Schweitzer Fachinformationen
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Josef Bärtle
Ein schöner Wintertag hatte mich mit dem gemütlichen Eisenbähnle über Kaufbeuren und Markt Oberdorf vorbei an glänzenden Schneehalden und an Tausenden von märchenhaft geschmückten Naturschriftbäumen nach Lechbruck gebracht. Bald stand ich vor dem von Professor Höne-München gefertigten Flösserdenkmal. In der heutigen Zeit ist ja wieder ein erfreuliches Verständnis für die Vergangenheit erwacht. Von unserem Volkskanzler Adolf Hitler stammt das Wort: "Aus Vergangenheit und Gegenwart zugleich muss sich die Zukunft gestalten." Der heranwachsenden Jugend müssen wir wieder erzählen von der Arbeit, dem Brauchtum und der heldenhaften Lebensauffassung unserer Vorfahren. "Seiner Väter mag sich freuen, wer der Väter fühlt sich wert." Die Vergangenheit von Lechbruck war hauptsächlich auf Holzflösserei eingestellt. Es gab Zeiten, da in Lechbruck 150 männliche Personen in der Flösserei tätig waren.
So ist die Errichtung eines Flösserdenkmals innerlich gerechtfertigt, das in seiner künstlerischen Ausführung ein Stück Vergangenheit, ein Stück Heimatgeschichte, ein Stück Kulturgeschichte für spätere Zeiten festhalten will. Der markige Flösser auf der Lechbrücke stellt eine in Wind und Wetter abgehärtete Kraftnatur dar. Die Muskulatur der Hände ist scharf herausgearbeitet. Welche schwere Arbeit erforderte schon das Einbinden eines Flosses. Die längsten Stämme sollten in die Mitte kommen, die kürzeren an die Außenseite. Mit großen Griffbengeln mussten oft die mächtigen Stämme übereinandergelupft werden. Mancher Stamm war ungeschlacht, buckelig, verwachsen, oben zu dünn und unten zu dick und musste wie ein ungehobelter Naturbursche frisiert und zurecht gerichtet werden, bis er sich harmonisch in das Ganze einfügte.
Der Flösser wollte keine feinen Hände haben, er hatte auch nicht den Ehrgeiz, als fein zu gelten. In Gegenden, wo die Flösserei schon längst ausgestorben ist, besteht heute noch das Sprichwort: "Er ist grob wie ein Flösser." Mit Recht sagte der Volkskenner Hansjakob im Hinblick auf die Schwarzwaldflösser: "Als ob Leute fein sein könnten, die keine Zahnstocher und keine Zündhölzer, sondern Tannenbäume transportierten und jahraus, jahrein in Wasser und Wald in Todesgefahr standen. Wahrlich mir ist ein derber, grober, ehrlicher Flösser lieber als ein hohlköpfiger, faulenzender Gigerl und Komplimentenmacher."
Aus den Gesichtszügen des Lechbrucker Flössers spricht Geistesgegenwart und angespannte Aufmerksamkeit. Es war wirklich keine Kleinigkeit, einen Holzfloss über das Wehr von Lechbruck, Schongau, Kinsau, Landsberg oder durch die enge Brücke von Schwabstadel oder gar über die drei Wehre von Hochablass bei Augsburg hinab zu steuern. Am Hochablass galt es aufzupassen, ob die rote Flagge die Bahn durch den Kanal wies, was bei schlechtem Wasserstand der Fall war, oder bei gutem Wasserstand die blaue Flagge den Weg durch die Flossgasse frei gab. Die Flösser mussten den Lauf des Wassers, den "Stromstrich" genau kennen, was umso schwieriger war, als nach jedem Hochwasser die Kiesbänke wieder anders lagen. Besonders gefährlich war, das Flossen bei Nebel, wenn man die Wehre und Brücken nicht sehen konnte.
Da blieb nichts anderes übrig als auf das Rauschen des Wassers zu lauschen und die Entfernung abzuschätzen. Ein Flösser musste alle Sinne anstrengen, er durfte nicht bloß die Zunge im Munde herumtragen. An der engen Brücke zu Schwabstadel gingen einmal die Stämme des Flosses an der Brücke hinauf und stauten das Wasser. Die Flösser konnten gerade noch ihr Leben retten. Alle Werkzeuge wie Bohrer, Beile, Nägel und Weiden sowie die Ledertasche waren im Wasser verloren gegangen. Wallfahrer, die eben über die Brücke kamen, halfen beim Abmontieren des alten und beim Zusammenrichten des neuen Flosses. Allerdings mussten die Flösser zunächst wieder Weiden drehen, die zum Einbinden der Stämme notwendig waren und mussten bei den Bauern Äxte und Bohrer entlehnen. Wie prächtig weiß unser Landsmann Peter Dörfler in seinem Roman "Der ungerechte Heller"34 die Fahrt durch die Landsberger Brücke zu schildern. Er erzählt, wie der Flossmeister mit seinem Sohn wie über ein Hausdach in milchigem Gischt35 und in die wogende Flut hinabfuhr, wo es zuging wie in einer Hölle von Gurgeln und Pusten, von Krachen und Stöhnen.
