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Das passende Buch zur Tour de France – vom bekanntesten Bike-Influencer
Wieso fährt ein Mensch mit der eigenen Muskelkraft Berge hinauf – auch mit mäßigen Erfolgsaussichten und unter allergrößten Qualen? Und wieso setzt er sich am nächsten Tag aufs Rad und beginnt von vorn? Was ist das Geheimnis dieses Sports, der das größte Opfer und das größte Glück vereint? Rick Zabel kennt die Antwort.
Als Sohn eines erfolgreichen Sprinters wurde er selbst Profi, fuhr alle großen Rennen – mit deutlich weniger Siegen, aber mit derselben Hingabe und Leidenschaft. Das Gefühl, sich für den Teamerfolg zu schinden, hat ihn in den letzten Jahren ebenso begleitet wie das tiefe Glück, fürs Radfahren bezahlt zu werden. Rick Zabel hat die Schattenseiten des Rennradfahrens kennengelernt – Druck, Konkurrenzkampf und körperliche Grenzerfahrungen –, und die Sonnenseiten: "On the road" hat er einige der schönsten Orte der Welt gesehen, hat ganz allein die höchsten Pässe Europas bezwungen, auf der Abfahrt den kühlen Wind und die spektakuläre Aussicht genossen.
Davon schreibt er klug, eindringlich und lustvoll – und so, dass man selbst sofort in die Pedale treten möchte.
"fesselnde Lektüre über Lust und Leid eines knüppelharten Sports"
Das erste Mal vergisst man nicht. Vor allem, wenn es so glamourös ausfällt wie in meinem Fall. Ich sage nur: »Rund um den Bramscher Berg«, Samstag, 19. März 2005. Mein allererstes offizielles Radrennen, Kategorie Schüler U 13. Der Sieger an diesem Tag hieß Max Bok und benötigte rund 21 Minuten für die sechs Runden. Rund 40 Teilnehmer waren damals zusammen mit mir in Bramsche am Start. Das ist irgendwo in Niedersachsen im Landkreis Osnabrück, ich war vorher noch nie in meinem Leben dort. Hinterher auch nicht mehr, glaube ich . Das Rennen lief so na ja. Auf die Plätze, fertig, los - schon war ich abgehängt. Ich wurde am Ende 16., wenn ich mich richtig erinnere. Aber das spielte keine Rolle. Ich startete für meinen Heimatverein, den RSV Unna, in einem grau-roten Trikot auf einem Rad, das der Verein mir zur Verfügung gestellt hatte. Ich war gemeinsam mit meinem Opa Manni angereist, die meisten anderen Sportler des RSV Unna rückten gemeinsam in einem großen Bus an. Laute Musik, ausgelassenes Lachen, rings um mich herum fröhliche Klassenfahrt-Atmosphäre. Ich werde nie vergessen, wie nervös ich dagegen war und wie mich die Anspannung keinen klaren Gedanken fassen ließ, bis es endlich losging. Nach dem Rennen war ich wie in Trance. 16? Egal. Ich war Radfahrer, ich fuhr jetzt Rennen! Ich bin am 7. Dezember 1993 geboren, war also zu diesem Zeitpunkt gerade mal elf Jahre alt. Und wusste bereits: Das isses!
War ja klar, könnte man denken. Dass der Sohn von Erik Zabel schon als Dreijähriger auf dem Fahrrad festgebunden wurde, um sich alle Kniffe für die spätere Karriere angedeihen zu lassen, liegt ja auf der Hand. Zumal auch mein Opa Detlef, der Vater meines Vaters, ein ehemaliger Radrennfahrer war, der es bis in die DDR-Nationalmannschaft geschafft hatte. Er wurde in den fünfziger Jahren sogar zweimal Studentenweltmeister, das war 1951 und 1953. Zwei Dinge in diesem Zusammenhang erheitern mich noch heute: Zum einen bekam Opa Detlef als Preis für seine sportlichen Leistungen von der IG Nahrung und Genuss Zwickau einmal ein schmuckes Akkordeon geschenkt. Das Musikgerät ist inzwischen im Radsportmuseum in Kleinmühlingen zu bewundern. Viel darauf gespielt wurde im Hause Zabel allerdings nicht . (Ich frage mich, ob Opernsänger in der ehemaligen DDR mit Boxhandschuhen oder anderen Sportgeräten beschenkt wurden, möglich schien das offenbar.) Meine zweite Information zu Opa Detlef: Er wurde im Laufe der fünfziger Jahre von DDR-Medizinern sehr, sehr ausgiebig untersucht, weil er über ein abnorm großes Herz verfügte. Mehrere Wissenschaftler bezogen sich auf ihn, wenn sie sich zum Thema »Sportlerherz« äußerten. Vererbt worden ist diese für den Radsport sicherlich nicht direkt nachteilige anatomische Kuriosität leider nicht .
