Schweitzer Fachinformationen
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Als Joshua Jenkyns Lesen gelernt hatte, brachte er den Pfarrer von Decatur zurück in seine Kirche und überfiel sodann die Northern Cross Railway, nicht weit von Meredosia.
Er konnte das schnaufende Metallhaus nicht leiden, das zehn Meilen weit über die Prärie rollte, hin und her, ohne ersichtlichen Grund; deshalb ritt er auf die Schienen und wartete. Zwei Männer hingen mit Vater am Galgen. Drei waren übrig und folgten dem Sohn. Josh ließ die Toten den Geiern.
Es war ein besonderer Tag für Northern Cross. Die Gebrüder Gregory hatten das Unternehmen gekauft und fuhren zur Feier des Tages die Strecke ab, begleitet von Damen, einem Journalisten aus St. Louis und dem Sheriff von Jacksonville, allesamt in der Lokomotive, denn es gab noch keine Waggons. Die Gregorys verkündeten ihre Zukunftspläne, Schienen von Quincy bis hinüber zum Eriesee und die besten Maschinen von Rogers & Ketchum. Man ließ Korken knallen und brüllte ein Prosit auf die neue Zeit, in die Biberkrägen tropfte Champagner.
Joshuas Pferd stand reglos auf den Schwellen. Der Heizer hielt sie zunächst für ein lebloses Hindernis. Dann runzelte er die Stirn. Dann ließ er die Schaufel fallen. «Gott schütze uns», schrie der Heizer, «da ist der Sohn von Cyrus Jenkyns' Squaw!»
Die Lokomotive bremste, und bevor er den Abzug fand, hatte der Sheriff von Jacksonville keine Pistole mehr, denn Josh schoss und traf und entwaffnete ihn, ohne ihm ein Haar zu krümmen.
Joshua pfiff seinen Männern. Er sah zu, wie man den Heizer hinter dem Kessel hervorholte und einen feigen Mr. Gregory hinter einer Dame, und wie man dann alle aufstellte vor dem Haus aus Metall und ihnen fortnahm, was sie bei sich hatten, ein wenig Silber und ein Perlenkettchen, nicht der Rede wert.
Joshua war abgesessen, als er die Beute bekam, nun lud er nach und saß wieder auf, das Gewehr in der Armbeuge. Er wandte sein Pferd. Und hätte der Journalist aus St. Louis geschwiegen, so hätten die Annalen diesen Überfall nicht nur verzeichnet als den ersten, sondern wohl auch als den unblutigsten Eisenbahnraub westlich der Allegenies. Doch der Journalist beugte sich zu der Dame neben ihm und flüsterte wichtig: «Sehen Sie, Madam, ein Halbblut.» Und so musste sich Joshua denn doch noch einmal umdrehen, und er schoss und der Journalist fiel um. So hatte es Cyrus Jenkyns' Sohn gelernt: Man lässt sich nicht Halbblut nennen. Und man sah es ihm an auf den ersten Blick, denn Cyrus' schottisches Blut hatte nicht viel vermocht gegen die schrägen Augen und die schöne Nase des Omaha-Mädchens, das Vater einst für zwei Gallonen Schnaps gekauft hatte, weil er einen Erben wollte für sein Unternehmen. Nur die Locken hatte Josh vom Vater und vielleicht auch die Läuse, die sich so gut darin hielten, und er hatte Vaters Männer und Vaters bestes Gewehr.
Joshua ritt nach Springfield. Vater hatte Springfield gemieden, aber Vater fraßen die Geier, Josh war ein freier Mann. Er verlangte nach Byron in Smith's General Store, kein alltäglicher Wunsch. Er hatte Glück. Mr. Smith, nicht gut gelaunt, fand Hours of Idleness eingestaubt hinter den Bibeln. Joshua hörte nicht, dass draußen der Sheriff seine Leute sammelte. Man räumte die Straße, verscheuchte Frauen und Kinder. Joshua stand reglos, so verliebt in sein Buch, taub und blind für die Welt. Er musste sich den Weg dann freischießen. Es war ein schwarzer Tag in der Geschichte von Springfield.
Erst allmählich begriff Joshua: Er konnte lesen, Buchstabe um Buchstabe, Zeile um Zeile. Er schrie, als er das begriff. Er erschreckte die Männer. Er schrie diesen merkwürdigen Schrei, den er sich so recht erst zu schreien traute, seit Vater tot war, den Schrei für viele Gelegenheiten, für die Freude, für das Überfragtsein, für die Verwunderung, den Schrei für die Prärie, für die wütenden Leute aus Springfield und die geliebten Hours of Idleness. Josh erschreckte jeden mit diesem Laster. Er erschreckte sogar sich selbst. Er wusste nicht, warum er das tat, wie ein Tier klang das, wie ein Geschöpf ohne Worte - aber manchmal, er konnte tun, was er wollte: Manchmal musste Joshua Jenkyns schreien.
Ein Jahr lang blieb er in Illinois und erntete, was es dort zu ernten gab. Ein paar Taschenuhren und Silber; Josh war bescheiden. Er träumte nicht von einer kleinen Farm, wie es Vater getan, wenn auch nicht zugegeben hatte. Er brauchte keinen Biberhut und auch keine Squaw. Joshua mochte das Spiel. Er mochte die kleinen Armeen, die ihn bisweilen verfolgten, aufgestellt von dem einen oder anderen Sheriff und allerlei Kriegsveteranen. Er kannte das Land so gut. Es machte Spaß, hier zu spielen. Und Joshua schrie und schoss und Leute starben, und Joshua ritt weiter, verlaust und verwildert und gegen Kugeln gefeit, und sein Kopfgeld brachte schon Zinsen.