Überall schienen aufgerissene Mäuler zu sein. Die Stange, welche der steinerne Flossmeister von Lechbruck in der Hand hat und die unten mit einem Seile umwickelt ist, wird "Raicher" genannt und wurde zum Anlanden, zum Festhalten des Flosses benützt. Solch ein Raicher war ein gar nützlich Ding. Ohne ihn konnte man nicht landen. Ein Flösser, der eine Stange gestohlen hatte, um daraus einen Raicher zu fertigen, wurde wegen Diebstahl vor das Amtsgericht Augsburg geladen. In scharfem Ton fragte der Richter: "Wie kommen Sie dazu, eine Stange zu stehlen?" Der Flösser wusste ihm klar zu machen, dass es sich um eine Art Notwehr gehandelt hat, und kleidete seine Darlegungen in den anschaulichen Satz: "Wenn unser Herrgott ein Flösser wäre, hätte er auch die Stange gestohlen." - Der Raicher wurde zum Anlanden benützt, wenn wichtige Teilstrecken zurückgelegt waren oder wenn die ganze Fahrt nach Regensburg glücklich beendet war. So dauerte die Fahrt von Lechbruck nach Augsburg 10 Stunden, nach Marxheim 15 Stunden, nach Ingolstadt 19 Stunden. Das Verdienst des Oberflössers für Einbinden des Flosses und Abtransport betrug bis Hochablass 12 Mark, bis Marxheim 16 Mark, bis Regensburg 26 Mark. Der Nachknecht, der auf dem hinteren Teil des Flosses postiert war, bekam ein bis zwei Mark weniger. Auf der Fahrt gab es manches Wechselgespräch mit Leuten, die am Ufer standen. Wenn vom Ufer herein der Ruf erscholl: "Flösser, du hast einen Geißbock gestohlen", so war das verhältnismäßig noch ein harmloser Zuruf. Die Flösser, die als fortschrittliche und hochstehende Menschen auf dem Floss ein WC benützten, mussten sich sogar den Zuruf gefallen lassen: "Ihr Lechsch......!"
Der Lechbrucker Flösser aus Stein hat an seinen Füssen lange Flösserstiefel, die bei den lebendigen Trägern bis über die Oberschenkel gezogen werden können. Durch solche Stiefel sollte es dem Flösser möglich sein, auch in tiefes Wasser zu stehen. Sie oft kam es vor, dass ein Floss an einem Felsen hängen blieb oder gar zerrissen wurde. Mehr als ein Flösser hat im grünen Lechwasser seinen Tod gefunden. So am 1. September 1903 Norbert Knappich im Kanal bei Lechbruck. Am Pfingstsonntag 1895 ertrank Josef Heiser, gebürtig aus Prem bei Schongau. Am Landsberger Wehr wurden einem Johannes Enzesberger beide Füße abgeschlagen. Kein Flösser unterließ es, ein Vaterunser zu beten, bevor er an die Arbeit ging und die Flössersfrau betete wohl mehr als einmal mit ihren Kindern einen Rosenkranz, um eine glückliche Heimkehr des Vaters.
"Das Wasser hatte eben keine Balken." Mancher Flösser konnte schwimmen wie ein Wetzstein. Wenn die Flösser ihre Militärzeit bei den Pionieren in Ingolstadt abdienten, hatten sie allerdings hinreichend Gelegenheit, das Schwimmen zu lernen. Professor Höne, der als Künstler den Blick auf das Wesentliche hat, unterließ es nicht, dem Lechbrucker Flösser auch eine Tabakspfeife in die Hand zu geben. Dieselbe kam hauptsächlich zu ihrem Recht, wenn das Floss glücklich am Endziel abgeliefert, wenn der Flösser die langen Stiefel ausgezogen und sich seinen Wollkittel (aus Kelheim stammend) angezogen hatte, wenn er seine Füße unter den Wirtstisch gestellt hatte und nun den Feierabend genießen durfte. Jetzt langte eine schwielige Hand in den aus Regensburg stammenden Tabaksbeutel und bald qualmten die Flösser in der Wirtsstube wie Werber. Bei der schweren körperlichen Arbeit, welche die Flösser zu verrichten hatten, ist es begreiflich, dass sie weder Verächter eines guten Bissens noch eines kräftigen Trunkes waren. Wie heißt es doch in einem alten Flösserlied: "Sechs Doppelliter hört' ich sagen, die füllen erst 'nen Flössermagen."
Foto: Unterrodach, Franken. Vor den 30er Jahren, Postkarte.
Ein Flösser mit dem Spitznamen Nokele soll die seltene Fähigkeit gehabt haben, einen Liter Bier in einem Zug auszutrinken. Eine alte Legende weiß zu berichten, dass ein Flösser zu Füssen eine Wette gemacht hat, er wolle, während die Kirchenuhr zwölf Uhr schlage, zwölf Mass Bier trinken und er habe diese Wette gewonnen. Das war natürlich eine Ausnahme, aber Tatsache ist es, dass in den Flösserherbergen von Füssen bis Regensburg oft ein reich bewegtes Leben war. Die Flösser wollten nicht heimlich auf der Welt sein. Bekannte Flösserherbergen...
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