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Ein Café in Tokio, Kaffeeduft und große Gefühle in kleinen Gesten
Kaum betritt man den kleinen Laden in der Seitenstraße des belebten Tokioter Stadtviertels Yanaka, umfängt einen das herrliche Aroma frisch gebrühten Kaffees. Das Café Torunka wird seit zwanzig Jahren von einem begeisterten Cafébesitzer betrieben, zusammen mit seiner Tochter und dem jungen schweigsamen Shuichi, der dort aushilft. Seit einiger Zeit kommt sonntags immer eine Frau ins Café, Chinatsu, die sich in rätselhafte Geschichten hüllt, und die stets eine kleine Balletttänzerin aus ihrer Serviette faltet und zurücklässt. Sie behauptet, Shuichi von früher zu kennen, doch dieser kann sich keinen Reim auf sie machen. Erst als er beginnt, sie nach ihrem Besuch ein Stück zu begleiten, öffnet sie sich ihm wirklich - und ihre gemeinsamen Erinnerungen lassen eine neue Freundschaft entstehen .
Der neue Roman des internationalen Bestsellerautors Satoshi Yagisawa versammelt bittersüße, herzerwärmende Geschichten um Liebe und Verlust rund um das Café Torunka und die besonderen Menschen, die sich hier begegnen.
Ich war zum ersten Mal seit dreißig Jahren wieder hier im Café.
Das ist vielleicht nicht ganz richtig, denn das Café von damals war es nicht mehr. Als ich noch häufig hier in der Gegend unterwegs war, hatte es das Café Nomura gegeben, dessen bucklige Betreiberin sicher damals schon über achtzig war.
Im Sommer, um der brutalen Hitze Herr zu werden, war die mit Staub bedeckte Klimaanlage derart auf Hochtouren gelaufen, dass sie laut ächzte und mir trotzdem allein beim Sitzen der Schweiß auf dem Rücken perlte. Im Winter stand zwar ein leuchtend rot brennender Ölofen in einer Ecke, doch die erbarmungslose Zugluft hatte mir zunehmend die Geduld geraubt.
An diesem Ort, am Ende der kleinen Gasse, die von der Einkaufsstraße abging, gab es nun ein Café mit dem eigenartigen Namen Torunka. Dort spielte man Chopin und nicht mehr Hall & Oates. Und die alte Dame war natürlich auch nicht mehr da. Bei dem neuen Betreiber handelte es sich um einen Mann mit einem strengen Gesicht, den ich auf Mitte vierzig schätzte.
Ich war zwar nicht unbedingt enttäuscht, aber ein Gefühl von Melancholie ergriff mich.
Wie viele unwiederbringliche Monate und Tage waren seitdem schließlich vergangen. Eigentlich war es überraschend, dass es hier immer noch ein Café gab. Schließlich waren Gäste im Nomura damals so rar gewesen, dass ich jeden Tag erwartet hatte, vor verschlossenen Türen zu stehen. Dass dort zu jeder Zeit gähnende Leere geherrscht hatte und ich mir keine Sorgen machen musste, dass sich jemand beschwerte, egal, wie lange ich blieb, war der Hauptgrund dafür gewesen, dass ich dort so gerne hingegangen war.
Und trotzdem hatte ich mich dabei ertappt, vor meinem Besuch insgeheim zu hoffen, dass sich zumindest hier seitdem nichts verändert hatte. Dass mit einem Besuch auf einmal alles wieder so war wie damals, als wäre seitdem nichts geschehen. Wenn ich durch die Tür trat, würde sich Frau Nomura nach vorne beugen, mich mit einem »Nur herein, willkommen!« empfangen, jedes Anzeichen anderer Gäste würde fehlen, und ich würde mich, wie von ihr angezogen, direkt in meine dunkle, fast schon trostlose, im Sommer drückend heiße, im Winter beißend kalte Ecke am Ende des Cafés begeben und dort am Vierertisch Platz nehmen.
Als hätte man mithilfe von Magie an diesem Ort die Zeit angehalten, und ich würde feststellen, dass ich dort eigentlich nur seit Jahren friedlich geschlummert hatte.
Und natürlich würde Sanae auf mich warten. Das blühende Leben, taufrisch wie damals. Auch ich würde einfach meinen unansehnlichen dickeren, trägeren Körper abwerfen und zu meinem früheren Ich zurückkehren. Jung, draufgängerisch, noch ohne die Angst zu kennen, etwas zu verlieren.
Hach.
Ich saß auf einem der Hocker am Tresen des Torunka und schüttelte den Kopf, um mir meine kindischen Hirngespinste auszutreiben. Der Kaffee in der weißen Porzellantasse, die man vor mich hingestellt hatte, war bereits kalt. Als ich hineinlugte, sah ich meine verschwommene Reflexion auf der Oberfläche der schwarzen Flüssigkeit. Ich trank den Rest in einem Zug, um nicht länger damit konfrontiert zu sein.
»Darf ich Ihnen nachfüllen?«, ertönte plötzlich eine Stimme aus der Küche.
Der Inhaber. Ich hatte das Café in jüngster Zeit beinahe jeden Tag besucht, doch ich hörte ihn zum ersten Mal sprechen.
