Schweitzer Fachinformationen
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Lena blickte in den Spiegel. Glattes, schulterlanges Haar umrahmte ihr markantes Gesicht. Sie beugte sich näher an den Spiegel und musterte eine einzelne graue Strähne. Wie Ende 30 sah sie aus, dabei war sie jetzt bedeutend älter. Sie fühlte sich heute schon wieder recht sicher auf den Beinen. Erst gestern war sie völlig benommen aufgewacht. Doch ihre Lebensgeister kehrten erstaunlich schnell zurück. Auch das Denken fiel ihr leichter. Aber sie wusste noch immer nicht, was sie von ihrer Situation halten sollte.
Damian hatte gesagt, dass die Welt, in der sie erwacht war, schön sei. Dass vieles sich zum Guten gewandelt habe. Er hatte gewitzelt, dass es vielleicht sogar die bestmögliche aller Welten sei. Ob das wirklich stimmte, galt es herauszufinden.
Damian war für die nächsten Tage für ihre psychologisch-soziale Betreuung zuständig. Sein präsenter tiefer Blick und die ruhige Ausstrahlung erinnerten sie an ihren Bruder. Sie fand ihn sympathisch.
Seit heute brachte sie auch wieder einigermaßen verständliche Wörter hervor. Gleich war ein Video-Telefonat mit ihrer alten Freundin Katharina angesetzt, die sie als ihre Vertrauensperson und Bevollmächtigte während ihrer Komareise angegeben hatte.
Den gestrigen Tag hatte sie überwiegend verschlafen und ihre wachen Phasen vor allem mit medizinischen Tests und im Neurostimulator verbracht. Der Neurostimulator war eine Art Ganzkörperanzug, der an ihre Nervenbahnen und Gehirnströmungen gekoppelt wurde. Damian nannte es seine Wundermaschine. Das Gerät konnte nicht nur ihr Nervensystem und ihre Muskeln stimulieren, sondern über eine spezielle Brille konnte sie damit auch virtuelle Realitäten durchspielen und sich in diesen bewegen. Der körperenge Anzug unterstützte dabei ihre Muskeln wie ein Exoskelett, sodass sie Kraftanstrengungen und Bewegungen absolvieren konnte, für die ihr Körper eigentlich noch zu schwach war. Das Gerät wurde in eine Vorrichtung gehängt, sodass sie darin laufen konnte, ohne sich von der Stelle zu entfernen. Ein ähnlicher Neurostimulator hatte ihr Nerven- und Muskelsystem wohl auch während des Komas fit gehalten und in den letzten Wochen die Regeneration ihres Körpers für den Aufweckvorgang eingeleitet. Damian hatte sie jedoch gewarnt, dass die bei ihr erfolgte intensive Nutzung manchmal zu Nebenwirkungen führe. In den nächsten Wochen solle sie über Schwindel, unwillkürliche Muskelzuckungen und ungewöhnlich intensive Träume nicht überrascht sein.
Es klopfte an der Tür und Damian kam herein. »Katharina ruft gerade an.«
Er überreichte ihr ein großes flaches Tablet, in dem ein Bild von Katharina aufblinkte. Das Gesicht ihrer Freundin hatte viele neue Furchen und ihr Haar war ergraut. Lena fand es im ersten Moment etwas gespenstisch, ihre Freundin so gealtert zu sehen. Sie bewegte ihre Hand zum Display, um den Anruf anzunehmen und zögerte im letzten Moment. Sie schaute Damian an. »Ich glaube, ich kann das noch nicht. Ich brauche einfach noch etwas Zeit.«
Er nickte verständnisvoll. »Ich kann mir gut vorstellen, dass das alles nicht einfach ist, Lena. Aber bist du dir sicher? Sie ist doch deine beste Freundin, oder? Ich denke, dass es dir gut tun wird, mit ihr zu sprechen und sie hat wirklich lange darauf gewartet, dich wiederzusehen.«
Lena zögerte. Sie schloss einen Moment die Augen, atmete tief durch und tippte auf Annehmen.
Katharinas Gesicht erschien und diese blickte auf. »Lena! Mein Gott habe ich lange auf diesen Moment gewartet!« Sie strahlte und ihre Augen fingen an zu glitzern. Erleichterung überkam auch Lena. Dann mussten sie beide loslachen.
Damian zwinkerte Lena noch kurz zu und verließ still das Zimmer. Währenddessen machte Lena es sich auf einem Sessel am Fenster bequem.
»Es tut mir so leid, dass ich nicht dabei war, als du erwacht bist. Aber ich lebe mittlerweile in Singapur und meine Schwiegertochter erwartet jeden Moment ein Kind. Deshalb musste ich hierbleiben.«
»Deine Schwiegertochter?« Lena verschlug es die Sprache. »Das heißt du wirst Oma?«
Katharina nickte.
»Oh Gott!« Lena schüttelte lachend den Kopf. »Jetzt habe ich also eine Oma in meinem Freundeskreis.«
»Wer sich einen Dornröschenschlaf bucht, sollte auf alles gefasst sein«, erwiderte Katharina breit grinsend.