Auch meine Mutter Cordula stammt aus einer Radfahrer-Familie, ihr Vater und ihr Bruder fuhren beide begeistert Rennrad im Verein. Aus diesem Grund war meine Mutter auch regelmäßig bei Rennen in der Umgebung im Publikum. Dass sie meinen Vater an der Rennstrecke kennenlernte, war also kein großer Zufall. Die Szene spielte sich in Dortmund-Brakel ab, übrigens nicht weit vom heutigen Trainingszentrum von Borussia Dortmund entfernt. Aber ich schweife ab: Fakt ist, dass es bei solch einer großen Ansammlung von erfolgreichen Rad-Enthusiasten in meiner Familie niemanden überraschte, dass 2005 in den Ergebnislisten von U-13-Schüler-Rennen plötzlich der nächste Zabel auftauchte.
Das heißt, mit einer Ausnahme - mich selbst. Tatsächlich nahm ich einen sehr langen Anlauf, um mit dem Radsport zu beginnen. Ein systematischer Plan steckte jedenfalls nicht dahinter. Und auch keine Sippenhaft. Mein Vater fand es völlig in Ordnung, dass ich im Grundschulalter noch nicht unter Anleitung auf einem Rad trainierte. Stattdessen spielte ich zuerst ein paar Jahre Fußball. Bei den Bambinis ging das los, da war ich in der ersten, zweiten Klasse. Zugegeben, ich war nicht gerade besessen vom Fußballspielen, aber da meine Freunde mehr oder weniger alle beim SSV 1949 Mühlhausen-Uelzen kickten, einem kleinen Verein in Unna, ging ich da halt auch hin. Ich erinnere mich an zwei maximal mittelmäßige Jahre als Verteidiger. Besonders gut war ich nicht darin, andere Kinder abzugrätschen. Erstaunlicherweise verließ ich den SSV Mühlhausen und den aktiven Fußball schon nach drei Jahren wieder, gerade als ich begann, besser zu werden. Ich war zum Stürmer umfunktioniert worden und erzielte plötzlich sogar einige Tore, zu meiner und der Überraschung meiner Mitspieler. Half aber nichts. Bevor es richtig losging mit dem seriösen Fußball, war ich auch schon wieder draußen. Ich weiß heute gar nicht mehr so genau, warum ich eigentlich meine Fußballschuhe so früh an den Nagel hängte. Ich verlor wohl einfach die Lust.
Meine Eltern lebten lange mit meinen Großeltern in Strickherdicke in einem Haus zusammen, in dem außer ihnen noch mein Onkel mit seiner Frau und meinen beiden Cousins Jan und Timo wohnten. Eine richtige Großfamilie. Strickherdicke war ein Dorf mit nicht mal 1000 Einwohnern zwischen Fröndenberg und Unna. Als ich älter wurde, zogen wir ins sechs Kilometer entfernte Kessebüren. (Da leben meine Eltern heute noch.) In Kessebüren wohnen noch einmal 300 Leute weniger als in Strickherdicke. Diese beiden Ruhrpott-Metropolen waren in jungen Jahren die Eckpfeiler meiner Existenz. War mein Vater unterwegs - und das geschah nicht so selten, denn seine Renn-Karriere führte ihn ja ständig an weit entfernte Ecken auf der Welt -, durfte ich häufiger mal auch zu Oma Ulla und Opa Manni, wenn meine Mutter mich mal aus den Augen ließ. Zu den Ritualen unseres Familienlebens gehörten schon damals ausgiebige Fahrradtouren am Wochenende, allerdings ohne jeden Ehrgeiz. Opa Manni und Oma Ulla waren ziemlich sportlich und zudem einfach gern unterwegs, noch heute cruisen die beiden mit ihrem Wohnmobil durchs ganze Land. Ich hatte damals von meinen Eltern ein Kinderfahrrad bekommen, Marke VETO, das weiß ich noch. Von diesem Fabrikat habe ich danach nie wieder etwas gehört. Wir pflügten an jedem schönen Wochenende im Familienverbund an der Ruhr entlang, Opa Manni vorneweg, manchmal waren auch meine Cousins dabei. Wickede, Aplerbeck, Kamen oder Neheim-Hüsten hießen unsere Ziele - oft überredete ich Opa Manni, ganz zufällig auch an der Eisdiele in Schwerte vorbeizukommen. Ohnehin waren die Pausen unserer Touren die Höhepunkte. Da fand sich immer ein Café auf der Strecke, wo unsere angegriffenen Energiespeicher mit sehr viel Kuchen aufgefüllt wurden.
