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Scotland Street Edinburgh
Ich glaube, ich hatte Großmutter mit meiner Musik und meinem endlosen Gerede über Ewan zu viel zugemutet. Immer wieder fielen ihr die Augen zu, und in regelmäßigen Abständen murmelte sie: »Ach herrje.« Mein Freund, besagter Ewan, würde bald in Edinburgh eintreffen, um mich abzuholen, daher wartete ich auf der Veranda, damit Großmutter ihr dringend benötigtes Nickerchen halten konnte.
Als ich ihre faltige Wange küsste, schenkte sie mir ein warmes Lächeln. Ihre Lider wurden bereits schwer. Ich verließ das Haus. In der geräumigen Halle blieb ich einen Moment stehen. Zu Großvaters Lebzeiten war mir das Haus nicht so riesig vorgekommen, aber seit seinem Tod vor drei Jahren schien es auf wundersame Weise immer größer und kälter zu werden. Sooft wie möglich fuhr ich von meinem Elternhaus in unserer Kleinstadt zu meiner Großmutter, um bei ihr zu übernachten. Manchmal verbrachte ich auch das ganze Wochenende dort. Da ich mich bei Großmutter immer mehr zu Hause gefühlt hatte als bei meinen Eltern, ergriff ich jede Gelegenheit, bei ihr zu sein.
Diesmal konnte ich allerdings nicht das ganze Wochenende bleiben, weil Ewans Band heute Abend einen Auftritt hatte, bei dem er mich dabeihaben wollte. Er war der Bassist der Band. Ich freute mich darauf, ihn spielen zu sehen, obwohl ich auf die Mädchen, die laut meiner Freundin Caro nach der Show versuchen würden, sich an ihn ranzumachen, gut verzichten konnte.
Ich schloss die Tür und ging die Treppe hinunter. Vor der Veranda blieb ich stehen, damit Ewan mich sofort sehen konnte. Er war siebzehn, zwei Jahre älter als ich, und hatte gerade seinen Führerschein gemacht. Da er jede Gelegenheit nutzte, um mit seinem kleinen, verbeulten Punto durch die Gegend zu fahren, hatte ich kein schlechtes Gewissen, dass er seinen Hintern bis Edinburgh bewegen musste, um mich abzuholen.
Als ich in meiner Tasche nach meinem Handy und Kopfhörern kramte, um mir die Wartezeit mit Musik zu vertreiben, hörte ich ein Geräusch hinter mir und fuhr überrascht herum.
Im nächsten Moment kreuzte sich mein Blick mit dem eines Jungen.
Er stand auf der Veranda des Nachbarhauses, ein paar Stufen höher als ich, und starrte mich an. Während ich ihn von Kopf bis Fuß musterte, spürte ich, wie mein Herzschlag sich beschleunigte.
Sein rotblondes Haar war einen Tick zu lang und zerzaust, doch es stand ihm, denn . Ich sog zischend den Atem ein und verspürte plötzlich ein nervöses Ziehen im Bauch. Der Junge war eine absolute Wucht! So jemanden wie ihn gab es an meiner Schule nicht. Als er langsam die Verandatreppe hinunterging, konnte ich die erstaunliche hellgrüne Farbe seiner Augen sehen. Es waren Augen, in denen ich mich verlieren konnte, und offensichtlich war ich gerade dabei. Als unser Blickkontakt schließlich abbrach, lag das nur daran, dass er von meinem Haar abgelenkt wurde.
Unsicher strich ich mir eine Strähne hinter das Ohr. Der Junge folgte der Bewegung mit den Augen. Als ich klein war, wurde ich oft wegen meiner Haare gehänselt, doch später heimste ich Komplimente dafür ein. Ich wusste nie, wie die Leute auf mein Haar reagieren würden, aber ich weigerte mich, etwas daran zu verändern. Ich hatte mein Haar von meiner Mum geerbt. Es war so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit mit ihr.
Es fiel mir in weichen Wellen und natürlichen Locken bis zum Po. Nicht fuchsrot, nicht rotblond, eher kastanienbraun, aber mit einer Spur zu viel Rot darin. Wenn die Sonne oder ein Lichtschein auf mein Haar fiel, sagte Großmutter immer, ich sähe aus, als hätte ich einen Heiligenschein.
Der Blick des Jungen heftete sich wieder auf mein Gesicht.
Eine Weile herrschte verlegenes Schweigen, während wir fortfuhren, uns anzustarren, und die Spannung zwischen uns bereitete mir Unbehagen. Um sie zu lösen, senkte ich den Blick zu seinem T-Shirt. Es war ein The-Airborne-Toxic-Event-Shirt, und ich lächelte. TATE war eine meiner Lieblingsbands. »Hast du sie live gesehen?«, fragte ich ein bisschen neidisch.
Der Junge schielte auf sein Shirt hinunter, als hätte er vergessen, was er anhatte. Als er mich wieder ansah, zuckte es um seine Mundwinkel. »Schön wär's.«
Seine Stimme elektrisierte mich, und ich trat unbewusst einen Schritt näher an den schmiedeeisernen Zaun heran, der unsere beiden Veranden trennte. »Ich würde sie zu gerne einmal live erleben.«
Er kam näher, und ich legte den Kopf in den Nacken. Er war sehr groß. Ich maß knapp über eins sechzig, und der Junge überragte mich um fast einen ganzen Kopf. Ich konnte nicht anders und ließ meinen Blick über seine breiten Schultern wandern und an seinen schlanken, muskulösen Armen hinunter zu der großen Hand, die auf dem Gitter lag. Ich bekam Schmetterlinge im Bauch bei der Vorstellung, von ihr berührt zu werden.
