Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die Evangelien sind aus den Erfahrungen mit dem auferstandenen Jesus geschrieben. Sie erinnern Jesus nicht als einen toten und gewesenen Menschen, sondern als einen, der lebendig gegenwärtig ist, auch in der Eucharistie. Die Kirche feiert Eucharistie, weil der Auferstandene sich ihr als Lebender in Erinnerung ruft. Wie hat der auferstandene Jesus Eucharistie gewollt? - so müsste die Frage genauer heißen. Die rein historische Rückfrage wird nur bescheidene Ergebnisse erbringen. Theologische Aufgabe ist es, die frühchristlichen Zeugnisse als spannungsvolle Einheit zu verstehen. Die Unterschiedlichkeit ihres Blicks und ihrer Darstellungen ist nicht zuerst eine Schwierigkeit. Ihre Vielfalt ist vielmehr Reichtum, der viel Freude machen und viel nützen kann. Das gilt nicht nur für die Evangelien, sondern auch für die anderen frühchristlichen Schriften. Auch sie geben Zeugnis vom auferstandenen und lebendigen Messias Jesus und von der Nachhaltigkeit seines irdischen Wirkens. Bei meiner Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie der Auferstandene Eucharistie gewollt hat, möchte ich daher nicht mit dem vorösterlichen Jesus um das Jahr 30 beginnen, sondern mich von den vielfältigen frühchristlichen Zeugnissen über die Eucharistie in der Zeit des 2. und 3. Jahrhunderts langsam zu den vorösterlich-österlichen Anfängen der Eucharistie vorantasten. Dabei wird sich zeigen, dass Christinnen und Christen sich bei der Feier der Eucharistie und der Suche nach ihrer Form von der Inspiration des auferstandenen Christus begleitet wussten.
Mit Eucharistie meine ich das christliche Mahlsakrament. Das Wort Eucharistie kommt bei Jesus noch nicht vor. Die Frage, wie er Eucharistie gewollt hat, ist also ein Anachronismus. Ursprünglich hat Stadtdekan Johannes zu Eltz mir diese Frage gestellt, als er für eine Sitzung des Frankfurter Stadtsynodalrats dazu ein Statement von mir haben wollte. Dabei ging es um die Vorbereitung des Ökumenischen Kirchentags 2021. Auch wenn ich dieses Buch als katholischer Christ schreibe, grenze ich mich mit der "Eucharistie" nicht gegen das "Abendmahl" in den evangelischen Kirchen ab. Vielmehr habe ich das Warten und Hoffen nicht aufgegeben, dass evangelische und katholische Christinnen und Christen "Gemeinsam am Tisch des Herrn"1 feiern können. Die ersten Überlegungen zu diesem Buch sind in einem "Frankfurter Ökumenekreis" von Theologinnen und Theologen aus Praxis und Wissenschaft entstanden, in dem wir uns im Interesse einer gemeinsamen Feier vergewissert haben, was Abendmahl und Eucharistie für uns bedeuten. Eine kirchenverbindende Gemeinschaft am Tisch des Herrn kann Christinnen und Christen Kraft geben, sich gemeinsam den sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Fragen zu stellen, die in den vergangenen Jahren immer drängender geworden sind. Mit diesem Ziel bin ich die Frage, wie Jesus Eucharistie gewollt hat, angegangen, und ich freue mich, wenn meine Überlegungen zur Umsetzung beitragen können.
Trotz aller Bedenken finde ich die Frage, wie Jesus Eucharistie gewollt hat, in ihrer Prägnanz gut. Wenn ich mich ihr stelle, gehe ich davon aus, dass die spätere Feier der Eucharistie sich aus einem Gründungsimpuls im Leben Jesu entwickelt hat. An diesem Glauben halten die Kirchen über die Konfessionsgrenzen hinweg fest mit dem Bekenntnis, dass Jesus das Abendmahl oder die Eucharistie als Sakrament eingesetzt hat. Dieser Gründungsimpuls zur Eucharistie wäre nicht möglich gewesen ohne die Mahlpraxis Jesu vorher. Die Eucharistie ist nachösterlich entstanden; von ihrer theologischen Bedeutung her gehört sie aber in die Mitte des Lebens Jesu, nicht an dessen Ende. Aus dieser Intuition heraus hat der Evangelist Johannes seine eucharistische Überlieferung auch mitten in das Leben Jesu hineingestellt. Er lässt Jesus in der Synagoge in Kafarnaum Worte sprechen, die zu den anstößigsten seines Lebens gehören (Joh 6,54-55): "Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm."2
Religionsgeschichtlich stehen Jesus und die Reich-Gottes-Bewegung, für die sein Name steht, in der Tradition sakraler Mähler - heiliger Mahlzeiten.3 Es geht bei der Eucharistie grundsätzlich um Essen und Trinken. Das habe ich aus Gottfried Bachls Eucharistiebuch4 gelernt: "Die Gottheit gibt sich so, dass aus ihrem Wort und Dasein die bestimmte Lage des Menschen heilsam verständlich wird, auch seine Bestimmung, ein Esser und Trinker zu sein und sein zu müssen, in allen Bedingungen, die damit verbunden sind."5 Bachl macht begreiflich, warum Jesus Essen und Trinken als seine Sendung verstanden und gegen die Verleumdung verteidigt hat, er sei als "Fresser und Säufer" den falschen Leuten Freund.6 Im Mahl und im heiligen Mahl geht es Jesus "nicht um irgendeine Gnade, sondern um die(se) Gestalt, die im realen Code des Nährens und Verzehrens erscheint".7
Jesu Verständnis von der Heiligkeit eines Mahls ist zugleich extensiv und intensiv. Extensiv, weil Jesus vielfältige Formen des Essens und Trinkens und der damit verbundenen Alltäglichkeiten in seine Reich-Gottes-Verkündigung einbezieht. Am Ende des Buches Sacharja heißt es: "So wird jeder Kochtopf in Jerusalem und Juda dem Herrn der Heerscharen heilig sein, und alle, die opfern, werden kommen und welche von ihnen nehmen und darin kochen. Und kein Händler wird an jenem Tag mehr im Haus des Herrn der Heere sein" (Sach 14,21). Jesus hat das Ende des Sacharjabuches gekannt. Der letzte Satz des Buches war für ihn der Impuls, die Händler aus dem Tempel zu vertreiben. In der prophetischen Vision breitet sich die Heiligkeit der Opfermähler vom Tempel auf jeden Kochtopf und Kessel im ganzen Land aus, auf jeder Feuerstelle kocht ein heiliges Mahl. Jesus stand jüdischen Bewegungen nahe, die Heiligkeit nicht auf den Tempelbezirk begrenzt sahen, sondern ausgestreckt auf Land und Leute.
