Schweitzer Fachinformationen
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Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig.Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen.Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken?
"Ein großer Gesellschaftsroman. Passt perfekt in unsere Zeit." Christhard Läpple, ZDF Heute Journal "Liest sich stellenweise spannend wie ein Krimi - und macht doch nachdenklich." "Das Ganze ist wirklich gut gemacht, eigentlich noch viel besser, als es der Ankündigungstext auf der Buchrückseite verheißt, der von einem 'hochaktuellen Gesellschaftsroman über die zerstörerische Kraft eines enthemmten Diskurses' spricht." "Zeh und Urban sind nah dran an den gesellschaftlichen Debatten. Der Roman liest sich streckenweise wie eine Rückschau auf die vergangenen ein bis zwei Jahre." "Ein spannendes, hochaktuelles, stringent geschriebenes Buch!" "Brisant und hoch spannend erzählt."
Hallo Theresa,
auch wenn ich deine Entscheidung bedauerlich finde, wünsche ich dir Glück. Ich will mich hinter dich stellen, so wie Christian. Vielleicht bin ich dann eines Tages ein weiterer bester Freund.
Bei uns geht's jetzt richtig los. Heute in der Konferenz wurden Leonie und Justin der Redaktion offiziell vorgestellt. Sie werden die Ausgabe in der Produktionsphase inhaltlich begleiten (die gegnerische Fraktion sagt: moralisch indoktrinieren), indem sie den Ressorts Vorschläge machen, wie man möglichst viele Themen - von Wirtschaft bis Sport, von Kultur bis Ausland - mit dem Klimaschutz in Verbindung bringen kann. Einige Kolleg*innen sehen das als Frontalangriff auf ihre Unabhängigkeit. Ärger ist also vorprogrammiert. Aber für diese Idee zu streiten, macht mir sogar Spaß. Sota hat es rundweg abgelehnt, die Konferenz zu eröffnen. »Das erledigst du mal schön selbst«, waren seine Worte.
Leonie und Justin haben sich gleich mal im heiligen Konferenzsaal mit an den großen Tisch gesetzt. Ein Affront! Die Plätze sind fest an die Ressortleiter*innen und ihre Stellvertreter*innen vergeben, alle anderen sitzen in der zweiten Reihe. Aber das wussten die beiden natürlich nicht. Interessanterweise hat niemand etwas gesagt. Die älteren Redakteur*innen schickten Laserblicke, rückten aber zusammen und holten weitere Stühle.
Ich glaube, wir dachten alle, die beiden würden angesichts der altehrwürdigen Tradition des BOTEN verschüchtert auf ihren Plätzen kauern. Zumal Leonie wie ein kleines Mädchen aussieht - geflochtene Zöpfe, die unten aus einer weißen Wollmütze herausgucken, ausgelatschte Superga-Sneaker und ein T-Shirt mit dem Konterfei von Carola Rackete im Che-Guevara-Stil. Ihr Kumpel Justin hat ein freundliches Mondgesicht mit Monchhichi-Frisur und tritt auf wie der Schwarze Block persönlich: Kapuzenpulli, Jeans, Stiefel, Haare, alles schwarz. Früher hätte man solche Kids für Gothic-Fans gehalten. Heute demonstrieren sie für die Umwelt. Times are changing.
Jedenfalls: Ich habe die beiden kurz vorgestellt, dann übernahm Ralf aus der Wissenschaft, der die Ausgabe redaktionell koordiniert. Als er im dritten Satz das Wort »Klimawandel« verwendete, erklang plötzlich Leonies Stimme, ganz ruhig und sicher: »Stopp!«
Stecknadelstille. Ralf stand sprichwörtlich der Mund offen, das passiert ihm sonst nicht. Dann Leonie: »Ich muss hier mal etwas klarstellen, wenn diese Zusammenarbeit funktionieren soll. Also: Ihr seid nicht die Guten! Kapiert?«
Das haben wir nicht kapiert, und außerdem war ihr Tonfall komplett impertinent. Niemand im Raum hat sich gerührt. Als mein Blick zu Sota wanderte, sah ich ihn lächeln, mindestens ironisch, vielleicht sogar ein bisschen schadenfroh.
