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Um mit Erfolg gegen die kannibalische Weltordnung zu kämpfen, ist die Existenz einer normativen internationalen Ordnung unentbehrlich. Die Grundpfeiler der kannibalischen Ordnung sind die mörderische Herrschaft des Stärksten, die Willkür des entfesselten Marktes, die Ungleichheit, das Elend und die Entfremdung der Masse. Die Erklärung der universellen Menschenrechte wurde von der Generalversammlung der UNO am 10. Dezember 1948 im Zuge ihrer 183. Plenarsitzung in Paris angenommen. In ihrem ersten Artikel heißt es: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.«
Nur das Gesetz kann die schreckliche Gewalt des Kapitals bändigen.
Einer der beeindruckendsten Staatsmänner, die ich kennengelernt habe, war der frühere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt. Er war als junger Mann Mitglied der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) und emigrierte im April 1933 nach Norwegen. 1937 war er für mehrere Monate in Spanien an der Seite der Internationalen Brigaden, die für die Republik und gegen das Franco-Regime kämpften, und berichtete darüber für norwegische Zeitungen. Er lernte den bei diesen Kämpfen schwer verwundeten George Orwell (Mein Katalonien) kennen. Willy Brandt kämpfte gegen die Nazi-Monster und wurde zu einer Ausnahmeerscheinung in der deutschen Nachkriegspolitik. Nie werde ich sein enormes pädagogisches Talent, seinen feinsinnigen Humor und seine menschliche Wärme vergessen. Seine Lehren sind noch heute eine Richtschnur meines Handelns.
Nach seiner Abdankung als Bundeskanzler im Jahr 1974 war er von 1976 bis zu seinem Tod im Jahr 1992, 16 Jahre lang, Präsident der Sozialistischen Internationalen. Ich war Mitglied in deren Exekutivrat.
Uns, den Jungen jener Zeit - Lionel Jospin, François Hollande, Pierre Schori, Peter Jankowitsch -, hat Willy Brandt stets versichert: »Der Frieden ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts.«
Die Charta der Vereinten Nationen wurde am 26. Juni 1945 am Ende der Konferenz in San Francisco von den 51 Gründerstaaten ratifiziert. Als Gründerstaaten wurden die Staaten anerkannt, die den Achsenmächten vor dem 8. Mai 1945 den Krieg erklärt hatten. Heute gibt es 193 Signatarstaaten. Alle Staaten der Erde sind Mitglieder der Vereinten Nationen, mit Ausnahme des Vatikanstaates. Die UNO beruht auf drei Prinzipien, drei Grundpfeilern: erstens der Achtung vor den Rechten aller Menschen auf unserem Planeten; zweitens einer gerechten Entwicklung, das heißt der Umverteilung des weltweiten Reichtums und dem Kampf gegen Not und Elend; schließlich der Garantie kollektiver Sicherheit durch das koordinierte Handeln aller Mitgliedsstaaten. Woraus folgt, dass jeder Staat, der einen anderen Staat angreift, der kollektiven Sanktion begegnet.
In dem entsetzlichen Krieg, dem die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 der russischen Aggression auf Veranlassung des Massenmörders Wladimir Putin ausgesetzt ist - er hat einen Mitgliedsstaat der UNO überfallen und dort grauenhafte Massaker und Zerstörungen durchführen lassen -, in diesem Krieg, sage ich, kommen die Vereinten Nationen überhaupt nicht vor. Keine der Maßnahmen, die sie hätten ergreifen können und müssen, sind beschlossen worden. Kein humanitärer Korridor wurde eingerichtet, wie es nach Kapitel VII der Charta vorgesehen wäre.
Es wurde keine Waffenstillstandslinie festgelegt und von Blauhelmen gesichert. Es gab keine kollektive Reaktion gegen den Aggressor wie 1950, als Nordkorea und China in Südkorea einfielen. Damals haben die Vereinten Nationen unter der UN-Flagge eine internationale Armee aufgestellt, die die Aggressoren zurückgedrängt hat. Hier passiert nichts dergleichen, die Vereinten Nationen bleiben außen vor.
Warum? Wegen des Vetorechts, das Russland, eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, besitzt. Die Vereinten Nationen haben ein Parlament, die Generalversammlung (»One state, one vote« - Ein Staat, eine Stimme), und eine Exekutive (eine Regierung): 15 Staaten, die Mitglieder des Sicherheitsrates sind. Zehn davon sind keine ständigen Mitglieder, sondern für die Dauer von zwei Jahren gewählt und jedes Jahr zur Hälfte erneuert, während die fünf ständigen Mitglieder (Vereinigte Staaten, Russland, China, Frankreich, Vereinigtes Königreich) über das Vetorecht verfügen. Diese sind die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs. Ein einziges dieser Länder, das mit einer von der Generalversammlung beschlossenen Maßnahme nicht einverstanden ist, kann die Gesamtheit der Vereinten Nationen zur Untätigkeit verurteilen und die Organisation daran hindern, in einem Konflikt gleich welcher Art zu intervenieren.
Aus diesem Grund muss das Vetorecht abgeschafft werden. Das ist eine notwendige Voraussetzung für eine Erneuerung der Vereinten Nationen.
