Schweitzer Fachinformationen
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Zafzafs besondere Stärke liegt darin, mit nüchterner Sprache und ohne überflüssige Dramatik tiefgehende Einsichten in die Lebensrealitäten seiner Figuren zu bieten.
Es sind die kleinen, alltäglichen Momente, die in seinen Erzählungen die größten Spannungen und Offenbarungen tragen.
Muhammad Zafzaf, einer der wichtigsten marokkanischen Erzähler der 60er und 70er Jahre, zeigt uns in dieser Sammlung von Kurzgeschichten mit scharfsinnigem Blick das Leben von Menschen, die im sozialen Gefüge der Gesellschaft oft unsichtbar bleiben. Ob Hippies, Schmuggler, notleidende Bauern oder Bettler - Zafzaf erzählt mit feiner Ironie, Wärme und Bitterkeit von den Herausforderungen der Menschen und eines Landes, das nach der französischen Kolonialzeit zwischen Armut, Spiritualität und sozialen Umbrüchen zerrissen ist.
In Erzählungen wie "In der Pampa", "Das straffe Seil" und "Die Heuschrecke" lässt er die Leser tief in das alltägliche Leben eintauchen. Es sind die kleinen, alltäglichen Momente, die in seinen Erzählungen die größten Spannungen und Offenbarungen tragen und in denen sich die Hoffnungen und Ängste seiner Figuren entfalten.
So auch in der Titelgeschichte, "Der King auf dem Platz", in der er ein absurdes, aber treffendes Bild der Absurditäten des Lebens zeichnet. Eine Gruppe von Menschen, die zusammen mit ihren Maultieren auf einen gewaltvollen Marsch geschickt werden, ohne zu wissen, wohin es geht oder warum.
Zafzaf, ein Vorreiter der modernen marokkanischen Literatur, bietet eine einzigartige Perspektive auf das Leben der gesellschaftlichen Außenseiter Nachkolonialzeit. Mit ungekünstelten Einblicken in das Leben der gesellschaftlichen Ränder sind sie ein Spiegel der Widersprüche, die das moderne Marokko prägen.
In Anerkennung seines schriftstellerischen Schaffens wird seit 2002 der angesehene "Mohammed Zafzaf Prize for Arabic Literature " als Teil des marokkanischen Literaturpreises vergeben.
Draußen fällt dichter Schnee. Obwohl schon zehn Uhr abends, kann man die Flocken beobachten, die sich als weiße Decke über alles legen. Drinnen zieht Achmad seinen Mantel enger um sich. Es ist kalt, wenngleich die beschlagenen Fensterscheiben eine Illusion von Wärme erzeugen.
»Man entkommt der Kälte nicht«, stellt die Frau hinter dem Tresen fest, wie um die ungemütliche Temperatur zu entschuldigen. »Wir liegen hier zwischen zwei Bergen, und es schneit dauernd. Richtig heizen können wir uns gar nicht leisten. Viel zu teuer, besonders jetzt, wo die Kundschaft ausbleibt.«
»Ja, das miese Wetter macht die Gegend trist und ungastlich.«
»Nicht unbedingt. Kann ich Ihnen noch was bringen?«
»Warum nicht? Und trinken Sie selbst doch auch was. Das hilft gegen die Kälte und schützt vor schweren Erkältungen.«
»Ich nehme einen Whisky. Mein Chef erlaubt mir nicht, billigen Fusel zu trinken.«
Das Café ist praktisch leer. Nur etwa acht Gäste sitzen fest eingemummt da, einige am Tresen, andere auf den Stühlen da und dort im düsteren Raum. Türen und Fenster sind geschlossen. In der Küche wird abgewaschen; aus der Durchreiche ist das Klappern von Töpfen und das Klirren von Gläsern zu hören. Die Frau nimmt sie von Zeit zu Zeit in Empfang und stellt sie unter den Tresen. In einer Ecke bei der Tür sitzt eine Frau, die ihr Tuch vom Gesicht genommen hat. Auf ihrem Kinn prangt ein Tattoo im Zammouri-Stil. Sie leert ein Glas nach dem anderen. Der Mann neben ihr ist schon sternhagelvoll. Die Enden seines Turbans hängen ihm über Schultern und Stirn. Auch seine Unterlippe hängt herab.