Gleichzeitig ist Jesu Verständnis von heiligen Mahlzeiten intensiv. Er konnte auch in Allerweltsdingen um das Mahl herum Zeichen für die Nähe Gottes sehen. In der Tätigkeit einer Brot backenden Frau und in dem Wunder des aufgehenden Teiges wird das Reich Gottes greifbar (Mt 13,33). Vier seiner Gleichnisse in Mt 13,1-35 handeln von Früchten der Erde: zwei vom Getreide, eines vom Senfkorn und eines vom Sauerteig. Alle lassen über das Wunder der Erde staunen, die trotz aller Schwierigkeiten Früchte zur Nahrung der Menschen hervorbringt und Pflanzen, die im Gleichnis vom Senfkorn sogar den Vögeln des Himmels Wohnung geben. Auch das Weizenkorn, aus dem das Mehl für das Brot auf den Tischen gemahlen wird, wird Jesus zum prophetischen Bild für seinen eigenen Tod: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh 12,24). Im Tod geht es nicht um Vernichtung. Nicht um zugrunde zu gehen, stirbt dieses Weizenkorn vom Himmel, sondern um eines neuen, beziehungsreichen Lebens willen.
In den Evangelien sind die genannten Jesusworte in neue Zusammenhänge gesetzt. Es ist gut möglich, dass er sie ursprünglich bei einem Mahl gesprochen hat. Als die Menschen gesehen und gekostet haben, wie gütig der Herr ist (Ps 34,9), hat Jesus ihnen seine Nähe verkündet. In den frühchristlichen Gemeinden sind beim heiligen Mahl Propheten zu Wort gekommen. Sie haben beim Mahl von ihren Einsichten gesprochen und mit ihren Bildern und Mahnungen dem Mahl theologische Deutungen gegeben. Dies trifft auch auf Jesus zu: Jesus hat sich als Prophet verstanden (Mk 6,4). Das gemeinsame Essen und Trinken hat er geheiligt als Ort seiner Verkündigung.
Die christliche Eucharistiefeier hat sich aus jüdischen und hellenistischen Mahltraditionen entwickelt, die älter sind als das Christentum. Beim Nachdenken über Jesus und die Eucharistie verengt sich der theologische Blick oft auf das Geschehen im Abendmahlssaal. Dabei geht die Weite verloren, die die Feier in ihren Anfängen hatte. Diese kann sie nicht allein vom Abendmahlssaal her gewonnen haben. Sicherlich: Die großen Liturgien - nicht nur die evangelische und die katholische Mahlfeier, auch die Göttliche Liturgie des Johannes Chrysostomus in den Ostkirchen - gedenken des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern. Aber in keiner dieser Traditionen ist die Liturgie einfach eine Nachahmung dessen, was zwischen Jesus und seinen Jüngern beim letzten Mahl geschehen ist.
Für die evangelische Abendmahlsliturgie gehören die Einsetzungsworte zu den "konstitutive(n)"8 Bestandteilen jeder Abendmahlsfeier, zusammen mit dem Vaterunser, der Austeilung der Elemente und dem Dank an Gott; nach den Augsburger Bekenntnisschriften soll das Abendmahl als Sakrament "dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden" (CA 7).9 Auch die evangelische Liturgie kennt die Präfation als traditionelles Gebet, das das Abendmahlsgeschehen in einen viel weiteren Horizont hineinstellt. In der Präfation stimmt die Gemeinde mit dem Trishagion, dem Dreimal Heilig, in das Lob der gesamten Schöpfung ein. In das endzeitliche Trishagion werden auch alle Obrigkeiten und Autoritäten, Kräfte und Gewalten einfallen, die die Gemeinde jetzt noch bedrängen. So lautet die Präfation...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.