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Die intestinale Fruktoseintoleranz ist eine erworbene Störung der Zuckeraufnahme im Dünndarm, deren genaue Ursachen bislang nicht vollständig geklärt sind. Dieser Abschnitt gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung und zeigt auf, wie man diese Intoleranz richtig diagnostizieren kann
Welcher Mechanismus bei der Fruktosemalabsorption ist gestört? Was ist der Grund für die intestinale Fruktoseintoleranz? Funktionieren die GLUT5-Transporter nicht richtig? Gibt es zu wenige dieser Transporter? Funktioniert die Signalübertragung nicht und wird daher zu wenig mRNA und werden folglich zu wenige Transporter gebildet? Wird die Fruktoseaufnahme anders gestört oder essen wir einfach zu viel Zucker?
Die schlechte Nachricht vorweg: Wir wissen es (noch) nicht. Es gibt zwar gut untermauerte Vermutungen, aber so ganz genau haben wir die Fruktoseintoleranz noch nicht entschlüsselt.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es etwas mit den GLUT5-Transportern zu tun. Aber sicherlich ebenso mit anderen Faktoren, mit den enormen Mengen an Zucker in unserer heutigen Nahrung, mit unserer Psyche und vermutlich auch mit dem modernen Lebensstil.
MALDIGESTION
bedeutet "schlechte Verdauung" - der betreffende Stoff wird nicht richtig aufgespalten und kann dadurch nicht richtig verdaut werden.
MALABSORPTION
bedeutet "schlechte Aufnahme" - der betreffende Stoff kann nur schlecht oder gar nicht über das Verdauungssystem und damit in den Körper aufgenommen werden.
INTOLERANZ
bedeutet, dass der malabsorbierte Stoff Symptome erzeugt.
DIE HEREDITÄRE FRUKTOSEINTOLERANZ (HFI)
Diese ist eine seltene, angeborene Stoffwechselerkrankung (hereditär = erblich). Sie beruht auf einem Enzymdefekt in der Leber, der den Fruktosestoffwechsel behindert. Die Fruktose kann in der Leber nicht in Glukose umgewandelt werden. Die HFI kann zu schweren gesundheitlichen Problemen führen, wenn Fruktose konsumiert wird, und ist schon für Babys ab der Beikostfütterung relevant.
In diesem Buch geht es nicht um die HFI, sondern um die erworbene, intestinale Fruktoseintoleranz.
Genetische Faktoren
Eine Studie untersuchte kürzlich die Rolle genetischer Varianten des SLC2A5-Gens, das den Fruktosetransporter GLUT5 kodiert, bei der Entstehung der erworbenen Fruktosemalabsorption. Die Ergebnisse zeigen, dass Varianten dieses Gens keine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Erkrankung spielen. Es scheint also keinen direkten genetischen Grund für die Fruktoseintoleranz zu geben. Aber möglicherweise einen indirekten. Die Funktion bestimmter Eiweiße, die als eine Art "Dirigent" bei der Überführung von DNA in RNA wirken, wird immer besser verstanden.
Eines dieser Proteine ist das ChREBP. Studien zeigen, dass Veränderungen in den Genen, die ChREBP steuern, mit Fruktosemalabsorption und Beschwerden wie Durchfall bei Menschen mit Reizdarmsyndrom zusammenhängen können. Auch bei Tierversuchen hat sich gezeigt, wie wichtig dieser Dirigent für die Aufnahme von Fruktose ist. Ein weiterer Kandidat für einen solchen Zusammenhang wurde auch schon gefunden. Er heißt LXR.
DIE INTESTINALE FRUKTOSEINTOLERANZ
Die Fruktosemalabsorption bezeichnet die verminderte Aufnahme von Fruktose im Dünndarm.
Treten Symptome nach dem Verzehr von mehr als 25 g Fruktose auf, spricht man von der intestinalen Fruktoseintoleranz. Auch bei weniger Fruktose können Symptome auftreten.
Ziel einer Therapie ist es, auf Dauer wieder mehr Fruktose zu vertragen und symptomfrei zu leben.
Andere Faktoren
Interessanterweise weisen andere Studien darauf hin, dass nicht-genetische Faktoren ebenso eine wichtige Rolle bei der Fruktosemalabsorption spielen können.
Parasitäre Infektionen
Beispielsweise wurde eine Verbindung zwischen der Fruktoseintoleranz und parasitären Infektionen, wie Giardia, festgestellt. Das sind Einzeller, sogenannte Geißeltierchen, die wir über verunreinigte Nahrung oder beim Baden in Seen aufnehmen. Meistens bleiben die Infektionen unerkannt, es kann aber auch zu Erbrechen und Durchfall kommen.
Bei uns in Mitteleuropa ist die Belastung von Seewasser gering. Wenn Sie in Mitteleuropa in einem See baden, müssen Sie keine Angst haben zu erkranken. In anderen Ländern mit weniger Hygienevorschriften oder Hygienemöglichkeiten der Bevölkerung verzichte ich persönlich auf ein Bad in einem See oder den Verzehr roher Nahrung. Dennoch kann so eine Infektion auch in Mitteleuropa mit der Entstehung der intestinalen Fruktoseintoleranz in Zusammenhang stehen. Genau wissen wir das aber noch nicht.
