Schweitzer Fachinformationen
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Auf dieser großen Welt mit den beiden Polen, mit dem Äquator, mit den fünf großen Erdteilen, die bekanntlich nur ein Viertel der Erdoberfläche ausmachen, während der Rest ständig von Wasser bedeckt ist, in den Ackerkrumen des nahen Felds, an einem belanglosen Punkt zwischen diesen Hügeln, hier an diesem Ackerrain, im Schatten des alten Johannisbrotbaums, eines der wenigen, die, obwohl staubgepeitscht, kugelrund geblieben sind, während all seine Artgenossen neu gepflanzt wurden und erst vor kurzem behutsam in der klumpigen Erde Fuß gefaßt haben, noch mit der Mulde ringsum, in der man das zarte Pflänzchen einmal, vielleicht auch zweimal bewässert hat, für mehr reichte das Wasser nicht, das man auch noch vom Fuß des Hügels herschleppen muß, nachdem man es mit Seil und Eimer aus dem unergründlich tiefen Brunnen dort geschöpft hat, in dem es trotz seiner geheimnisvollen Tiefe vor emsigen Egeln wimmelt und wuselt, dreckig und eklig, wie sie nun mal sind, so daß man das Wasser nicht trinken kann, ohne es vorher durch ein Stück Gaze zu seihen, in der immer so abgründig schleimige, grüne Lappen zurückbleiben, völlig kraftlos, vielleicht wie ein an Land geworfener Fisch, an diesem Feldstück also, das nicht mehr als ein paar Dunam mißt, an der Grenze zwischen dem eben frisch gepflügten und dem seit Urzeiten harten Boden saß vorerst still dieser kleine Junge, dem sein Vater aufgetragen hatte, noch ein bißchen dort zu bleiben, bis er die letzten ein, zwei Furchen beendet haben würde, wobei er im Gehen mit aller Kraft die Griffe des eisernen Pflugs niederdrückt, der sich ebenso schwertut wie Maultier und Mensch, ohne recht zu entscheiden, ob es schwer ist, weil die hartgebrannte Kruste dieser unnachgiebigen Erde schon Tausende Jahre nicht angerührt wurde, wenn überhaupt je, weil kein Mensch sie angetastet, weder ihre Unschuld befleckt noch sie schnuppernd befühlt hat, oder schwer, weil der Maulesel die kalte Schulter zeigt, nicht Partner des Beschlusses ist, hier ein Feld anzulegen, aber es gibt keinen Grund und Boden, den man als der Mühe nicht wert ablehnen dürfte, nachdem diese zweitausend Dunam endlich nach zähem Ringen von der Anglo-Palestine Company erworben worden sind und nun der Versuch unternommen wird, hier eine Farm zu gründen, als weiteren Schritt zur «Eroberung der hebräischen Arbeit», unter großen Schwierigkeiten geht das vonstatten, und Vater muß nur noch das rechteckige Stück fertigpflügen zur endgültigen Bestätigung des Besitzrechts am Boden, die Furche als letzte Unterschrift unter die Eigentumsurkunde, nach all der Plackerei mit den türkischen Beamten und der Knauserei der zionistischen Stellen, die wirklich keinen einzigen Bischlik übrig haben, und nach der Rennerei der Käufer, Makler, Schatzmeister und des Hapoel Hazair und wessen nicht sonst noch alles wird hier nun der erste Pflock in den Boden gerammt, wie es so schön heißt, erlöst man jetzt tatkräftig noch einen Streifen Land, der sich vorerst nicht abhebt, kaum zu unterscheiden ist von all dem unendlichen Flachland, das da der trägen Hitze ausgeliefert liegt und sich leicht gewellt und abflachend bis zu jenen Hügeln erstreckt, und plötzlich doch etwas, da beginnt etwas, das die Weltordnung verändert - trotz allem.
So klitzeklein ist er auf der Welt, daß man ohne besondere Aufmerksamkeit leicht ihn und seine Winzigkeit übersieht, den winzigen Raum, den er auf der Welt ausfüllt, ignoriert - lächerlich überhaupt, von ihm und der Welt in einem Atemzug zu reden -, leicht und gleichgültig den Blick weiterschweifen läßt, ohne daß er irgendwo hängenbliebe, weil es wirklich nichts gibt, an dem man hängenbleiben könnte, gewiß nicht an seiner Nichtigkeit, und in der Tat gleitet der Blick sofort weiter, verharrt nicht einmal bei dem eben unter den Pflug genommenen Feld, das ebenfalls keinen Anhaltspunkt bietet, nichts darstellt als so etwas wie ein nichtiges Fältchen am Hang eines felsigen Hügels mit nichtigen Sträuchern hier und da, von denen nicht sicher ist, was sie sind oder wie sie heißen, ob man sie überhaupt jemals benannt hat, dazu die eher zu vermutende als greifbare Existenz eines Wadis da am Fuß des Hangs, bevor dieser die Richtung wechselt und sich den nächsten Hügel hinaufzieht, nur leicht geneigt, ohne den Blick aufzuhalten, einfach langsam ansteigt im staubigen Mittagslicht, während ein winziges, kaum merkliches Lüftchen geht, und wer nicht wissen muß, daß er dort im Schatten des verstaubten Johannisbrotbaums sitzt, des einzigen ausgewachsenen, alten Vertreters seiner Art, würde über ihn hinwegtreten wie über die Hunderte Setzlinge, die man fast nicht sieht und die kaum von den zahlreich verstreuten Mesquitebäumchen zu unterscheiden sind, derart verstaubt, daß man sie unwissend für etwas stämmig geratene kleine Akazien halten könnte, während er dort mit untergeschlagenen Beinchen sitzt, ganz in Weiß, Hemd, Hose und Hut aus Leinwand, alles von Mutter genäht, die vor niemandem damit prahlten konnte, denn außer ihr gibt es hier nur noch eine andere Frau, und die steckt den ganzen Tag unter einem riesigen Strohhut, müht sich im Gemüsegarten, meint stur, auch ohne Wasser würden ihr Tomaten und Gurken und Mais sprießen, unendliches Auflockern des Bodens könne die Rolle des Wassers übernehmen, unbeirrt durch die verzweifelten Reden anderer Kolonisten, daß ohne Wasser hier nichts wachsen wird, und wenn sie ihren Teint unter Kopftuch und Strohhut vor der Sonne gerettet haben mag, so gilt das nicht für die Haut ihrer Hände, die sie gar nicht zu schützen versucht hat, weder vor Schwielen noch vor Rauheit, und auch ihren Rücken hat sie nicht geschont, doch aus des Kleinen Hemdsärmeln und Hosenbeinen kann nichts hervorlugen als dünne, zerbrechliche Bleistiftfinger und winzige Zehen, bloße Puppenfüßchen und stöbernde kleine Hände.