»Touché. Und wer ist der Opa? Bist du immer noch mit Hannes zusammen?«
Katharina prustete. »Mit Hannes?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie überlegte kurz. »Schon seit siebenundzwanzig Jahren nicht mehr.«
Lena schmunzelte. »Da bin ich ja erleichtert. Wobei der als Opa wahrscheinlich eine gute Figur machen würde.«
»Wahrscheinlich. Mein Mann heißt Khalish. Wir haben uns in Berlin kennengelernt.«
»Schöner Name.« Katharina nickte. Dann schaute sie Lena ernst an. »Meine Güte, wie geht es dir?«
Lena schwieg einen Moment. »Ich weiß es nicht. Es fühlt sich komisch an, plötzlich in einer neuen Zeit aufzuwachen. Ich habe Angst, dass es eine Fehlentscheidung war.« Sie schwieg einen Moment betreten. »Aber immerhin hat es funktioniert und ich lebe noch.« Katharina nickte mitfühlend.
Lena blicke ihre Freundin etwas unsicher an. Dann unterbrach sie die Stille. »Und nach Singapur hat es dich jetzt verschlagen?«
»Ja, kurz nach der Geburt von unserem Sohn sind wir hierher gezogen.«
»Abgefahren.« Lena schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich habe einiges verschlafen.«
Katharina wandte sich zur Seite und präsentierte kichernd eine kleine Kokosnuss, aus der sie grinsend durch einen kleinen Halm einen tiefen Schluck nahm. »Die hat mein Khalish mir vorhin mitgebracht.« Sie schloss für einen Moment übertrieben genussvoll die Augen. »Die kleinen Freuden des Lebens.«
»Wieso eigentlich Singapur?«, fragte Lena.
»Khalish wollte zurück in seine Heimat und ich habe hier einen Job als Managerin bei einem Eco-Hotel bekommen. Ein schöner Ort. Er heißt Green Garden.« Sie grinste. »Der Name ist Programm. Im Foyer ist sogar ein Teich. Ich gebe dort täglich Kurse in Tai-Chi und Kundalini-Yoga.«
»Klingt super!« Lena schaute ihre Freundin an und lächelte. »Es ist wirklich schön, dich zu sehen!«
Katharina nickte liebevoll. »Du hast mir gefehlt. all die Jahre.«
»Ja. Es tut mir leid, dass ich so lange weg war.«
»Du hast viel verpasst, Lena. Es gibt sooo viel zu erzählen.«
Lena blickte am Bildschirm vorbei aus dem Fenster über den See. Ein paar Enten schwammen dort umher. »Wie es scheint, hat sich die Welt weitergedreht.«
Katharina blickte nachdenklich in die Ferne. »Ich erinnere mich, wie düster und hoffnungslos dir unsere Welt früher erschien. Der Klimawandel, die Geflüchteten, das Artensterben. Verrückte Zeiten waren das. Wir fuhren auf den Abgrund zu und traten dabei voll aufs Gaspedal.«
»Ja. Und dieser Wahnsinn wurde uns als Fortschritt verkauft.« Lena machte ein grimmiges Gesicht. »Wie steht es denn zurzeit um die Welt? Damian hat mir noch nicht allzu viel erzählt.«
Katharina nahm noch einen Schluck aus ihrer Kokosnuss und legte den Kopf nachdenklich zur Seite. »Wo fange ich an?« Sie schaute Lena tief in die Augen. »Vieles hat sich tatsächlich zum Guten gewandelt. Manche reden sogar von einem neuen Zeitalter der Menschheit. Es scheint, als sei der Klimawandel fürs Erste aufgehalten. Die Meere erholen sich und das Artensterben hat aufgehört. Aber der Weg dahin war ganz schön turbulent. Es gab sehr düstere Tage und einige Opfer. Doch am Ende haben wir es geschafft, das Steuer herumzureißen.«
»Turbulent fand ich es schon, als ich noch da war. Was ist denn passiert?«
Katharina blickte ernst: »Große Teile der Pole und die meisten Gletscher in den Alpen sind geschmolzen. Durch den entsprechend erhöhten Meeresspiegel mussten einige Küstenstädte wie Jakarta und New York teilweise evakuiert werden. Es gab Unwetter, Dürren und Hungerkatastrophen im kontinentalen Süden und entsprechende Ströme flüchtender Menschen nach Europa. Das hat unsere Gesellschaft fast zerrissen.« Sie atmete einmal tief durch und fuhr fort: »Ein Atomreaktor in China ist explodiert. Es gab einen dritten Golfkrieg im Nahen Osten.«
»Ach du Scheiße.«
»Ja.« Sie schmunzelte. »Aber dafür sind Nord- und Südkorea wieder vereint. Die Demokratie erlebt eine Renaissance und die meisten Regionen dieser Welt haben den sozial-ökologische Wandel tatsächlich hingekriegt. Mehrmals stand die Menschheit am Abgrund, aber es scheint, dass das Leben am Ende immer einen Weg findet.«
Lena schaute ihre Freundin neugierig an. Sie spürte eine vorsichtige Hoffnung in ihrer Brust aufsteigen, dass vielleicht endlich alles gut werden würde.
Katharina blickte ihr...
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