Leonie weiter, völlig ungerührt: »Es gibt keinen Klimawandel. Es gibt nur eine Klimakatastrophe. Verschuldet von den Bewohner*innen der westlichen Industrieländer, mit anderen Worten: von euch. Ihr habt den Planeten zerstört. Ein größeres Menschheitsverbrechen ist undenkbar. Das ist eure Leistung, das ist eure Geschichte.«
Da saß sie mit ihren Zöpfen und ihrer weißen Wollmütze und erhob Anklage, vernichtende Anklage. Mit allem Recht der Jugend, mit dem Recht der Nachgeborenen. Mir ging es durch Mark und Bein. Die Kolleg*innen saßen wie vom Donner gerührt, manche haben gemurrt. Aber das Härteste kam noch.
»Hitlers Faschisten haben Millionen von Menschen auf dem Gewissen. Aber ihr, ihr bringt Hunderte von Millionen um! Ihr seid die Massenmörder der Toten der Zukunft. Ihr habt die Opfer von Dürre, Flut, Flächenbrand, Hunger und Flucht auf dem Gewissen. Das«, Leonie zeigte mit langem Arm einmal durch den Raum, »das seid ihr. Ihr könnt eine Klima-Ausgabe machen, und wir helfen euch dabei. Aber eins dürft ihr niemals vergessen: Your failure, your fault. Stand by Ukraine!«
Letzteres scheint eine Art Grußformel geworden zu sein, vielleicht ähnlich wie »Bleib gesund!« in der Corona-Hochphase. Leonie lehnte sich zufrieden zurück. Justin hing sowieso schon die ganze Zeit entspannt in seinem Stuhl. Wahrscheinlich ist er daran gewöhnt, dass seine Freundin die linke Elite der Republik als Massenmörder bezeichnet. Schlimmer als die Nazis.
Schließlich Martin aus der Wirtschaft: »Muss es nicht >Hitlers Faschist*innen< heißen?«
Ich bin dann schnell eingeschritten, bevor es zu Tumulten kommen konnte. Die Stimmung ist wegen der Ukraine-Frage ohnehin extrem aufgeheizt. Ich habe Leonie für den Beitrag gedankt und sinngemäß gesagt: Für genau diese unbequemen Wahrheiten seid ihr da, aber lasst uns das konstruktiv machen und so weiter. Vier ältere Kolleg*innen haben sich sofort verabschiedet und den Raum verlassen, der Rest ist geblieben. Keine schlechte Quote, vermute ich.
Wir haben uns doch immer eine politische Jugend gewünscht, oder? Nun haben wir eine. Ohne Lautstärke keine Aufmerksamkeit, wer sollte das in diesen Zeiten besser verstehen als ein/e Journalist*in. Insofern finde ich diese Radikalität, auch wenn sie in Teilen naiv ist, regelrecht erfrischend. Klar, die müssen noch viel lernen. Sie haben keine Ahnung davon, wie kompliziert die Welt ist. Aber zumindest wissen sie, was sie wollen. Und das ist doch verdammt ermutigend.
Dein Stefan
Haha,
das ist ja brillant! Ich bin verliebt in Leonie. Die wird euch alle zerstören. Wie alt ist sie? Neunzehn? In dem Alter bestand meine größte Revolte darin, kein Fleisch mehr zu essen. Ich bestelle mir sofort eine weiße Wollmütze, ein T-Shirt mit Carola Rackete und diese Sneaker. So sitze ich dann die nächsten Tage auf dem Trecker, bringe Kalk aus und schreie es der Welt ins Gesicht: »Your failure, your fault!« Das passt zu meinem neuen Lebensgefühl.
Wirklich, ich war noch nie so voller Power wie im Augenblick. Ich hatte auch noch nie ein so steiles Programm, und das will etwas heißen. Wir haben hier immer viel geschuftet, aber das ist jetzt noch mal eine neue Dimension. Erstaunlich, was man leisten kann, wenn man nicht mehr zweifelt und nichts hinterfragt.
