Schweitzer Fachinformationen
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Da ist unser verrückter Kater.« Franco Moll deutete auf das rot-weiß getigerte Fellbündel, bei dem kaum Kopf und Schwanz auszumachen waren. Dicht eingerollt lag die Katze in einem von Melinda Glatts Ohrensesseln. »Ich habe schon gefürchtet, er hat sich etwas angetan«, ätzte Franco. »Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall.« Er seufzte. »Und? Hat er schon seine Häufchen und Pfützen bei Ihnen hinterlassen?«
Die kleine rothaarige Bankerin schüttelte energisch den Kopf. »Warum denn? Das hat er bei mir noch nie gemacht.«
»Noch nie? Sicher?«
»Hundert Prozent!«
»Wollen Sie ihn nicht behalten, Melinda? Oder wie sagt man bei Pferden: einstellen? Ich zahle auch das ganze Heu für ihn. Und den Sattel.«
Melinda kramte eben in einer Küchenschublade und warf den Kopf neckisch über die Schulter zurück. »Nie und nimmer. Nicht, weil ich Hook nicht mag. Sondern weil Felix mir das nie verzeihen würde.«
Der blonde Junge lümmelte über dem Tisch und las konzentriert in einem Buch. Er schien wirklich nicht zuzuhören, sonst hätte er aus Empörung über seinen Vater längst aufgeschrien.
»Hook ist übrigens schon den ganzen Nachmittag hier. Ich glaube, er wollte die Fischstäbchen auf keinen Fall verpassen«, sagte Melinda und bugsierte den Chefinspektor mit sanftem Druck Richtung Tisch.
»Fischstäbchen? Ist das Ihr Ernst?«
»Fischstäbchen, what else?« Melinda sah ihn mit gespieltem Schmollmund an. »Außerdem koche ich für Felix. Und der hat das Menü zusammengestellt.«
»Verstehe. Dann gibt es sicher auch noch Gummibärchen. Frittiert oder natur. Ich gebe auf. Ihr zwei seid kulinarisch echt nicht mehr zu retten.«
Franco drehte sich um. Glatt deutete mit dem Kochlöffel wie mit einer Pistole auf ihn. »Fluchtversuche sind zwecklos. Ich habe eine Geisel.« Sie deutete mit dem Kopf auf Felix.
»Ich ergebe mich. Die Panier sei mir gnädig«, sagte Franco und hob die Hände zur Decke.
»Das ist auch das Beste, was Sie in Ihrer Lage tun können.« Melinda zwinkerte und touchierte ihn mit der Schulter, als sie an ihm vorbeiging und Gläser aus einer Vitrine holte.
»Haben Sie zufällig so eine Glühbirne?« Franco zog eine defekte Lampe aus seinem schwarzen Ledersakko. »Mein Herz ist erloschen.«
»Wie melodramatisch.« Melinda lachte auf und stemmte eine Hand in ihre Hüfte, was ihre gute Figur besonders zur Geltung kommen ließ. »Mein Herz ist erloschen.«
»In echt«, sprang ihm Felix plötzlich bei. Mit einem lauten Knall klappte er seine Lektüre zu. Franco konnte gerade noch das Wort Tierpsychologie auf dem Einband erkennen. »In echt, Melinda«, wiederholte der Bub. »Das rote Herz vor dem Eingang zur Wohnküche. Das ist jetzt schon ein paar Wochen aus.«
»Na dann. Wenn ich das Herz eines Kommissars retten kann .« Melinda nahm Franco die Glühbirne aus der Hand und drehte sie vor ihrer Nase herum. »Habe ich, allerdings etwas moderner, mit LEDs. Braucht nicht so viel Strom.«
»Schlagen Sie sich das mit dem Herzen des Kommissars aus dem Kopf, Melinda.«
Sichtlich getroffen hielt die rothaarige Frau in ihrer Bewegung inne und sah Franco irritiert an.