»Eigentlich tut mir der Whisky nicht gut, aber ich kann nicht anders, ich muss ihn trinken.«
»Probieren Sie's halt mal mit Rotwein.«
»Kommt überhaupt nicht infrage. Schauen Sie sich doch die Frau da drüben an. Die trinkt nur Wein, und sie ist stark wie der Teufel.«
»Ihrem Mann reicht wohl Bier, um sich zu betrinken.«
»Er ist rasch betrunken. Übrigens ist er gar nicht ihr Mann. Er ist mit zwei anderen Frauen verheiratet.«
»Glückspilz! Er muss ganz schön betucht sein.«
»Ein Viehhändler, er besitzt zwei Lastwagen. Sogar unser Provinzgouverneur hier hat ganz schön Respekt vor ihm. Und seine beiden Frauen wissen von seiner Beziehung zu der da.«
Die Frau hört, dass ein Glas auf den Tresen gestellt wird, und geht hinüber, um sauberzumachen. Zwei Männer kommen ins Lokal, die Kappen weit über die Ohren herabgezogen. Ihre Mäntel sind weiß, sie sehen aus wie Schneemänner. Einer von ihnen haucht sich in die Hände. Eine Dunstwolke tritt vor sein ölverschmiertes Gesicht. Er ist wohl Mechaniker, der andere LKW-Fahrer. Beide gehen direkt zum Tresen, treten neben Achmad und verlangen zwei Tassen sehr heißen Kaffee, die sie hastig hinunterkippen, dabei unterhalten sie sich flüsternd. Dann brechen sie wieder auf. Bevor sie die Glastür des Cafés öffnen, ziehen sie ihre Mützen tief ins Gesicht. Ein eisiger Wind drängt herein, und alle Gäste versinken noch tiefer in ihren Mänteln.
Achmad fischt eine Zigarette aus der Tasche. Vielleicht hilft es ja, wenigstens sein Gesicht etwas zu erwärmen. Er leert sein Glas und klopft damit auf den Tresen. Die Frau kommt und schenkt ihm und sich selbst nach. Heute Nacht werde sie sicher betrunken sein, prophezeit sie. Aber das sei das Beste, was ihr passiere könne, besonders bei solch einem Wetter.
»Saukalt«, sagt sie auf Berberisch und fragt ihn: »Sprechen Sie Taschelhit?«
»Nein, aber ich kann Sie verstehen. Sind Sie Amazîgh?«
»Mein seliger Vater war Berber, meine Mutter Araberin aus Dukkâla. Manchmal muss ich Tamazight reden. Die meisten Leute hier in der Gegend sind Berber.«
»Und was hat Sie hierher verschlagen? Sie sind offenbar ja nicht von hier.«
»Nein, aber das ist eine lange Geschichte, eine sehr lange Geschichte. Jedenfalls kann ich nicht zurück in die Stadt, wo ich herkomme. Er droht, mich umzubringen.«
»Wer er?«
»Er halt.«
»Aber es gibt doch den Rechtsweg.«
»Ja, das weiß ich auch. Am besten, wir reden nicht darüber. Und ich lebe hier ganz passabel, obwohl wir hier in der Pampa sind. Ich hab mich dran gewöhnt und werde wohl den Rest meines Lebens hier zubringen, fürchte ich.«
»Diese Furcht würde jeder andere in Ihrer Lage wohl teilen. Sehen Sie den Mond da oben über den schneebedeckten Gipfeln?«
»Die Fenster sind beschlagen, ich kann nichts sehen.«
»Ich auch nicht. Ich hab mir das nur vorgestellt. Geben Sie mir noch was zu trinken. Ich bin hundemüde und weiß noch nicht, wo ich in dieser Saukälte schlafen soll. Sie sagten ja, es gäbe kein Hotel in der Nähe.«
»Stimmt, ein Hotel gibt es nicht, und wir haben hier nur drei Zimmer, die schon seit vier Tagen von Touristen belegt sind. Trinken Sie erst einmal, dann finden wir schon eine Lösung. Stimmt, Sie haben da ein ziemliches Problem. Zur nächsten Stadt sind es achtzig Kilometer. Und das bei diesem ekelhaften Wetter.«
»Ja, und müde, wie ich bin. Ich kann überhaupt nicht mehr ans Steuer. Verstehen Sie?«
»Natürlich.«
Sie schenkt sich nochmals nach und bringt einem Gast in einer Ecke, was dieser bestellt hat. Dann kommt sie hustend hinter dem Tresen hervor und geht zur Jukebox. Ein warmer amerikanischer Song erklingt. Der Mann mit den herabhängenden Turban-Enden wacht auf und beginnt, ein berberisches Lied zu singen. Die Frau heißt ihn aufhören. Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Später gebe es Gelegenheit, dann würden ihm alle zuhören.
