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Alljährlich am 1. Januar leitet das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker das junge Jahr ein. Es wird aus dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins in alle Welt übertragen (Bild 1). Milliarden begeisterter Hörer lauschen den schönen Walzern, Polkas, Ouvertüren und anderen Stücken von Johann Strauß Vater und Sohn und deren Zeitgenossen. Wenn das Programm beendet ist, applaudieren die Zuhörer, doch alle warten noch auf die Zugabe. Dann setzen ganz leise die Streicher ein, und wieder klatschen alle, denn sie erkennen das erwartete Stück. Das Orchester schweigt, und der Dirigent wünscht den Anwesenden und den Zuhörern in aller Welt ein glückliches Neues Jahr. Wieder setzen die Streicher ein, und das Orchester spielt den berühmten Walzer »An der schönen blauen Donau« von Johann Strauß, der oft als inoffizielle Nationalhymne Österreichs bezeichnet wird. Es gibt nicht viele Musikstücke, die zugleich die Freude und die untrennbar mit dem menschlichen Dasein verbundene Melancholie so gut vermitteln können wie diese Musik, die für die großen Bälle des kaiserlichen Wien geschrieben wurde und noch heute alljährlich während der Ballsaison aufgeführt wird.
Bild 1 Neujahrskonzert 2005 im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Die Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel.
Die Anwesenden und die Zuschauer an den Fernsehern ahnen nicht, dass unweit des Goldenen Saals, innerhalb der Wiener Stadtgrenzen, mit modernster Technik ein Experiment durchgeführt wird, das die Vorstellungskraft herausfordert, einerseits mit Ideen, die man bisher nur aus der Science-Fiction kannte, andererseits mit seinen Folgen für das Verständnis der uns umgebenden Welt.
Das Konzert endet mit der letzten Zugabe, dem »Radetzkymarsch« von Johann Strauß, einem der schmissigsten und fröhlichsten Stücke, die je geschrieben wurden. Wir verlassen den Konzertsaal und fahren an die Donau. Es ist ein schöner Wintertag, und es sind nur wenige Menschen unterwegs, weil der 1. Januar ein Feiertag ist. Der Fluss fließt in zwei Armen durch Wien, die eine lang gestreckte Insel umschließen. Um vom Ufer auf die Insel zu gelangen, nehmen wir die Steinspornbrücke, die, weil sie für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist, nicht einmal auf allen Karten verzeichnet ist.
Auf der Insel steuern wir ein graues Gebäude an, das hinter hohen Bäumen versteckt liegt. Hier befindet sich das Pumpwerk der Wiener Kanalisation. Unter dem Fluss verläuft ein großer Abwasserkanal, der beide Seiten miteinander verbindet. Er soll das gesamte Abwasser von der Ostseite der Donau, von den Wienern liebevoll »Transdanubien« (»Jenseits der Donau«) genannt, auf die andere Seite zu einer riesigen Abwasseraufbereitungsanlage pumpen, denn die sehr umweltbewussten Wiener möchten nicht, dass Abwasser direkt in den Fluss geleitet wird und dort die Umwelt gefährdet.
Wir betreten das Gebäude und begeben uns mit dem Fahrstuhl zwei Etagen nach unten. Nun befinden wir uns tiefer als die Wassermassen des Flusses. Nach einem kurzen Gang tut sich ein Tunnel auf, welcher die Flussufer in Transdanubien und im eigentlichen Wien miteinander verbindet. In diesem Tunnel verlaufen parallel Abwasserröhren und zahlreiche Kabel.
Versteckt in der Nähe des Eingangs zu einem der Tunnel erwartet uns eine andere Szene: In einer Ecke stoßen wir auf einen kleinen Raum mit Plexiglaswänden. Drinnen erkennen wir Laserlicht, eine Menge Hightech-Geräte einschließlich modernster Elektronik, Computer und dergleichen (Bild 2). Dort treffen wir Rupert Ursin. Er erzählt uns, er sei Student der Universität Wien und arbeite an seiner Doktorarbeit, die er in Kürze abzuschließen hoffe. Thema seiner Dissertation ist die »Quantenteleportation über lange Distanzen«. Wir bitten ihn, uns kurz zu erklären, was wir hier sehen. »Bei dem Experiment geht es darum, den Quantenzustand eines Lichtteilchens - eines Photons - von der Donauinsel hinüber nach Wien zu teleportieren«, sagt er.
Bild 2 Donaulaboratorium in Wien zur Quantenteleportation. Der Autor diskutiert mit Rupert Ursin einige Punkte des Experiments (oben). Detailansicht des experimentellen Aufbaus (unten).
Als er merkt, dass wir nicht viel verstehen, erläutert er, es sei so etwas Ähnliches wie das »Beamen« in der Science-Fiction, »aber nicht ganz«, fügt er grinsend hinzu, um dann mit einer Erklärung zu beginnen. Wir verstehen noch immer kaum etwas, lauschen ihm aber mit wachsender Faszination. Er verspricht uns für später genauere Auskünfte. Einstweilen möchten wir uns nur ein wenig mit den von ihm benutzten Ausdrücken vertraut machen, uns an den Versuchsaufbau und die hier erforschten allgemeinen Konzepte gewöhnen und die seltsame Umgebung näher kennen lernen.