Errötend dachte ich an Ewan und mich letzte Woche, nur dass in meiner Phantasie plötzlich dieser Junge an Ewans Stelle war. Schuldbewusst kaute ich auf meinen Lippen herum, als ich wieder zu ihm aufblickte.
Er schien nicht zu merken, dass meine Gedanken gerade in andere Regionen abgedriftet waren. »Bist du ein TATE-Fan?«
Ich nickte; mit einem Mal fühlte ich mich diesem Fremden gegenüber, der eine so starke Reaktion in mir ausgelöst hatte, gehemmt.
»Das ist meine absolute Lieblingsband.« Er grinste. Sofort wollte ich wissen, wie er wohl aussah, wenn er lachte.
»Meine auch. Unter anderen.«
»Echt?« Er beugte sich näher zu mir. Seine Augen forschten in meinem Gesicht, als wäre ich das Interessanteste, was er je gesehen hatte. »Welche Bands findest du denn sonst noch gut?«
Der Nervenkitzel, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben, vertrieb den für mich untypischen Anflug von Schüchternheit, und ich rasselte die Namen aller Bands herunter, die ich in der letzten Zeit häufiger gehört hatte.
Als mir keine mehr einfiel, belohnte er mich mit einem Lächeln, und dieses Lächeln verschlug mir den Atem. Es lud zum Flirten ein, war aber zugleich hinreißend jungenhaft und ungemein gewinnend. Ein absolut unwiderstehliches Lächeln.
Ich seufzte und lehnte mich mehr über den Zaun.
»Wie heißt du?« Seine Stimme klang leise, weil wir jetzt so dicht beieinanderstanden, dass wir flüstern konnten. Ich spürte fast die Hitze, die er ausstrahlte, und diese intime Nähe bewirkte, dass ich mir meines eigenen Körpers ebenso stark bewusst war. Wieder errötete ich innerlich und dankte meinem Schöpfer dafür, nicht zu den typischen Rothaarigen zu gehören, denen beim kleinsten Anlass das Blut in die Wangen stieg.
»Shannon«, erwiderte ich. Die Luft zwischen uns knisterte förmlich. Ich wollte diesen Bann nicht brechen, indem ich zu laut sprach. »Und du?«
»Cole«, sagte er. »Cole Walker.«
Ich musste unwillkürlich lächeln. Der Name passte perfekt zu ihm. »Das klingt wie ein Held.«
Cole grinste. »Ein Held?«
»Yeah. Als wenn wir eine Zombieapokalypse hätten. Der Held, der versucht, die Menschheit zu retten, würde Cole Walker heißen.«
Sein Kichern und die Art, wie seine Augen belustigt flackerten, ließen eine wohlige Wärme durch meine Glieder strömen. »Zombieapokalypse?«
»Es könnte doch dazu kommen«, beharrte ich, weil ich keine Eventualitäten im Leben ausschließen wollte.
»Du scheinst dir deswegen keine großen Sorgen zu machen.«
Das lag daran, dass ich keinen Grund dazu sah. Ich zuckte die Achseln. »Ich habe einfach nie kapiert, warum Leute Angst vor Zombies haben. Sie bewegen sich im Schneckentempo und sind hirntot.«
Cole feixte. »Zwei gute Argumente.«
Ich lächelte. »Bist du denn ein Held, Cole Walker?«
Er kratzte sich am Kinn und blickte in die Ferne. »Was ist eigentlich ein Held?«
Überrascht sah ich ihn an. Mit einer so grundsätzlichen Frage hatte ich nicht gerechnet. »Jemand, der Menschen rettet, schätze ich.«
Sein Blick kehrte zu mir zurück. »Ja, vermutlich.«
Um die Stimmung etwas aufzulockern, bedachte ich ihn mit einem aufreizenden Lächeln. »Und? Rettest du Menschen?«
Cole lachte. »Ich bin erst fünfzehn. Lass mir noch ein bisschen Zeit.«
Demnach waren wir gleichaltrig. Das hätte ich nicht gedacht. Er hätte glatt für achtzehn durchgehen können. »Für fünfzehn bist du ganz schön groß.«
Seine Augen wanderten über mich hinweg. Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. »Dir müssen viele Leute groß vorkommen.«
»Findest du mich etwa klein?«
»Willst du behaupten, du wärst nicht klein?«
Ich rümpfte die Nase. »Ich mache mir in diesem Punkt nichts vor. Es ist nur nicht besonders höflich, jemanden darauf aufmerksam zu machen. Du kannst schließlich nicht wissen, ob ich die ganze Welt hasse, weil ich größenmäßig benachteiligt bin.«
»Vielleicht hasse ich die ganze Welt, weil ich so groß bin.«
Ich warf ihm einen Blick zu, der so viel sagte wie wer's glaubt, und er brach in schallendes Gelächter aus.
»Okay, ich finde es nicht schlimm, so groß zu sein. Aber du solltest dich über deine Größe nicht ärgern.«
»Tue ich ja gar nicht«, versicherte ich ihm eifrig. »Ich wollte nur auf etwas hinweisen.«
»Überflüssigerweise.«
Ich kicherte, als ich über unser bizarres Gespräch nachdachte. »Yeah.«
Cole lächelte, und die Art, wie er mich ansah, löste erneut Hitze in mir aus. »Ich bezweifle, dass jemand auf deine...
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