Manchmal ritt er in eine Stadt und sah zu, wie sich die Straße leerte. Er suchte nach Büchern und wurde nie fündig. Manchmal mietete er eine Hure für sich und seine Leute. Er zahlte per Vorkasse und setzte sie hinter sich aufs Pferd. Die Tage mit Huren waren unbehaglich. Ihr Gerede verdarb Josh den Spaß. Sie redeten und weinten auch manchmal. Joshua hätte ihnen gerne den Mund zugehalten. Er wagte aber nicht, sie anzufassen, jedenfalls nicht im Gesicht. Er gab sie schnell weiter an seine Männer. Die Männer grunzten und knurrten und schnauften wie aufgescheuchte Dachse. Josh hätte sie am liebsten erschossen und die Hure gleich dazu.
Er ritt hinaus in die Ebene. Oft blieb er tagelang allein. Er lag im Gras und vertrieb sich die müßigen Stunden mit Byron. Geheimnisvoll waren die Worte, man verstand sie immer weniger, je öfter man sie las.
Manchmal unterhielt sich Josh mit Lord Byron. Er erzählte ihm von seiner neuen Waffe. Joshua war sehr stolz darauf. Er hatte sie einem Reisenden abgenommen, irgendwo bei Peoria City. Es war eine zierliche Faustwaffe mit fünf Schuss und nur einem einzigen Lauf. Josh kam ins Schwärmen. Er erzählte dem Dichter, wie schlank die Waffe sei, wie sie die Kugeln in einer Trommel bewahre, wie genau sie schoss und wie leicht sie sich hielt. Lange streichelte er das Holz und das Eisen, und er las Byron die Gravierung vor, Samuel Colt, Paterson, New Jersey.
«Ich will nach Westen», sagte Josh, «ich will zum Mississippi und weiter, denn ich bin Illinois leid.»
Byron schwieg. Josh spannte den Hahn, entspannte ihn wieder und steckte den Revolver in den Gürtel.
Er brach auf, die Männer hinter sich, Lord Byron neben sich, ein unsichtbarer Begleiter. Joshua liebte ihn sehr. Nur manchmal beschlich ihn ein leises Missvergnügen, denn eines störte ihn an seinem Freund: dessen fortwährende, hartnäckige, fast ein wenig blödsinnige Reimerei. Zuweilen erinnerte ihn Byron beinahe an seinen Vater, wenn er betrunken war und Barbara Allan sang.
Sie erreichten den Mississippi bei der Mündung des Fox River und trafen dort eine Gruppe von Engländern, die flussaufwärts kamen, um die Landschaft zu genießen, nach Indianern zu spähen und Skizzen anzufertigen für einen Erlebnisbericht. Sie hatten die Anlegestelle verlassen und ritten ins Land mit einem bewaffneten Führer. Die Gentlemen kehrten heil zurück zum Mississippi, allerdings ohne Geld, ohne Uhren und auch ohne Geleit. Sie machten keine Bemerkungen über Joshuas Ahnen, denn die Briten sind höflich und sie hatten ohnehin keinen Blick dafür. Sie erwarteten Krieger mit Pfeil und Bogen, die Gesichter bemalt und die Köpfe gefiedert, und keinen Jungen mit einem Revolver. Sie schwiegen, kehrten die Taschen um und überstanden die Landpartie unbeschadet. Sie bekamen sogar ein Dankeschön; denn Josh fand ein Buch.
Er suchte ein Lager für die Nacht. Er aß mit den Männern und stellte die Wache auf. Dann schaute er sich an, was er bekommen hatte. Es war ein schmales Bändchen in schwarzem Leder, Douglas Fortescue, Colours. Es waren Gedichte, oder auch nur ein einziges, das war schwer zu sagen, es ging so dahin, Seite um Seite, Wörter, kaputte Sätze, und es gab keinen einzigen Reim. Joshua las Colours von der ersten bis zur letzten Seite, erstarrt, ein Stück Fels im Gras. Er merkte nicht, dass ihm das Feuer fast den Ärmel versengte. Als er Colours fertig gelesen hatte, begann er wieder von vorne.
A swamp, a river
A muddy brown like coffee
Eating the colours away.
And there are roses, or snakes,
Slithering flowers
Half drowned in languid waters.
Joshua schüttelte den Kopf. Dann rollte er seine Decke auf und legte sich schlafen. Er nahm das Buch mit unter die Decke. Es war leicht und schlank wie die Waffe des Mr. Colt.
Joshua Jenkyns machte sich auf den Weg, Fortescue in der Jackentasche. Slithering flowers. Er wusste nicht, was das heißen sollte. Er blickte sich um, er saß sogar ab und betrachtete ein paar Blüten, Hundszahnveilchen und Rauch der Prärie, sie glitten nirgendwohin, sie standen still in der Sonne. Joshua überquerte den Mississippi. Er war unruhig. Er richtete ein Blutbad an in Dubuque. Einer seiner Männer wurde angeschossen, Josh tat Schwarzpulver in die Wunde und zündete das an, Vaters Trick gegen den Eiter. Roses or snakes. Joshua wusste nicht, ob er diesen Fortescue mochte. Er schlief schlecht. Er träumte Unsinn. Als sie beim Red Cedar River die Pferde tränkten, ließ er seinen Ladestab ins Wasser fallen. Sie ritten weiter nach Muscatine. Eines Morgens merkte Joshua, dass Byron fort war. Ein anderer ritt an seiner Stelle, Fortescue. Joshua merkte, er mochte ihn doch. Irgendwann fragte er ihn, ob er mit nach Westen wolle, und Fortescue sprach schon wieder von kaffeebraunen Flüssen. Joshua dachte nach. Dann sagte er «hm». Die Männer wussten längst, dass er...
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