Schweitzer Fachinformationen
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Der Koch hatte seit Dienstag mit einem Nervenzusammenbruch zu kämpfen, und der Van, mit dem die Lebensmittel abgeholt werden sollten, sprang nicht an, sodass die Dienstmädchen mit dem Taxi zum Supermarkt fahren mussten. Alle schoben die Schuld auf die Frau des Fahrers, weil sie mit einem Bauarbeiter von weiter unten in der Straße durchgebrannt war und der Fahrer daher so neben der Kappe, dass er mit dem Van in eine alte Akazie nahe der Grotte gerasselt und der Motor für immer entschlafen war. Der Fahrer war ein Scheusal, der sich jede Nacht betrank und seine Frau schlug, aber hatte sie genau in dem Moment zu Sinnen kommen müssen, als sich die gesamte Belegschaft des Hauses auf Celestes Party vorbereitete?
Ein Baumchirurg war für die Akazie einbestellt worden, deren orangefarbene Blätter und Blüten mitsamt Raupen schon auf die Leute hinabgefallen waren, lange bevor das Haus oder die Siedlung im Ganzen überhaupt existierten, damals, als das Land noch teils malariaverseuchter Sumpf und teils Weideland für Vieh gewesen war. Frische Blumen in sechs großen Töpfen welkten entlang der Einfahrt langsam vor sich hin, und die mayordoma* musste die Hausmädchen des Nachbarn rügen, da die auf die Gartenmauer gestiegen waren, um einen Blick auf die Filmstars, gewissermaßen die Prunkstücke dieses Events, zu erhaschen. Der sicherste Ort im Haus war die Bibliothek im Südflügel.
Die Bibliothek im Südflügel war nicht zu verwechseln mit der beim Orchideengarten, in der die vererbte antiquarische Buchsammlung von Don Placido inklusive einer etwas schadhaften Originalabschrift des Protokolls des Konzils von Trient zu finden war, ebenso wie der Boxer Codex, die Erstausgabe der über fünfzig Bände umfassenden Reihe The Philippine Islands von Blair und Robertson und, hinter feuerfestem Glas verschlossen, die Tagebücher des ersten Almagro, der die Philippinen erreichte zusammen mit dem Adelantado Legazpi*. Generationen von streng dreinblickenden, langgesichtigen, mit buschigen Augenbrauen versehenen männlichen Almagros starrten aus lebensgroßen Portraits von den Wänden herunter. In dieser Bibliothek, von der Fotos in vielen Zeitschriften über Architektur zu finden waren, versammelte Don Paquito einmal im Jahr den Vorstand des familieneigenen Museums.
Die Bibliothek, in der Guadalupe Zuflucht suchte vor der allgemeinen Ermattung, glich eher einem Lagerraum für überflüssige Enzyklopädien, billige Taschenbuchschinken und eselohrtragende Abenteuerromane. Es roch nach vergilbtem Papier und sich auflösender Tinte, zerschlissenem Leder und verstaubten Glühbirnen. Genau so roch der Mars für Guada, gerade acht, die es sich in einem alten Armsessel gemütlich gemacht hatte und im trüben Licht eines verdreckten Fensters Die Prinzessin vom Mars las. Sie trug noch immer ihre Kleidung aus dem Sportunterricht - ein weißes T-Shirt, blaue Hosen und weiße Turnschuhe.
Wenn ihre Mutter sie so gesehen hätte, wäre ihr eine Standpauke sicher gewesen, aber ihre Mutter war in der Küche, um ein Essen für achtzig Leute vorzubereiten. Es gefiel Guada, ihre Sportkleidung zu tragen wie alte Klamotten für Zuhause, da der Sportunterricht das Fach war, was sie am wenigsten mochte. Sie hasste Laufen, Gymnastik, Volleyball, und am meisten hasste sie es, sich vor ihren Klassenkameraden für den Sportunterricht umzuziehen. Sie kicherten, zeigten auf die Hügel, die auf ihrer Brust wuchsen, und sagten, sie bräuchte einen BH. An jenem Tag wurde eine Nonne, die gerade vorbeilief, durch das Gekicher auf sie aufmerksam und riet ihr, einen BH mitsamt Unterhemd zu tragen. Guada hatte einen Horror vor BHs - ihre Mutter trug sowas und jammerte ständig. Sie passten nicht, die Träger leierten aus, sie verschlissen schnell, aber die besseren waren aus dem Ausland und sauteuer. Ihre Mutter hatte einmal einen Streit mit einer der Hausangestellten, die sie verdächtigte, ihren besten Maidenform-BH geklaut zu haben. Es war nur ein dummes Missverständnis, aber die Angestellte war danach noch wochenlang böse auf sie. Beschuldigt zu werden, Unterwäsche zu klauen, war das Eine, aber auf Englisch angeschrien zu werden, unfähig, darauf angemessen antworten zu können, war einfach nur gemein und erniedrigend.
