Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Alles ist Zahl«, der Wahlspruch der Pythagoräer, bezeichnete den Glauben, die Gesetzmäßigkeiten der Welt ließen sich mit Zahlen ausdrücken und in den Griff kriegen. Das glauben wir ja eigentlich noch heute, und nicht ohne Grund.
Aber wenn Zahlen so fundamental sind, dann müssen wir uns schon die Frage gefallen lassen: »Was sind und was sollen die Zahlen?« Die Frage mag dumm oder naiv klingen, sie ist es aber nicht. Der Zahlentheoretiker Richard Dedekind hat sie in dieser Formulierung gestellt. Und die Frage hat auch keine einfache Antwort. Kann sie gar nicht haben: Es kann ja sein, dass sich die Gesetzmäßigkeiten der Welt in Zahlen fassen lassen, aber »eins, zwei, drei« reichen dafür natürlich nicht aus. Denn schon die sogenannten natürlichen Zahlen (eins, zwei, drei und so weiter), die uns so wunderbar konkret und einleuchtend vorkommen, stellen uns vor Probleme. Philosophische Probleme sowieso, aber auch ganz konkrete.
Deshalb noch mal: Was sind Zahlen? Etwas, das Anzahlen bezeichnet? Ist dann
Im Januar 2009 stand in etlichen deutschen Zeitungen die Meldung »Bienen können bis drei zählen«. Forscher von der BEEgroup an der Universität Würzburg hätten das herausgefunden.
Ich erinnere mich aber daran, erst kürzlich eine Schlagzeile gesehen zu haben, wonach Bienen bis vier zählen können. Was ist da los? An meinem Gedächtnis liegt’s diesmal nicht, und das viel umfangreichere und verlässlichere Gedächtnis von Google bestätigt: »Bienen können bis vier zählen«, das meldete im Oktober 2008 zum Beispiel die netzeitung.de.
Lassen wir für einen Moment außer Acht, dass wir es erstaunlich genug finden, dass Bienen überhaupt zählen können, egal, ob nun bis drei oder bis vier. Und ignorieren wir auch den Mystizismus, der Zahlen umgibt. Die 3 zum Beispiel ist wie jede der kleineren Zahlen mit Symbolik aufgeladen, und die christliche »Dreifaltigkeit« besagt ja irgendwie auch, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist zusammen ein Gott sind, also stark verkürzt »drei gleich eins«. Das bietet allerlei Diskussionsmöglichkeiten, ist aber hier nicht unser Thema. Die 3 ist für uns nichts als eine Zahl. Nur, was bedeutet sie?
Die beiden Zeitungsmeldungen bezogen sich auf unterschiedliche Untersuchungen von unterschiedlichen Bienenforschern. Bei einem ersten Versuch wurden Bienen darauf trainiert, Tafeln anzufliegen, auf denen drei Objekte abgebildet waren. Dort wurden sie mit Zuckerwasser belohnt. Die Bienen lernten, dass es nur an den Tafeln mit drei Objekten Futter gab, nicht aber an denen mit vier oder sechs Objekten. Und zwar unabhängig davon, ob die Bilder nun Äpfel, Blüten, rote oder schwarze Punkte zeigten. Die Forscher schlossen daraus, dass diese Bienen eine »abstrakte« Vorstellung von der Zahl 3 entwickelt hätten und diese auch von der 4 unterscheiden konnten. Eben weil sie die Tafeln mit drei Objekten anflogen anstatt Tafeln mit vier, fünf oder sechs Objekten. Die Bienen konnten aber nicht darauf trainiert werden, Tafeln mit vier Objekten denen mit fünfen vorzuziehen, was die Forscher wiederum zu der Ansicht verleitete, Bienen könnten die 4 nicht von der 5 und die 5 nicht von der 6 unterscheiden. Daher die Meldung, Bienen könnten bis drei zählen. Das ist eine bemerkenswerte Leistung für Tierchen mit einem Hirn von der Größe eines Sesamkorns: Schimpansen und Menschen können vier Objekte auf einen Blick erfassen, aber auch nicht mehr. Bei fünf oder mehr Objekten geht das erwiesenermaßen nicht mehr »auf einen Blick«, die müssen wir nacheinander abzählen.
Müssen wir uns jetzt die schlaue Biene Maja und ihren etwas tumben Freund Willi vorstellen, die »eins, zwei, drei …« vor sich hinmurmeln und die Finger in die Höhe strecken? Bienen haben keine Finger, das wissen wir. Und murmeln tun sie wohl auch nur im Film.
Um die Bienen zum Abzählen zu zwingen, liegt der folgende Versuchsaufbau nahe: Wir lassen Bienen durch eine Plexiglasröhre mit Markierungen fliegen, und versuchen sie darauf zu trainieren, an der dritten Markierung nach Futter zu suchen. Die Markierungen werden immer wieder in veränderten Abständen angebracht, um zu verhindern, dass die Bienen sie in einer bestimmten Entfernung suchen. Und in der Tat: Die Bienen können lernen, bis drei zu zählen, also bis zur dritten Markierung zu fliegen. Sie können auch lernen, bis vier zu zählen, also an der vierten Markierung nach Futter zu suchen. Aber weiter geht das mit dem Zählen bei den Bienen nicht, auch nicht nach geduldigem Training.