Darmmikrobiota
Auch Veränderungen in der Darmmikrobiota, das ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, scheinen eine Rolle zu spielen. Tiermodelle haben gezeigt, dass eine erhöhte Fruktoseaufnahme oder die genetischen Faktoren, die die Expression von Fruktosetransportern beeinflussen, zu einer Veränderung der Darmflora führen können. Bestimmte Bakterien wie Akkermansia-Arten scheinen eine schützende Wirkung gegen fruktoseinduzierte Stoffwechselstörungen zu haben, während andere, wie Clostridien- und Enterococcus-Arten, durch eine übermäßige Fruktoseverwertung gefördert werden.
Aber Achtung, wie wir im Abschnitt zum Mikrobiom (siehe Seite 38) noch sehen werden, helfen uns die im Internet angebotenen Darmflora-Tests hier leider nicht weiter.
Die Psyche
Als weiteren Punkt müssen wir die Psyche in Betracht ziehen, vor allem chronischen Stress. Denn psychische Faktoren können gastrointestinale Funktionen beeinflussen und vice versa. Vor allem beim Reizdarmsyndrom, einer funktionellen Darmerkrankung, bei der keine organischen Ursachen für die Symptome gefunden werden, wurden einige Studien zum Thema gemacht. So wissen wir heute, dass es eine enge Verbindung zwischen Gehirn und Darm gibt, die als "Darm-Hirn-Achse" bezeichnet wird. Diese bidirektionale Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung gastrointestinaler Symptome. Chronischer Stress wiederum kann Entzündungsreaktionen hervorrufen und so zu einer eingeschränkten Aufnahme von Fruktose beitragen. Abgesehen davon, dass unser Essverhalten in stressigen Zeiten oft nicht gesundheitsfördernd ist.
Verzehr großer Zuckermengen
Wir müssen auch die massiven Mengen Zucker ansprechen, die wir heute in der täglichen Ernährung finden. Haben unsere Vorfahren noch kaum Zucker gegessen bzw. ihre Süße aus saisonalen Früchten bekommen, so ist Zucker heute ein billiges und weitläufig verfügbares Produkt, das von der Lebensmittelindustrie nicht gerade sparsam eingesetzt wird.
Diese enorme Anflutung mit Zuckern überfordert unseren Darm und seine Zuckertransporter, die evolutiv nicht auf diese Mengen ausgelegt sind.
Ein multifaktorielles Symptombild
Es ist also mit der intestinalen Fruktoseintoleranz nicht ganz so einfach, wie wir das gerne hätten und wie es oft in Internetforen, von Influencern oder in Social-Media-Gruppen behauptet wird.
Zusammenfassend kann man aber sagen, dass es sich bei der intestinalen Fruktoseintoleranz um ein multifaktorielles Symptombild handelt, das durch eine Kombination aus genetischen, mikrobiellen, psychischen und äußeren Faktoren beeinflusst wird und deren genaue Funktionsweise wir (noch) nicht verstanden haben.
Wir können davon ausgehen, dass meist nicht ein, sondern vermutlich mehrere Faktoren die eigene Malabsorption im Zusammenspiel verursachen können.
Das ist wichtig zu bedenken, wenn wir uns dem Thema Behandlung der Fruktoseintoleranz widmen werden.
MASSIVER ANSTIEG VON ZUCKERKONSUM
In Deutschland stieg der Saccharosekonsum von 2 kg pro Person im Jahr 1825 auf ca. 36 kg pro Person im Jahr 2020 an. Auch die Aufnahme von Fruktose hat in industrialisierten Ländern exponentiell zugenommen und liegt heute mehr als 50-mal höher als im Jahr 1800. Dazu kommen noch die anderen Zucker und die Weißmehle, die im Darm am Ende auch Glukose sind.
Der sichere Ausgangspunkt
Was aber bei allen Patientinnen und Patienten gleich ist, ist, dass die gegessene Fruktose nicht ausreichend aufgenommen wird. Was passiert nun mit der Fruktose, die nicht im Dünndarm aufgenommen werden kann? Diese gelangt weiter in den Dickdarm, wo sie von den dort ansässigen Bakterien fermentiert wird. Bei diesem Fermentationsprozess entstehen Gase und kurzkettige Fettsäuren. Manche dieser Gase und Stoffe können unangenehme Beschwerden verursachen.
Die Symptome der intestinalen Fruktoseintoleranz können sehr vielfältig sein. Es gibt aber gewisse Symptome, die bei fast allen Betroffenen auftreten.
Gastrointestinale Beschwerden
Die häufigsten Symptome der intestinalen Fruktoseintoleranz betreffen den Magen-Darm-Trakt. Sie treten meist ab ca. 20 Minuten bis 24 Stunden nach dem Verzehr fruktosehaltiger Lebensmittel auf und sind wissenschaftlich recht gut verstanden.
Blähungen
Eine der typischen Beschwerden sind starke Blähungen, die durch die Fermentation von Fruktose im Dickdarm entstehen. Dabei werden Gase wie Methan und Kohlendioxid produziert, die das Darmvolumen erhöhen und zu einem unangenehmen Druckgefühl führen. Der entstehende Wasserstoff macht keine Symptome, kann aber zur Diagnose (siehe Seite 31) herangezogen werden. Diese Blähungen gehen oft mit stechenden Schmerzen...
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