»Gib uns was zu trinken«, erwidert der Mann. »Das Leben ist kurz. Nächsten Samstag muss ich einen ganzen Lastwagen voll Rinder verkaufen. Was für ein Geschäft!«
»Glaub ja nicht, die Leute hier wären bettelarm«, schimpft die Frau, und Achmad flüstert sie zu: »Er protzt mit seinem Geld nur, wenn er einen sitzen hat.«
»Er hat ja recht: Das Leben ist kurz«, sagt Achmad. »Außerdem ist es lausig kalt, und ich muss schlafen. Was hielten Sie davon, wenn ich bei Ihnen übernachten würde, natürlich gegen Bezahlung?«
»Ich weiß nicht recht. Das ist mir noch nie mit einem Gast passiert.«
»Einmal ist immer das erste Mal. Trink dein Glas leer. Das Leben ist kurz. Mein Gott, alles ist anstrengend, sogar mit einer Frau zu schlafen. Glaub nicht, ich wäre wie die anderen! Ich will einfach pofen. Wenn du nicht willst, passiert nichts. Ich würde heute Nacht einfach am liebsten in einem Bett schlafen.«
»Du trinkst zu viel. Hast du schon was gegessen?«
»Ja, schon, ein paar Sardinen und ein halbes Kilo Bananen. Aber das ist jetzt auch schon wieder ein paar Stunden her.«
»Das reicht nicht. Ich bestell dir ein Sandwich. Ich brauche auch immer was im Magen, bevor ich ins Bett geh.«
»Okay, wie du willst. Gieß mir nochmal ein. Die Kälte lässt nach. Es fühlt sich schon wärmer an.«
»Aber du hast eine rote Nase.«
Ein Gast ruft nach ihr. Sie geht die Rechnung holen. Drei Männer verlassen das Lokal. Der Wind bläst wieder herein, Achmad spürt es nicht. Im Licht der Straßenlaterne sieht er die dichten Flocken fallen. Die Straße ist weiß und menschenleer. Die Glastür schließt sich wieder, von selbst.
»Bist du Staatsangestellter?«, fragt die Frau.
»Nein.«
»Geschäftsmann?«
»Ah, ich verstehe, Drogenschmuggler. Die kommen hier oft vorbei.«
»Nein, ich bin auch kein Drogenschmuggler. Ich tu was anderes im Leben. Arbeitest du mit denen zusammen?«
»Den Drogenhändlern?«
»Nein, denen.«
»Wem denen?«
»Denen halt, kennst du die nicht: die Bullen.«
»Nein, also bitte! Unmöglich.«
»Warum?«
»Darum«, erklärt sie mit Nachdruck. »Ich hab zwei Sandwiche bestellt. Darf ich mir nochmal nachschenken? Du bist sehr großzügig.«
»Ich will einfach ein bisschen schlafen.«
»Das ist möglich, aber nicht ganz einfach. Du weißt nicht, wie es hier in der Gegend so läuft. Ich kann keinen Gast mit nachhause nehmen, ohne dass am nächsten Tag überall darüber getratscht wird.«
»Aber es geht nur um eine Nacht in deinem Leben hier.«
»Ich weiß schon. Du musst aber noch zwei Stunden oder vielleicht länger ausharren, bis der letzte Gast gegangen ist.«
»Ich werd's probieren. Du nimmst mich dann mit?«
»Ich hab aber nur ein schmales Bett, eigentlich nur für eine Person.«
»Umso besser.«
Achmad spürt seinen Kopf, er wird schwerer und schwerer. Der Alkohol tut seine Wirkung. Er schließt die Augen und lässt sich in seinem Stuhl zurücksinken.
»Geh und warte im Auto auf mich. Ich komme nach, sobald ich hier fertig bin«, sagt die Frau. Auch bei ihr bleibt der Alkohol nicht folgenlos. »So kann ich jedem Verdacht vorbeugen.«
Achmad zahlt und nimmt das Sandwich. Kauend verlässt er das Lokal. Ein bitterkalter Wind bläst ihm entgegen. Er zittert am ganzen Körper und beginnt zu rennen, was sich als äußerst schwierig erweist. Seine Füße gehorchen ihm nicht. Er fällt in den Schnee, kämpft sich wieder hoch und läuft weiter zum Auto. Einmal drin, schließt er die Tür und versucht, sein Sandwich zu essen. Es gelingt ihm nicht. Das Brot fällt ihm aus der Hand und landet auf seinen Beinen. Auch ein weiterer Versuch,...
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