Und so kam es in deutschen Zeitungen zu der Meldung »Bienen können bis vier zählen« – und vielleicht beim Leser, der ein paar Wochen später auf die Nachricht »Bienen können bis drei zählen« stößt, zu der Frage: »Können Journalisten zählen?« Unabhängig davon berichtet Professor Srinivasan, einer der Versuchsleiter, dass es durchaus langsamere und schnellere Lerner gibt unter den Bienen, eben schlaue und eher etwas einfältige. Das überrascht uns nicht. (Wir mögen den Willi trotzdem.)
Aber wissen die Bienen jetzt auch, was die Zahl 3 wirklich ist? Das ist eine ergiebige philosophische Frage, die wir nicht den Bienen überlassen können. Zu den verlässlichen Grundfesten der Mathematik gehört aber natürlich, dass Mathematiker auf solche Fragen saubere und klare Antworten und Konzepte anzubieten haben. Das haben sie auch, aber die sind nicht etwa seit Urzeiten klar oder schon von den alten Griechen in endlosen Dialogen und Debatten geklärt worden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat Georg Cantor mit der Entwicklung seiner Mengenlehre einen Unterschied gemacht zwischen Kardinalzahlen und Ordinalzahlen. Erstere beschreiben die Größe von Mengen (eine Menge hat ein oder zwei oder drei oder mehr Elemente; es geht hier also um die Anzahl). Zweitere bekommen wir beim Anordnen (und dann Abzählen): Welche Position hat ein Element in einer Folge? Ein gewaltiger Unterschied, sogar, wenn Bienen zählen. Nur die Journalisten und ihre Schlagzeilen sind daran gescheitert. Ist ja auch nicht einfach.
Und trotzdem: Sollen wir beeindruckt sein, wenn Bienen bis vier zählen können? Eigentlich nicht. Da ist doch der »Schwänzeltanz« sehr viel beeindruckender, bei dem die Bienen geometrische Muster tanzen, um ihren Artgenossinnen die Lage von Futterquellen mitzuteilen. Der Tanz hat’s in sich: Der Winkel der Geraden, die durch die Schlängellinien bestimmt wird, entspricht dem Winkel zur Sonne, den die Bienen einschlagen müssen, um den Weg zum Buffet zu finden. Offenbar liegt den Bienen die Geometrie mehr als die Arithmetik. Sie sehen, Mathematik ist eben so vielfältig, dass jeder seine Talente nutzen kann …
Noch so eine Schlagzeile, die unsere vermeintliche Vormachtstellung im Bereich Mathematik untergräbt: »Küken können rechnen – zumindest bis fünf.« Das hat eine italienische Wissenschaftlerin namens Rosa Rugani mit ihren Kollegen herausgefunden. Die Meldung ging am 1. April 2009 um die Welt, teilweise mit dem expliziten Hinweis, es handle sich nicht um einen Aprilscherz. Die BBC veröffentlichte sie auf ihrer Webseite mit der reißerischen Überschrift »Baby chicks do basic arithmetic« und ergänzte sie mit ausgesprochen süßen Küken-Bildern. Angeblich, so die Meldung weiter, erscheine die wissenschaftliche Publikation dazu in den renommierten Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences.
In der Tat finde ich nach einigem googeln auch die Seite dazu, online ebenfalls am 1. April veröffentlicht. Dort heißt es, selbst frisch geschlüpfte Küken könnten Rechnungen wie »2 + 3 = 5« im Kopf (wo sonst) durchführen, das hätte Rosa Rugani in einer trickreichen Versuchsanordnung nachweisen können.
Ich bin skeptisch – und beunruhigt. Die Tierchen können Mathe? Ist das nun doch ein Aprilscherz? Versuchen wir, die Sache ernst zu nehmen, was hieße, dass zumindest ganz primitives Rechnen wie Addieren nicht nur ein Kinderspiel ist, sondern dass das sogar die frisch geschlüpften Hühner können. Aber was hätte das Federvieh davon? Eine einfache Antwort wäre, dass das irgendeinen evolutionären Vorteil bringt. Ich glaube in der Tat, dass Intelligenz uns (!) irgendeinen (?) evolutionären Vorteil bringen sollte (bewiesen ist das nicht!), aber den Küken?
Also bitte ich unter der Überschrift »Küken können rechnen? Hilfe!« auf meinem Blog »Mathematik im Alltag« (www.wissenslogs.de) die Leser um Unterstützung und Aufklärung. Als erster meldet sich einer, der sich ganz sicher ist, Frau Rugani betreibe sehr ernsthafte Forschung, die nur weitere Beweise dafür liefere, dass Hühner schlauer seien, als man denkt. Der Name des Lesers ist Martin Huhn.
Da erinnere ich mich, dass schon in den 1980er-Jahren ein gewisser Luigi Malerba aus Italien berichtete:
Ein gelehrtes...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.