Schweitzer Fachinformationen
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Manchmal sind die Menschen, denen man vertraut, diejenigen, vor denen man Angst haben sollte ...
Seit dem plötzlichen Tod ihres Sohnes vor drei Monaten träumt die Journalistin Charlotte Cates nachts von Kindern, die sie um Hilfe anflehen. Sie glaubt, langsam den Verstand zu verlieren. Da wird ihr ein Buchprojekt über den ungelösten Fall des jungen Gabriel Deveau angeboten. Gabriel, Erbe eines wohlhabenden Südstaaten-Clans, wurde als Kleinkind entführt und wird seitdem vermisst. Charlie erkennt in ihm den Jungen aus ihren Träumen wieder. Kurzentschlossen nimmt sie den Auftrag an und reist nach Louisiana, um mehr über Gabriel herauszufinden. Doch sie ahnt nicht, welch dunkle Geheimnisse sich hinter der prächtigen Fassade des Anwesens der Familie Deveau verbergen.
Der Roman erschien im Original unter dem Titel The Gates of Evangeline .
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
Der Himmel ist von einem tristen Grau, als ich endlich den Autositz meines Sohnes ausbaue. Es regnet, ein kalter Herbstregen. Was mir für einen Moment, den ich mehr als drei Monate lang hinausgeschoben habe, sowohl klischeehaft als auch angemessen vorkommt. Ich stehe neben meinem Prius, spähe durch das Rückfenster auf den leeren Kindersitz und wundere mich zum hundertsten Mal über die dünne Schicht Sand, die Keegan erstaunlicherweise immer wieder hinterließ. Und dann tue ich es.
Ich erlaube mir nicht, darüber nachzudenken, arbeite schnell und effizient. Löse die Riemen. Fahre zwischen die Polster des Rücksitzes und öffne die Metallschnallen. Ein Ruck, und der Autositz landet mit einem Bums in der Einfahrt.
Es nimmt nie ein Ende, immer wieder gibt es etwas, mit dem man sich aufs Neue verabschiedet. Ich drehe mein Gesicht in den Nieselregen.
Der Sommer ist fort, er hat sich davongestohlen, ohne dass ich es bemerkt habe, und plötzlich ist der Oktober da und protzt mit seinen grellen Rot- und Gelbtönen. Mit zusammengekniffenen Augen betrachte ich die Nachbarhäuser mit ihren vorbildlichen Vorgärten: gestutzte Rasenflächen, Beete mit gewässerten Chrysanthemen, ein Paar Kürbisse vor den Türen. Und Laub natürlich, überall, leuchtend und glänzend. Es klebt auf der glatten Straße und verstopft die Rinnsteine.
Ich lege die Hand an meine Tasche, taste nach den Schlüsseln und der Brieftasche. Blinzle. Versuche mich zu erinnern, was ich hier tue und wo ich hinwollte. Versuche nicht an den Kindersitz zu denken, der hinter mir in der Einfahrt liegt.
Ich atme tief ein, feuchte Erde und fauliges Laub. Es ist Sonntag, rufe ich mir ins Gedächtnis. Ich wollte Grandma besuchen. Ich steige auf den Fahrersitz und starte den Motor, doch alles fühlt sich falsch an. Ich gebe mir einen Moment Zeit, warte, ob die Unruhe vorbeigeht, bevor ich mir eingestehe, dass ich diesen Kampf verloren habe. Mit der gähnenden Leere dort auf dem Rücksitz kann ich nicht herumfahren. Nicht heute.
Kleine Schritte. Eins nach dem anderen.
Ich springe aus dem Wagen und laufe zur Garage. Hole mein Fahrrad. Es ist Sonntag, und ich werde Grandma besuchen. Ich werde mich an den Plan halten. Ich werde mich zusammenreißen.
Atme, befehle ich mir. Atme.
»Guter Gott, Charlotte, du bist ja völlig durchnässt.« Meine Großmutter, die in der Tür ihrer bescheidenen Wohnung steht, sieht so entsetzt aus, wie ich es gar nicht von ihr kenne.