Zu allem Überfluss habe ich heute eine weitere verrückte Entscheidung getroffen. Ich hatte wieder Frühschicht, drei Uhr morgens aufstehen, halb vier die Erste im Stall. Zweihundert Kühe melken, ganz allein. Nr. 101 und Nr. 37 haben wieder ewig gebraucht, die geben nur fünf Liter und stehen dafür doppelt so lange wie die anderen. Ich warte trotzdem immer, bis sie leer sind. Danach wäre ich reif gewesen für ein Schläfchen auf meiner muffigen Büro-Couch, aber stattdessen bin ich in die Laufboxen zu den werdenden Mutterkühen gegangen, um zu gucken, ob Nachwuchs da ist. Tatsächlich lagen zwei kleine, warme Wesen im Stroh, zwei neue Leben, einfach so. Die Mutter war gerade dabei, sie trocken zu lecken, ein braunes und ein schwarzes, Zwillinge, und sie hat das ganz allein geschafft. Ohne Krankenhaus, Wehentropf und Spinalanästhesie. Wie viel fähiger als wir sind doch die Tiere!
Meine Aufgabe hätte nun darin bestanden, der Mutter ihre niedlichen Babys wegzunehmen. Sie rauszutragen in die Aufzuchtboxen, die wie vergitterte Hundehütten nebeneinanderstehen, an jedem Gitter ein Eimer mit Sauger, der den Kleinen die Mutter ersetzen soll. Tagelang schreien die Mütter im Stall, während die Kälbchen verzweifelt versuchen, über die Gitter zu klettern, wobei sie sich fast die Beine brechen.
So kenne ich es von klein auf. Es war nie anders, es musste so sein. Nach ein paar Tagen haben sie sich daran gewöhnt. Aber heute früh stand ich im Stall, sah der Mutterkuh zu, wie sie hingebungsvoll ihre Kinder trocken leckte, und dachte plötzlich: Schluss damit! Schluss mit dieser Grausamkeit, die nur aus Kostengründen geschieht, wie das meiste Elend auf der Welt! Die Liebe zwischen Lebewesen wird brutal zerstört, nur weil die Kühe zweimal am Tag gemolken werden sollen, statt ihre Kälber zu füttern. My failure, my fault.
In diesem Augenblick habe ich beschlossen, auf muttergebundene Kälberaufzucht umzustellen. Noch teurer, noch aufwändiger, noch weniger Ertrag. Ein Kraftakt und kompletter Irrsinn in der gegenwärtigen Situation. Aber ich kann das schaffen. Vielleicht kann ich eine eigene Marke kreieren, Muttermilch und Mutterbutter, und die Menschen kaufen dann diese speziellen Produkte, weil sie einsehen, dass Mütter und Kinder nicht getrennt werden dürfen. Ich will es besser machen, in einem fundamentalen Sinn. Dann schlafe ich in den nächsten Monaten eben überhaupt nicht mehr, dafür in Zukunft ohne schlechtes Gewissen. Für eine bessere Welt!
Schöne Grüße an Justin und Leonie,
Theresa
19:47 Uhr, Theresa per WhatsApp: Vorhin bin ich beim Abendessen am Tisch eingepennt, Kopf in die Hand gestützt, Haare im Teller, vielleicht habe ich auch noch gesabbert. Jonas und Phil haben sich totgelacht, Basti hat mich merkwürdig angeschaut. Ich muss mit ihm reden, bald. Aber jetzt erst mal schnell ins Bett.
22:33 Uhr, Stefan per WhatsApp: Ich dachte, so etwas gibt's nur im Comic . Kopf hoch, im wahrsten Sinne! Bin gerade extrem busy, melde mich!
Hey, sorry für die Funkstille. Hatte Donnerstag und Freitag ganztägig Workshop zur Critical Whiteness. Es ging um die soziale Konstruktion von Weißsein als Statussymbol. Die weißen Workshop-Teilnehmer*innen sollten lernen, ihr Weißsein als Privileg zu begreifen, um die Mechanismen des...
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