt erst durch das Du, dass es ein Ich ist. Ohne Sprache verkümmert der Mensch, denn Sprache ist eine der wichtigsten Formen menschlicher Zuwendung. Der Mensch wird er selbst nur durch andere Menschen. Sie sind Bedingung seiner Einhausung in der Welt ebenso wie Garanten des Vertrauens in die grundsätzliche Tragfähigkeit sozialer Beziehungen.
Die dritte Antwort ist: Der Mensch ist ein Wesen, das unabhängig von seinen Instinkten handeln kann. Er hat einen freien Willen. Das bedeutet: Er kann sich über seine Instinkte erheben, sich auch gegen sein "biologisches Programm" entscheiden. Im Extremfall kann er sich sogar gegen seine eigene Existenz entscheiden. Thomas Hobbes hatte unrecht: Der Mensch ist eben nicht nur ein Wesen, das Lust maximiert und Unlust zu vermeiden sucht, sondern er greift weit darüber hinaus. Er ist in seinem Handeln frei und nicht den Instinkten unterworfen, wohl aber dem Gewissen als dem Maß seiner Entscheidungen. Dieses Gewissen gibt ihm die Möglichkeit, zwischen moralisch Richtigem und Falschem zu unterscheiden - es zwingt ihn aber nicht, das Richtige zu tun. Er kann sich aus freiem Willen auch für das Falsche, für das Böse entscheiden.
Vor allem die Willensfreiheit und die Fähigkeit zur Transzendenz gelten als integrale Bestandteile einer diesseitig begründeten Vorstellung von der Würde des Menschen. Diese ist Geltungsgrund aller Grundrechte. In der christlich-sozialen Tradition kommen zwei Aspekte hinzu. Zum einen die Tatsache, dass der Mensch als Geschöpf Gottes gesehen wird: Beseelt durch den Schöpfer und laut dem biblischen Auftrag über alle anderen Geschöpfe gestellt mit dem Auftrag, diese wie die Schöpfung überhaupt zu hegen und zu pflegen. Mehr noch: Er ist eine Schöpfung nach dem Ebenbild Gottes, und zwar unabhängig von der Geschlechtlichkeit. Die Tatsache der Schöpfung weist dem Menschen seinen Platz zu. Er ist nicht der Herr seines Lebens und seiner Umwelt, sondern handelt im Bewusstsein, dass er sich gegenüber einer höheren Instanz verantworten muss. Er ist darüber hinaus in der Praxis des Handelns Schuld und Irrtum unterworfen, aber kann Vergebung erlangen für sündhaftes Verhalten. In der christlich-sozialen Tradition verdichten sich diese fünf Elemente - Willensfreiheit, Fähigkeit zur Transzendenz, Mensch als Geschöpf Gottes, Subjektivität in Animalität und Schuld aus der Ambivalenz der Praxis - zum Begriff der Person. Es ist dieser Begriff der Person, der die Grundlage der sozialen Ordnung bildet und die Begründung der Menschenrechte bereitstellt.
Der Begriff der Person ist deutlich älter als die Debatte über Würde, die ja zunächst einen sozialen Status widerspiegelt und erst im Zuge der Aufklärung durch einen Prozess der Sakralisierung der Person, einer komplexen kulturellen Verschiebung, zu einer Zivilreligion der Moderne wird.2 Der inhaltliche Kern ist ähnlich: die sittliche Autonomie des Menschen und seine Fähigkeit, als geschichtliches Wesen die moralische Urteilskraft auf sein Wollen und Handeln zu beziehen. Freilich ist der Begriff der Person gehaltvoller und komplexer, aber doch eben einer bestimmten Denktradition zugeordnet, die nicht mehr als selbstverständlich unterstellt werden kann. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Personalität nicht erwähnt, wohl aber, als verfassungsrechtliche Grundnorm, der Schutz der Würde des Menschen. Mit der Würde ist nicht ein sozialer Status gemeint, eine erworbene oder zugeschriebene Position, die auf Leistung oder Fähigkeiten beruht. Würde ist eine Mitgift, und sie ist nicht abstufbar, sie wird nicht verliehen und kann nicht verloren gehen. Der Mensch besitzt sie vom Anbeginn des Lebens, weil er von anderen Menschen abstammt und damit einer Spezies angehört. Er ist von Anbeginn jemand, nicht etwas3 - und bleibt dies bis zu seinem Ende und manchmal, was den Respekt vor den Toten angeht, auch darüber hinaus. Der Verfassungsgeber hat allen staatlichen Gewalten die Aufgabe gegeben, die Würde des Menschen zu schützen. Staatliches Handeln hat die Aufgabe, einer Demütigung als Verletzung der Selbstachtung des Menschen entgegenzuwirken. Darin zeigt sich das Gesicht einer anständigen Gesellschaft.4
In der Entstehung des Grundgesetzes spielte der antitotalitäre Grundkonsens eine wichtige Rolle. Dass der Mensch eine unveräußerliche Würde hat, bildete dabei das Gegenprogramm zu der Erfahrung des Nationalsozialismus und des Kommunismus sowjetischer Prägung. Der Begriff der Würde bezeichnete einen geschützten Bereich außerhalb des Zugriffs staatlicher Gewalt, eine antitotalitäre Grundnorm. Erst in den darauffolgenden Jahren wurde der Begriff der Würde durch Inhalte des christlichen Naturrechts aufgefüllt; der Personalismus hielt Einzug in die verfassungsrechtliche Debatte.5
Würde ist selbst kein Grund- oder Menschenrecht, sondern der transzendentale Geltungsgrund von Menschenrechten. Das wird schon aus der Formulierung von Artikel 1 Absatz 3 des Grundgesetzes deutlich, in dem von den "nachfolgenden Grundrechten" die Rede ist. Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz ein "absoluter Wert"6 und unter die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes gestellt. Selbst dann, wenn alle anderen Grundrechte nicht mehr Bestandteil des Grundgesetzes wären, könnten sie aus der Würde des Menschen abgeleitet werden. Würde zu haben bedeutet, nicht zum Objekt gemacht werden zu dürfen, sondern mit dem Eigenwert der Person wahrgenommen und behandelt zu werden. Es bedeutet auch, dass Menschen nicht ökonomisch unter solchen Lebensbedingungen leben müssen, die sie zum Objekt deklassieren. Daraus erwächst auch ein Gestaltungsauftrag an die Mindestbedingungen gesellschaftlicher Teilhabe, die durch den Staat zu garantieren sind.
Vom Grundsatz her ist der Schutz der Würde nicht auf den...
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