»Ich bin nämlich kein Kommissar, sondern Chefinspektor.« Franco grinste. Wenigstens dieser Punkt ging an ihn. Sofort kehrte auch in Glatts Gesicht das sonnige Lächeln von vorhin zurück.
Wenig später hatte er das Acrylherz wieder zum Leuchten gebracht. Bei der Nachbarin schien das Küchenpersonal mittlerweile eine Strategie für die Zubereitung der Fischstäbchen entworfen zu haben. Melinda hatte ihre roten Haare seit Monaten wachsen lassen und mit kleinen Nadeln gebändigt. Nur kurze Strähnen baumelten verspielt herunter. Aus der aparten, kühlen Bankerin war eine lustige, verspielte Frau geworden.
Um das Küchengespann Felix-Melinda nicht aus dem Konzept zu bringen, warf Franco sein Ledersakko über den noch freien Ohrensessel und stieg auf das Balanceboard daneben.
Es war wie der Sprung auf einen anderen Planeten, der seinen ganzen Körper aktivierte. Er ging in die Knie und streckte die Arme von sich, um nicht gleich wieder vom Brett zu fallen. Seine Beine schienen bei jeder kleinen Ausgleichsbewegung zu zittern.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du das Gleichgewicht halten kannst. Du rennst ja schon in der Früh immer gegen den Türstock.« Felix sah seinem Vater belustigt zu.
Es wirkte zwar nicht entspannt und elegant, aber zu Francos eigener Überraschung kippte er nicht von der schwarzen Scheibe hinunter. In einer Art zittrigen Hocke balancierte er in der Wohnküche der Nachbarin auf dem Wackelbrett und ruderte mit den Armen so vorsichtig wie möglich in der Luft herum. Melinda ließ sich durch sein Gestöhne nur kurz ablenken. »Über die Haltungsnoten schweigen wir, aber immerhin sind Sie im Gleichgewicht, Franco.«
Felix und Melinda hantierten wie ein eingespieltes Team herum, ihm selbst blieb nur die Rolle des gutmütigen Statisten. Glatt stellte eine tiefe Pfanne auf den Herd und goss Öl hinein. Felix öffnete den Kühlschrank. Er zog aus dem obersten Gefrierfach eine Packung Fischstäbchen heraus und legte sie neben den Herd.
»Geh ein paar Schritte zurück, Felix. Das heiße Öl. Sonst trifft dich ein Spritzer.« Melinda ließ die rechteckigen Fischreste aus dem Karton gleiten.
»Nicht, Melinda!«, schrie Felix auf. »Zuerst den Herd einschalten.«
Sie bedankte sich beim Jungen für die Erinnerung und drückte lange auf einen Knopf. Bis es dreimal piepste. »Nein, nicht, jetzt habe ich wieder die Kindersicherung aktiviert. Das gibt's doch nicht. Warum passiert mir das immer wieder?« Hilfesuchend blickte sie sich um. »Ohne Bedienungsanleitung kann ich das nicht rückgängig machen. Aber wo ist sie nur?« Gedankenverloren biss sie sich auf einen Fingernagel.
Franco sah seine Chance. »Dann essen wir doch einfach etwas aus unserem Kühlschrank nebenan.« Dass es genusstechnisch nicht mehr schlimmer kommen konnte, diese Ergänzung ersparte er sich.
»Ich weiß, wie das geht mit der Kindersicherung«, sagte Felix belustigt. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging der Neunjährige zum Herd, drückte zwei Tasten gleichzeitig und deaktivierte mit einem langen Piepston die Kindersperre.
Franco ergab sich in sein Speiseschicksal und ließ sich in den roten Ohrensessel fallen. Als ihn keiner dabei sah, drückte er sich eine Tablette aus einer silbern folierten Packung und steckte sie schnell in den Mund.