Die Laser, erfahren wir, dienen hauptsächlich dazu, ganz besondere Photonenpaare zu erzeugen, die miteinander »verschränkt« sind. Diese Verschränkung bedeutet, dass die zwei Photonen eng miteinander verknüpft sind. Wird das eine gemessen, so wirkt sich dies unverzüglich auf das andere aus, gleichgültig, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.
Mit der Bezeichnung »Verschränkung« wollte der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (Bild 3) im Jahre 1935 einen hochinteressanten Sachverhalt charakterisieren. Albert Einstein hatte kurz vorher in einer Arbeit gemeinsam mit Boris Podolsky und Nathan Rosen gezeigt, dass es nach der Quantenphysik einen hochinteressanten Sachverhalt geben müsste. Wir betrachten zwei Teilchen, die miteinander in Wechselwirkung getreten sind, zum Beispiel bei einem Zusammenstoß, und jetzt wieder auseinander fliegen. Dann kann es sein, dass die beiden noch immer auf sehr enge Weise miteinander zusammenhängen. Beobachtung eines der beiden Teilchen beeinflusst sofort, das heißt mit beliebig großer Geschwindigkeit, den Zustand des anderen. Albert Einstein mochte dies nicht und bezeichnete es als »spukhafte Fernwirkung«. Er hoffte, dass die Physiker einen Weg finden könnten, der diesen Spuk wieder aus der Welt schafft. Erwin Schrödinger dagegen akzeptierte diese Verschränkung als etwas ganz Wesentliches. Er meinte, dass sie uns zwingt, von allen unseren lieb gewordenen Vorstellungen, wie die Welt beschaffen ist, Abschied zu nehmen.
Bild 3 Erwin Schrödinger (links oben), an der irischen Küste bei Dublin, ca. 1942. Albert Einstein (rechts oben) in Princeton, 1953. Unten: John Bell bei einer Fahrt mit der Liliputbahn im Wiener Prater, 1982.
Auf unsere Frage nach dem Zweck der verschränkten Photonen im Experiment erwidert Rupert lächelnd: »Das ist der Zaubertrick.«
Er behält eines der beiden verschränkten Photonen in seinem Minilabor unter der Donau und schickt das andere durch eine Glasfaser an den Empfänger jenseits des Flusses. Dabei spricht er von »Alice« und »Bob«, die einander Photonen schicken und miteinander reden, als seien sie Menschen. Es sind jedoch, wie sich herausstellt, imaginäre Experimentatoren: Alice, die hier in ihrem Labor sitzt, und Bob jenseits des Flusses.
Auf unsere Frage, warum die gerade Alice und Bob heißen, antwortet Rupert, dass ursprünglich Entschlüssler den Sender mit A bezeichnet haben und den Empfänger mit B, entsprechend den ersten Buchstaben des Alphabets. Wegen der einfacheren Sprechweise sind daraus irgendwann Alice und Bob geworden.
Rupert zeigt uns die dünne Glasfaser, durch die das Photon zu Bob geschickt wird - eine ganz gewöhnliche Glasfaser, ähnlich denen, die heute in der Telekommunikation üblich sind.
Durch diese Glasfaser kann man Licht von einem Ort zum anderen schicken. Wir folgen mit den Augen dem Kabel von Ruperts Laser. Es führt durch die durchsichtige Plexiglaswand seines kleinen Labors bis zu der Stelle, wo es sich zu all den anderen Kabeln gesellt, die durch die großen Tunnel unter der Donau verlaufen. Rupert folgt unserem Blick und fragt: »Möchtet ihr sehen, wo es hingeht?«
Eine Glasfaser besteht offenbar aus zweierlei Glas, damit unterwegs kein Licht verloren geht: Eine dichtere Glassorte in der Mitte ist mit einem Mantel aus einer dünneren Sorte umkleidet (Abbildung 1). Dadurch kann Licht, das in den Kern eingetreten ist, nicht mehr heraus. Es wird von dem Mantel in den Kern zurückgespiegelt, sobald es entweichen möchte. Die Faser ist zudem von einer Reihe äußerer Hüllen aus Kunststoff oder ähnlichem Material umgeben und sieht am Ende aus wie ein ganz gewöhnliches Kabel. Mit solchen Glasfasern kann man Licht über viele Kilometer hinweg leiten.
Abbildung 1 Aufbau einer Glasfaser, wie sie zur Übertragung von Daten mit Hilfe von Licht verwendet wird. Die Faser besteht aus zwei verschiedenen Glassorten. Das Glas im Kern ist optisch dichter. Licht, das sich im Kern befindet, kann daher nicht in den Mantel treten, der aus optisch dünnerem Glas besteht. Solche Glasfasern können gebogen werden und daher Licht leicht um Ecken leiten.
Die Glasfaseroptik brachte einen der großen technischen Durchbrüche unserer Zeit. Zu den Neuerungen, die auf sie zurückgehen, gehört der schnelle Internetzugang, denn der extrem hohe Datenfluss zwischen modernen Computern ist nur durch Lichtwellen zu erreichen. Früher musste man, um Daten zu übertragen, verschiedene Orte auf der Erde mit Stromkabeln verbinden. Der Haken daran ist, dass über solche Kabel nur relativ geringe Datenmengen übertragen werden können. Wären die Computer noch immer durch normale Kupferkabel miteinander verbunden, würde das Herunterladen der heute üblichen großen Dateien eine Ewigkeit dauern.
Die Idee der Glasfasertechnik ist einfach: Statt...
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