»Ich bin mit dem Fahrrad gefahren.«
Früher einmal wäre Grandma böse geworden, wenn ich im Regen herumlaufe und riskiere, krank zu werden. Doch das Leben ist schon lange nicht mehr normal. Die Granitaugen meiner Großmutter zeigen Sorge, sogar Mitgefühl, als mich ihre knotige Hand hereinwinkt. Tropfend trete ich in den Flur. Nasse Haarsträhnen kleben mir an der Stirn und am Hals.
Ohne etwas zu sagen zieht mir Grandma die Jacke aus. Ich kann spüren, wie sie mich beobachtet, abschätzend, wie sie ihre eigene Traurigkeit beiseiteschiebt, um Platz zu machen für meine. Es ist ein Blick, den ich mit vierzehn Jahren das erste Mal gesehen habe, damals, als mein Vater starb und sie mich aufnahm. Und nun - unglückseligerweise - in den letzten Monaten wieder.
»Irgendwo habe ich einen Bademantel«, sagt Grandma. »Möchtest du etwas trinken? Was Heißes?«
Wir beide zeigen nicht gern unsere Gefühle. Wir sind stoische Neuengländer, die, wie mein Exmann es sarkastisch ausdrückte, immer »die angemessene Yankee-Distanz« halten. Gefühle sind in der Familie Cates etwas noch Privateres als Politik oder Religion. Heißer Tee, ein Becher Kakao - das ist die Art von Wärme, die meine Großmutter anzubieten hat.
»Mir geht es gut, Grandma. Ich möchte mich nur setzen.« Dass es mir »gut« geht, ist natürlich eine schamlose Lüge. Mein Gesicht erzählt die ganze Geschichte: gesprungene Lippen; von plötzlichen Weinanfällen geschwollene Augenlider; bleiche, fahle Haut, weil ich den ganzen Sommer die Sonne gemieden habe.
Es ist offensichtlich, dass es mir nicht gut geht, doch Grandma sagt nichts. Sie legt eine Hand auf meine Schulter und schiebt mich sanft ins Wohnzimmer. Auf dem alten knarrenden Schaukelstuhl nehme ich meinen gewohnten Posten ein, während sie auf einem Holzstuhl mit hoher Lehne Platz nimmt. Meine Großmutter war früher eine schöne Frau, und obwohl sie mit dem Alter weniger eitel geworden ist, ist sie immer noch stolz auf ihre gute Haltung.
Das Wohnzimmer ist so tadellos aufgeräumt wie eh und je. Grandma hasst Nippes. In ihren Bücherregalen befinden sich vor allem Sach- und Fachbücher, doch auf dem untersten Brett stehen ihre liebsten Laster: einige Stephen-King-Romane, das Cold-Crimes-Magazin (das erste, für das ich regelmäßig geschrieben habe) und alte Ausgaben von Sophisticate, aus der Zeit, bevor ich befördert wurde und noch zur Redaktion gehörte. Grandma ist nach wie vor eine treue Leserin von Sophisticate, obwohl sie für Artikel wie »Alles, was Sie über Eheverträge wissen müssen« und »So machen Sie Ihr Kind fit für die Ivy League« nicht gerade die Zielgruppe ist.
Während in meinem Zuhause das organisierte Chaos herrscht, ist Grandma zwanghaft ordentlich. Selbst mein Sohn hatte das schon verstanden und ordnete vor jedem unserer sonntäglichen Besuche brav seine Bücher, Spiele und Malutensilien.
»Du musstest nicht kommen, Charlie«, murmelt Grandma. »Ich weiß, es ist Sonntag, aber das war nicht nötig.«
»Wie soll ich dich denn sonst sehen?« Für eine Frau ihres Alters kommt meine Großmutter zwar viel herum, doch sie fährt nicht länger Auto, und es wäre ein wenig viel verlangt zu erwarten, dass sie den Bus nimmt. »Außerdem tut es mir wahrscheinlich gut, mal rauszukommen.«
»Hast du dein Fahrrad draußen gelassen?«, fragt sie. »Es könnte rosten.«
Ich zucke mit den Achseln. »Es hat Eric gehört.«
Bei der Erwähnung meines Exmannes werden die Augen meiner Großmutter schmal. »Hat er dich angerufen? Nur mal, um sich zu erkundigen, wie es dir geht?«
Ihre Stimme ist giftig. Sie hasst Eric mit einer Leidenschaft, die ich für seine Hipster-Brille und die immer größer werdenden Geheimratsecken nicht länger aufbringen kann. Der Sperminator nennt ihn meine Freundin Rae seit der Scheidung, womit sein einziger bleibender Beitrag zu meinem Leben ziemlich gut zusammengefasst ist.