»Als kleine Geste des Dankes für Ihren Besuch in den vergangenen Tagen geht das natürlich aufs Haus.«
Ich blickte zu dem Mann auf, der auf der anderen Seite des Tresens stand. Er sah in meine Richtung und ein Lächeln, frei von jeder Bosheit, zierte sein sonst so ernstes Gesicht. Das ließ ihn überraschend kindlich wirken. Er war schlank, aber gut gebaut, mit einem dunklen Teint, und vermittelte mit seinem gestärkten weißen Oberhemd, über dem er immer eine schwarze Schürze trug, den Eindruck von Klasse und Gepflegtheit.
Wie er wohl innerlich über einen verbraucht wirkenden Mann jenseits der fünfzig dachte, der jeden Mittag für eine Tasse Kaffee aufkreuzte und ewig blieb? Doch halt - warum machte ich mir auf einmal über so etwas Gedanken?
». warum nicht.«
»In Ordnung. Die Hausmischung?«
»Ja«, nickte ich und als er sich an die Zubereitung des Kaffees machte, war seine ernste Miene auf einmal zurückgekehrt.
Das Café war klein. Noch dazu lag es ein ganzes Stück abseits der Einkaufsstraße, am Ende einer schmalen Gasse, und war auf beiden Seiten von Wohnhäusern umgeben - sicher fand es kaum jemand. Die Kundschaft - so hatte ich in den vergangenen Tagen beobachtet - bestand überwiegend aus älteren Leuten aus der Nachbarschaft. Doch die sorgfältigen Bewegungen und der strenge Blick des Mannes ließen mehr als deutlich erkennen, dass er seine Arbeit ernst nahm und stolz darauf war.
»Mmh .«
Während ich ihn beobachtete, setzte ich zum ersten Mal seit langer Zeit fast unbewusst zum Sprechen an.
»Ja?«
»Wie lange gibt es dieses Café denn schon?«
Der Inhaber, mit dem silbern glänzenden Kännchen in der Hand, würdigte mich nicht eines Blickes, während er den gemahlenen Kaffee im Filter in kreisförmigen Bewegungen mit Wasser übergoss. Schließlich, als ob die Bohnen seinen Wünschen folgten, stiegen sie unter üppigem Schaum empor.
»Lassen Sie mich kurz überlegen. Bald schon über zwanzig Jahre, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Zwanzig Jahre .«
»Ja. Früher war hier ein anderes Café. Es hatte einem Pärchen gehört, doch nachdem der Mann verstorben war, hat seine Frau es alleine weitergeführt. Sie war allerdings schon etwas älter und war schließlich gezwungen, das Café zu schließen. Ich hatte die beiden schon länger gekannt und als ich davon erfuhr, hat sie es mir netterweise verkauft.«
»Und was ist mit ihr passiert?«
»Sie hat weiter hier in der Nachbarschaft gewohnt, ist aber leider auch vor etwa zwölf Jahren von uns gegangen.«
»Verstehe .«
Ich stieß einen kleinen Seufzer aus. Doch das war eben der Lauf der Zeit.
»Sind Sie ein Bekannter von Frau Nomura?«
»Bekannter kann man nicht sagen, denke ich. Aber vor langer Zeit bin ich oft in ihr Café gekommen.«
Mir fiel auf, dass ich nicht ein Mal mit ihr über persönliche Themen gesprochen hatte. Nur herein, willkommen. Hier ist ihr Kaffee. Vielen Dank für Ihre Treue. Viel mehr hatte sie nie gesagt und ich selbst hatte mir überwiegend mit stummem Nicken beholfen.
»Ah, Sie sind also ein ehemaliger Stammkunde.« Seine Reaktion fiel anders aus, als ich erwartet hatte. »Wenn ich Sie in ein kleines Geheimnis einweihen darf - das Café mag von außen anders aussehen, aber das Interieur habe ich komplett von ihr übernehmen dürfen. Ich habe nämlich auch sehr an der Atmosphäre des Cafés Nomura gehangen.«
»Kein Wunder, dass es sich noch wie damals anfühlt.«
Ich ließ ein zweites Mal den Blick durch das Café schweifen. Die hellbraun glänzenden Holzstühle vor den Tischen, die unauffällige Ziegelwand, die schnörkellosen Lampen, die von der Decke hingen, und das pinkfarbene Münztelefon vor der Toilette. Genau wie ich waren sie alle in die Jahre gekommen, aber tatsächlich noch Relikte jener Zeit.
Allerdings war das Torunka um Welten einladender und hatte nichts mehr von der etwas schummrigen Atmosphäre, die seinen Vorgänger so einzigartig gemacht hatte. Das Café Nomura war ein vom Wind aufgetürmter Laubhaufen gewesen, durch das Torunka blies er hindurch. Anders konnte ich es nicht beschreiben.
»Wie schön, dass Sie hier sind. Dass ich noch einmal einen Stammgast des Nomura treffen darf! Wohnen Sie in der Gegend?«
Ich schüttelte kurz den Kopf.
»Eine ehemalige Bekannte. Hat einmal zwei Stationen weiter gewohnt.«
»Deshalb also, verstehe.«
Wenn man von hier die Yanaka Ginza entlanglief und dann der Yomise-dori folgte, stieß man auf eine große Anhöhe namens Sansakizaka. Etwa auf halbem Weg den Hügel hinauf hatte Sanae in einer Wohnung in einem zweistöckigen Gebäude gelebt, direkt hinter einem Badehaus.
Vor ein paar Tagen hatte ich dort vorbeigeschaut. Zu meiner großen Überraschung gab es das Badehaus immer noch und auch die Nachbarschaft hatte sich noch so angefühlt ...
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