Und in denen hält er nun einen Holzspan, der glatte Streifen auf der warmen Ackerkrume zieht, in diesen Puppenhändchen, die aus dem Hemd ragen, das Mutter so eng nach Maß nähen mag, wie sie will, es wird doch immer zu weit für ihn sein, wie eine große Höhle für eine kleine Maus, und so muß Vater jetzt mehr als ab und zu mal hinhorchen, um sicherzugehen, daß er noch da ist, noch nicht weint, auch nicht etwa in dem leichten Luftzug weggeweht ist, mitsamt den dünnen Beinchen und den bloßen Puppenfüßen auf den mittäglich warmen Ackerschollen, und weder Durst noch Hunger hat, obwohl dieser Junge noch nie hungrig gewesen ist und alle Lebensmittel, die Mutter mit ihrer ganzen Einfallsgabe, Klugheit und Findigkeit auf dem von selbstgesammelten trockenen Reisern und Disteln genährten Herd zubereitet, nie eine kau- oder löffelbare Speise ergeben haben, die dem Kind irgendwelche Eßlust gemacht hätte, und gewiß nicht ohne eine Geschichte, bei der er, auch wenn er sie zum hundertsten Mal hört, selbstvergessen den Mund aufsperrt, um etwas hineingestopft zu bekommen, das er aber längst noch nicht schluckt, wobei auch die mehr oder weniger ärgerliche Aufforderung, nun iß doch, schluck's endlich runter, nichts fruchtet, während Vater nun seine ganze Aufmerksamkeit auf die Griffe des Pfluges richtet, die man mit Macht hinunterdrücken muß, damit der Eisenpflug nicht nur oberflächlich hinwegkratzt über diese hartgebrannte alte Erdkrume, die widerspenstig ist vor lauter Nichtnutzung, gut ein paar tausend Jahre lang, genau wie dieser verfluchte Maulesel, der von sich aus bis ans Ende aller Tage so weitertrotten oder aber in eben diesem Moment stehenbleiben und bis ans Ende aller Tage nichts tun könnte, wenn du ihn nur läßt, und wenn man es recht betrachtet, ist das die Natur aller Dinge auf der Welt, wenn du sie nur läßt, auch dieser Abhang und jene Anhöhe würden bis in alle Zeiten so bleiben, wie sie von Urzeiten an gewesen sind, wenn der Mensch sich nicht ganz und gar gegen sie ins Zeug legte, Gegenmaßnahmen einleitete, und erst recht der neue Jude im neuen Land.
Keinerlei Gewicht hat ein Kind, das so dasitzt am Rand einer Furche, die sein Vater soeben zieht, genausowenig wie eine flinke Eidechse oder eine durch die Tageshitze schwirrende Fliege oder eine Biene oder eine Hornisse, und nur ein einziges, verschwommenes, gleichbleibendes Gebrummel breitet sich von oben über alles und erfüllt auch sein ganzes Inneres, alles ein großes Gleiches ringsum, und die Welt schert sich nicht darum, etwas über sie alle zu erfahren, und sie alle scheren sich nicht um ein Wissen über die Welt, scheinbar einer im andern und doch gewissermaßen einer außerhalb des andern, als sei er alles, was überhaupt existiert, und doch auch nichts von alldem, und was bleibt dann? Es bleibt, daß da ein Kind ist und ein heißer Tag und eine Biene oder Fliege oder Hornisse, und Vater ist da, der ein Feld pflügt, und ein Feld, das nach und nach umgepflügt wird und so bewirkt, daß ein solches gepflügtes Feld auf der Welt existiert, die nicht gewußt hat, daß derart viel möglich ist, wie das eben jetzt tatsächlich geschieht.
Kann er schon ein paar Sätze sprechen? Nur sind sie seiner Mutter immer verständlicher als jedem andern, obwohl er bereits zwei Jahre alt ist, wenn nicht doch etwas weniger, denn jetzt ist erst das Ende des Monats Tammus, und was weiß er schon, wo er noch kein bewußtes Erleben im Gedächtnis verankert hat und alles offenbar nur aus den Geschichten hinterher stammt, aus teils nur wenig und teils viel späteren Geschichten, aber wohl nichts aufgrund der konkreten Dinge, deren Geschehensablauf man mitbekommt, denn was konnte er schon von den Ereignissen wissen und behalten, selbst wenn sie seinen Körper betrafen, bis hin zum Schmerz, zu unerträglichem Schmerz, nein sie stammten wohl auch dann aus den Geschichten, die zu Familienlegenden wurden, obwohl er irgendwas damals doch gewußt...
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