Für eine Frau Anfang/Mitte dreißig wirkte Glatts Wohnung sehr speziell, als würde eine schwärmerische Teenagerin mit einer Managerin leben. Zwischen den Fenstern hing eine Reihe von Pferdefotos, darunter standen auf einem Biedermeiertischchen wie auf einem Altar einige Pokale. An der Schmalseite dagegen war ein Bild wie aus einem Tarantino-Film angebracht, eine rahmenlose Leinwand, durch die sich ein tiefroter, erhabener Riss zog, der sich zum Boden hin zuspitzte. Daneben eine braune, steinerne Pferdefigur samt schwerem Sockel.
In den Fransen eines grünen Flauschteppichs lag eine wissenschaftliche Arbeit über die Gemeinwohlökonomie. Franco hob sie auf und blätterte sie ohne wirkliches Interesse durch. »Basteln Sie an einem weiteren akademischen Titel, Melinda? Ernährungswissenschaft wird es wohl nicht.«
Melinda Glatt sah kurz zu ihm. Als sie die DIN-A4-Seiten auf seinen Knien entdeckte, ließ sie sogar ihre Fischstäbchen allein, die sie konzentriert in der Pfanne beobachtet hatte. »Ab und zu arbeite ich für die Uni«, erklärte sie nur kurz und griff nach dem Konvolut.
Kurz spürte Franco ihre warmen Hände, während sie ihm den Band aus der Hand nahm. Ebenso schnell war ihre Wärme wieder weg. Im Grunde fühlte er sich wohl hier. Er hätte einschlafen mögen, während eine dezente Geruchswolke von heißem Fett zu ihm wehte.
»Ich habe heute übrigens den ersten Schritt Richtung Küchengöttin gemacht«, sagte Melinda, ohne von der Pfanne aufzublicken.
»Ich verstehe. Sie kochen zum letzten Mal Fischstäbchen«, murmelte Franco so laut, dass sie es hören konnte.
»Wo denken Sie hin, Franco. Das käme ja einer Amputation meiner, äh, Kochkunst gleich. Nein.« Melinda deutete Richtung Fenster. »Ich habe den Salat selbst gemacht. Kartoffelsalat. Nach Großmutterart. Könnten Sie ihn kosten? Nur so zur Sicherheit?«
Franco wand sich aus dem Ohrensessel und holte die rote Glasschüssel vom Fenstersims. Ein Schwall kalter Luft wehte ins Zimmer, dazu ein paar Schneeflocken. Wie verspielte Baumwollreste tanzten sie auf den grünen Teppich hinunter. Moll stellte den Salat neben Melinda auf die Arbeitsfläche und kostete ihn.
»Und?«, fragte Melinda mit einem Zwinkern.
»Ich habe Menschen schon wegen kleinerer Verbrechen verhaftet«, sagte Franco und hielt ihr den Löffel hin.
»Sagen Sie das nicht.« Entrüstet stieß sie ihn mit der freien Hand gegen die Schulter. »Und ich habe mich so bemüht.«
»Ist ja gar nicht so schlimm.« Franco grinste. »Nur ein bisschen nachwürzen, sonst finde ich den Eissalat sogar sehr gut.«
»Eissalat?« Melinda wirkte erneut alarmiert.
»Na ja, wenn Sie schon eine Kritik haben wollen. Er ist zu kalt, aber sonst mehr als genießbar.« Er nahm noch eine Kostprobe. »Sie Küchengöttin!«
»Ja, die siebte von links«, seufzte Melinda und versuchte, ein Fischstäbchen zum Abtropfen auf ein Teller mit Küchentuch zu hieven.
Fünf Minuten später gab es kein Entkommen mehr vor dem Quaderfisch. Felix ignorierte die Beilage auf seinem Teller und verdrückte im Nu vier Fischderivate, zwei Stück gingen an Hook, der beim Klappern der Teller erwacht war und sich erwartungsvoll zwischen Felix und Melinda gesetzt hatte. Moll hielt sich eher...
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