In der Woche traf ich mich häufig mit Timo und Jan, die zwei und vier Jahre älter als ich waren. Wir haben stundenlang »Radrennen« gespielt, in den bunten Trikots echter Rennställe, die mein Vater uns von seinen Profi-Rennen in Kindergröße mitbrachte. Wir strampelten mit unseren Rädern über die Dorfstraße und scheuchten die wenigen Passanten auf, die sich hier von Zeit zu Zeit sehen ließen. Das Ortsschild diente als Ziel, und da meine beiden Cousins körperlich schon weiter waren als ich, fuhr ich in der Regel als Dritter über die Ziellinie. Mein erster Sieg im Sprint auf der Dorfstraße sollte aber bald folgen - wenn auch der Preis dafür ziemlich hoch war.
Wichtig war, dass wir nicht einfach Jan, Timo und Rick waren, die gegeneinander Rennen fuhren, sondern dass jeder ein berühmter Fahrer aus dem professionellen Radsport sein wollte. Wie kleine Fußballer, die Messi oder Ronaldo nachspielten, wollten wir eben Eddie Merckx, Lance Armstrong oder Jan Ullrich sein, je nach Temperament. Dann traten auf Strickherdickes staubigen Straßen Radsport-Legenden gegeneinander an, kommentiert von uns selbst, die jubelnden Zuschauer dachten wir uns dazu. Wer ich sein wollte, war eigentlich immer klar, denn er war mein Held damals: Mario Cipollini!
Das war eine interessante Wahl, aus gleich zwei Gründen. Mario Cipollini galt zur damaligen Zeit als eine Art Ronaldo des Radsports. Gut aussehend, mit langen Haaren und extravagantem Auftreten, groß und muskulös. Ein Popstar unter den Radprofis, der aus der überwiegend konservativen und braven Masse der Radprofis herausstach. Seine Spitznamen lauteten »König der Löwen« und »Supermario«. Später gab er mal in einem Interview zu Protokoll, dass er morgens beim Ankleiden aus 180 Anzügen, rund 700 Hemden und 400 Paar Schuhen wählen würde. Da versteht man vielleicht ein wenig besser, mit wem man es hier zu tun hatte. Typisch auch das Zitat aus einem Interview mit einer Radsport-Zeitung: »Beim Sprinten muss man eigentlich immer cool bleiben. Ich habe nie Angst. Ich schmiere mir höchstens nur ein bisschen mehr Gel in die Haare.« Na dann.
Andererseits war er Straßenweltmeister geworden, hatte bei den drei großen Landesrundfahrten insgesamt 57 Etappen gewonnen, außerdem den Klassiker Mailand-Sanremo. Er galt zu seiner Zeit als einer der besten Sprinter der Welt. Er konnte es sich erlauben, oft schon zehn Meter vor dem Ziel die Arme in die Luft zu strecken und freihändig die Ziellinie zu überqueren. Auch das gefiel im Radsport nicht jedem. Und hier wird's ein wenig heikel. Sein größter sportlicher Gegenspieler zu dieser Zeit war nämlich niemand anderer als mein Vater. Beide bekämpften sich sportlich auf allerhöchstem Niveau. Abseits der Strecken überließ ihm mein Vater die Bühne. Er war immer ein eher bodenständiger Typ, ein harter Arbeiter, der sich nichts aus PR-Auftritten machte. Cipollini war das genaue Gegenteil. Immer extravagant, Sonnenbrillen im langen Haar,...
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