Während der Tage vom 9. bis zum 12. Januar 1941 wühlte der Sturm das Meer auf. Über die Wasseroberfläche peitschte der Regen. Der Wind heulte. Vor der neufundländischen Küste lag der Kreuzer USS Augusta der amerikanischen Kriegsmarine. An Bord befanden sich Franklin Delano Roosevelt und Winston Churchill, der Präsident der Vereinigten Staaten und der Premierminister des Vereinigten Königreichs.
Die Welt stand in Flammen. Die Nazi-Monster und die japanischen Imperialisten verwüsteten Europa und Asien.
Unerschütterlich, visionär glaubten Churchill und Roosevelt an den finalen Sieg der Alliierten. In seinem Tagebuch notierte Churchill: »Und wenn es zwanzig oder dreißig Jahre dauert, wir werden siegen.« Auf der USS Augusta legten sie, vom schweren Seegang gebeutelt und durchnässt, die Grundzüge der neuen Weltordnung fest. In der Atlantik-Charta, die nach ihrem Treffen am 14. August 1941 verkündet wurde, war zum ersten Mal der schöne Name »Vereinte Nationen« zu lesen. Diese Atlantik-Charta wurde zum Vorbild der Gründungscharta der Vereinten Nationen, die am 26. Juni 1945 in San Francisco unterzeichnet wurde.
In der Atlantik-Charta hieß es: »Sie hoffen, dass nach der endgültigen Vernichtung der Nazi-Tyrannei ein Frieden geschaffen werde, der allen Völkern erlaubt, innerhalb ihrer eigenen Grenzen in vollkommener Sicherheit zu leben, und der es allen Menschen in allen Ländern ermöglicht, ihr Leben frei von Furcht und von Not zu verbringen.«********
Aber die Vorstellungen, die Roosevelt und Churchill von den künftigen Vereinten Nationen hatten, wichen voneinander ab. Roosevelt wollte eine radikal demokratische Organisation, gegründet auf einer Generalversammlung, in der jeder Staat unabhängig von seiner Wirtschaftsmacht oder seiner Bevölkerungsgröße eine Stimme hat. Churchill, der erlebt hatte, wie Hitler an die Macht gekommen war, hielt diese Option für zu gefährlich. Im November 1932 hatte Hitler 33 Prozent der Stimmen erhalten. Generalfeldmarschall Hindenburg, der Präsident der Weimarer Republik, der bereits sehr krank war, ernannte ihn Ende Januar 1933 zum Reichskanzler. Bereits März 1933 brachte Hitler das Ermächtigungsgesetz durch, das ihm die unbeschränkte Regierungsgewalt übertrug. In geheimer Wahl stimmten die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit für die Auflösung ihrer eigenen Macht, der Souveränität des Parlaments. Dies war der Beginn der Katastrophe: der mörderischen Diktatur der Nazi-Monster. Churchill war der Auffassung, dass sich eine solche Tragödie jederzeit und an jedem Ort wiederholen könne. Daher hielt er Roosevelt entgegen: »Ihre radikaldemokratische Generalversammlung der Vereinten Nationen könnte in einem Augenblick geistiger Verwirrung oder unvorhersehbarer Umnachtung ihre eigenen Werte verraten und preisgeben.« Daher müsse man eine Notbremse einbauen, einen Kontrollmechanismus für die Entscheidungen der Versammlung. Und dieser Mechanismus könne nur ein Vetorecht sein, mit dem man die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ausstatte. Am Ende setzte sich Winston Churchill durch, und das Vetorecht wurde in die Atlantik-Charta aufgenommen, die dann im Juni 1945 der Charta der Vereinten Nationen als Vorlage diente.
Damals waren Churchills Befürchtungen vielleicht nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Doch heute hat die Existenz dieses Vetorechts katastrophale Folgen. Es droht die Vereinten Nationen dauerhaft zu lähmen und zu ihrem Untergang zu führen, wie es das Schicksal des Völkerbundes war, der den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern konnte und 1946 aufgelöst wurde.
Glücklicherweise mehren sich endlich die Stimmen, die nach einer Reform des Sicherheitsrats rufen. Als Erster hat Kofi Annan 2006 Alarm geschlagen, als er aus dem Amt des Generalsekretärs ausschied. Bei seinem Abschied hinterließ er eine Art Testament, in dem er unterstrich, wie wichtig es sei, den Sicherheitsrat zu reformieren und das Vetorecht zu untersagen, wenn es um Konflikte gehe, in denen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt würden. Heute möchte eine Koalition von Staaten einen Schritt weitergehen und auf der Grundlage der Artikel 108 und 109 der Charta eine »Reformkonferenz« einberufen. Diese Konferenz kann in die Wege geleitet werden, wenn es ein Drittel der Generalversammlung nebst fünf (ständigen oder nicht ständigen) Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats verlangt.
Sie müsste zwei Reformprojekte prüfen: erstens die Abschaffung des Vetorechts, zweitens die Neuverteilung der ständigen Sitze im Sicherheitsrat. Aber nicht abhängig von einem Geschehen, das...
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