»Es gibt nichts, das Eric und ich zu besprechen hätten«, sage ich. »Ich habe ihm gesagt, er soll nicht anrufen.« Melissa, seine neue Frau, erwähne ich nicht, doch meine Großmutter kann sich nicht zurückhalten.
»Ich werde nie verstehen, was er in dieser Frau sieht.«
Meine Freunde haben nach der Beerdigung ganz ähnliche Kommentare abgegeben. Sie alle wussten, dass sie »die andere Frau« war. Ich nehme an, sie hatten mehr erwartet: gutes Aussehen, dicker Busen, Animal-Prints, die Art von trashy, auf die Eric verlässlich anspringt. Doch Melissa war eher unauffällig, ebenso wie Eric.
»Eigentlich hat er dir einen Gefallen getan«, erklärt meine Großmutter. »Man verschwendet keinen Kaviar an einen Mann, der Wiener Würstchen will. Sie ist genau das, was er verdient.«
Meine ganze Familie war empört, als Eric zur Beerdigung unseres Sohnes mit Melissa im Schlepptau erschien. Er muss es ihr wohl unbedingt unter die Nase reiben, hörte ich dabei Tante Suzie sagen, und vielleicht war es ja auch tatsächlich so. Vielleicht hatte Eric auf irgendeine kindische Art etwas zu beweisen. Die Frau war mir egal. Ich war nur wütend, dass er überhaupt gekommen war. Seitdem er und Melissa nach Chicago gezogen waren, hatte er Keegan nur einmal besucht. Was für ein Recht hatte er danach noch auf väterliche Trauer?
Und trotzdem tröstete ihn Melissa. Hielt ihn, als hätte er einen Verlust erlitten. Nein, wollte ich ihnen beiden zurufen, das ist mein Sohn.
»Sie arbeitet im Abfallmanagement«, informiere ich Grandma, weil ich plötzlich Trost brauche, und sei er noch so billig.
»Das erklärt, warum sie Eric mag«, murmelt meine Grandma.
Gerade so bekomme ich ein wackliges Lächeln hin. Wir sind Yankees. Auf diese Weise zeigt sie mir ihre Liebe.
Die zwei Stunden bei meiner Großmutter zu Hause haben - mehr oder weniger - die beabsichtigte Wirkung. Als sie versteht, dass ich nicht reden möchte, füllt sie die Stille. Sie erzählt mir von dem kleinen Brand, den ihr ältlicher, ein bisschen seniler Nachbar verursacht hat. Sie kommentiert einen Artikel, der kürzlich in Sophisticate erschienen ist, eine Hintergrundrecherche zu Botox, über die sie sich aufgeregt hat. Alles fühlt sich vertraut an. Nicht richtig normal, aber vertraut. Ein Leben, das ich vage als meines erkenne.
Ich raffe mich auf, bereite mich schon auf die Rückkehr in mein leeres, stilles Haus vor, als Grandma fragt: »Kann ich irgendetwas für dich tun?« So offen ist sie noch nie auf die Tatsache, dass eine Tragödie geschehen ist, zu sprechen gekommen, und mir schnürt sich die Kehle zu. Ich schlucke und schüttle den Kopf. Es gibt nichts, das sie oder irgendjemand sonst tun könnte.
»Ich wollte dich fragen .« Sie richtet sich auf, und ich kann sehen, wie sie sich wappnet, weil es ihr unangenehm ist. »Die Kirche gegenüber sammelt Spenden. Sie suchen nach Kindersachen, und ich habe ja noch das ganze Spielzeug hier .«
Natürlich ist diese Bitte nur vernünftig, dennoch sträubt sich alles in mir....
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