John Carter hatte gerade ein Bündnis mit Tars Tarkas abgewendet, als die Tür aufging und zwei Personen in Guadas Rückzugsort eindrangen. Die Frau hatte Haare, die von ihrer Kopfhaut nach oben aufragten wie ein Tsunami und ihr halb ins Gesicht fielen, sodass Guada davon kaum etwas sehen konnte. Von ihrem Sessel in der Ecke aus fiel Guada auf, dass die Lippen der Frau hellrot waren und ihr silbernes Kleid so kurz war, dass die Unterwäsche rausguckte. Der Mann war groß, mit einem eckigen Kiefer und dicken schwarzen, nach hinten gekämmten Haaren. Sie kannte ihn von den Familienfotos, es war Don Paquitos ältester Sohn Gabriel, der in den USA aufs College ging. Angst machte sich in ihr breit und sie rollte sich in den Sessel ein wie ein Ball, sie wünschte sich, unsichtbar zu sein.
»Hier kommt nie jemand rein«, sagte Gabriel der Frau in Silber, als er die Tür verschloss. Die Frau kicherte, warf dann ihre Arme um Gabriels Hals und küsste ihn. Sie standen so da für eine Minute, während sie sich gegenseitig das Gesicht abschleckten. Guada konnte nicht wegsehen: Das war genau das, worüber sie und ihre Freundinnen Rosemary und Erika seit Monaten herumrätselten. In jeder freien Minute erörterten sie die physischen Vorgänge beim Küssen - wie die Nasen positioniert waren, wohin die Zunge sich bewegte -, und dann sangen sie Namen verschiedener Körperteile in Tagalog, bis sie in hysterisches Gegacker ausbrachen.
Gabriels Hand war unter den Rock der Frau gewandert und zog an ihrem Höschen, als sie ihn stoppte. »Ich kann nicht«, sagte sie, »ich habe meine Periode.« Guada wusste, was eine Periode war - vor zwei Wochen hatte Jocelyn ihre gehabt, und die gesamte zweite Klasse war in die Toilette gestürmt, um den Blutfleck auf dem Klodeckel zu sehen.
»Scheiße«, sagte Gabriel. »Ist doch kein Problem«, lachte die Frau, löste dann seinen Gürtel, öffnete die Hose und nahm irgendwas in die Hand. Gabriel schnappte nach Luft. Die Frau begann, daran zu ziehen, aber statt Beschwerden hörte man von Gabriel nur lautes Stöhnen. »Geh auf die Knie«, sagte er. Was die Frau tat.
Jedes Mal, wenn sie mit ihrer Mutter Fernsehen schaute, und Leute küssten sich oder zogen sich aus, schickte ihre Mutter sie aus dem Zimmer. Aus reiner Gewohnheit wäre sie beinahe aufgestanden und aus dem Raum gegangen, aber die beiden standen im Weg. Die Frau hatte das Ding im Mund, und sie machte Geräusche, als ob sie was schlürfen würde, während Gabriel seine Hüfte vor und zurück bewegte wie beim Tanzen. Nach einer Minute schrie Gabriel auf, als wäre er überrascht worden, und die Frau ließ von ihm ab. Gabriel zog den Reißverschluss hoch und schnallte den Gürtel zu. Als die Frau ihn küssen wollte, wich er zurück.
»Danke«, sagte er.
»War mir eine Freude«, sagte sie, zog einen Lippenstift aus ihrer silbernen Handtasche und bemalte ihre Lippen mit einem neuen roten Anstrich. »Wieviel Uhr ist es?«
Er sah auf seine Armbanduhr. »Halb sechs.«
»Ich muss meinen Soundcheck machen«, sagte die Frau zu ihm und ging aus dem Raum.
Gabriel war schon halb aus der Tür, als er irgendwas aus dem Augenwinkel entdeckte und sich umdrehte. Er nahm ein Buch aus einem Regal, pustete den Staub weg und grinste. Dann knipste er das Licht an und bemerkte das Kind, zusammengekauert im Sessel.
»Ano'ng ginagawa mo dito?«, fragte er fordernd, wobei die einzelnen Silben ineinander verschwammen, während sie aus seinem Mund purzelten. Obwohl die Almagros in Manila geboren waren, in Manila lebten, auch in Manila zur Schule gegangen waren, war ihr Tagalog äußerst dürftig, sie benutzten es nur, um mit ihren Bediensteten zu reden.
»Ich habe gelesen«, antwortete Guada auf Englisch, ihre Mutter bestand darauf, dass sie Englisch sprach, und sie hatte sich einen amerikanischen Akzent angewöhnt, da sie gerne Fernsehshows aus den USA guckte. Zum Beweis hielt sie das Taschenbuch hoch, nur blöd, dass die nackte Frau auf dem Umschlag denselben roten Mund hatte wie die Frau, die gerade den Raum verlassen hatte. Beide sahen aus, als ob sie nichts zum Mittagessen bekommen hätten und gerade in diesem Moment vor ihren Augen ein Tablett mit frittiertem Huhn serviert würde.
Gabriel ging auf sie zu mit einem Gesichtsausdruck, den sie von den Nonnen kannte, wenn die sie ermahnten, ihre Socken hochzuziehen oder ein Unterhemd anzuziehen. »Wer bist du?«, wechselte er ins Englische.
»Guadalupe de Leon«, sagte sie. »Ich wohne hier. Meine Mutter ist die Köchin.«
Jetzt stand er direkt vor ihr, die Arme...
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