Schweitzer Fachinformationen
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»Du Arschloch! Was hast du dir nur dabei gedacht? Selbst schuld!«, schallte es tags darauf keine zehn Kilometer von der wallonischen Provinzhauptstadt Lüttich entfernt durch eine aufgelassene Wellblechhalle der ehemaligen Schiffswerft bei Herstal an der Maas. Auf dem Boden kniete ein vor Angst zitternder Kleinganove mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen vor einem großen Kerl, der in aller Seelenruhe die Ärmel hochkrempelte. Dabei legte er seine tätowierten Unterarme frei, die vom Tageslicht getroffen wurden, das sich durch ein paar der Löcher im Dach quetschte.
Weil der auf dem Boden kniende 38-jährige Mann von einer lähmenden Todesangst gepackt worden war, starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf die Tätowierungen, die auf beiden Armen des Hünen aus bunten Blumen bestanden, die mehrere Totenköpfe umrankten. »Gib es endlich zu!«, schrie der bullige Typ und versetzte seinem Opfer schon wieder eine schmerzhafte Backpfeife.
»Ich war's nicht!«, beteuerte der auf dem Boden Kniende zum wiederholten Mal und bekam dieselbe Rückfrage wie schon zuvor: »Wer dann?«
»Ich weiß es wirklich nicht!«
Schon wieder klatschte es. Der vor sich hin winselnde Mann wusste längst, was auf ihn zukommen würde.
Dieses Frage-Antwort-Spiel zog sich so lange hin, bis eine tiefe, aus einem dunklen Teil der großen Halle kommende Stimme drang: »Es reicht! Jetzt mach schon, Guido!«
Nun zeigte sich, dass das wehrlose Opfer mit der Einschätzung seiner Situation richtiggelegen hatte, denn ihm wurde eine Pistole direkt auf eines seiner Augen gedrückt. »Tut mit leid, Jupp! Aber du weißt ja, dass der Chef keine Fehler duldet! Adieu, mon ami!« Und schon krachte es.
*
Zur selben Zeit hatten sich die Protagonisten vom Vortag im Sezierraum der Aachener Gerichtsmedizin zusammengefunden, - inklusive des Toten und des belgischen Ermittlers waren alle anwesend. Neu in der Runde war lediglich Doktor Laefers' Assistenzarzt Jussuf Abdalleyah, ein klein gewachsener Jemenite, dessen viel zu große Brille ihn wie einen Frosch aussehen ließ.
Vorangegangen waren die restlichen Vernehmungen in der Kulthütte des »Hexenhofs« durch Hauptkommissar Dohmen und Kommissar Lehnen sowie ein darauf folgendes Gespräch der beiden deutschen Ermittler mit Aachens Oberstaatsanwalt Dr. Knopp in dessen Büro. Weil Dr. Laefers und ihr Assistent mit dem Toten ein berufliches Rendezvous gehabt hatten, war es für die Rechtsmedizinerin unmöglich gewesen, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Dafür hatte der belgische Commissaire de criminelle Frederic Le Maire die Ehre gehabt, als Gast dabei sein zu dürfen, obwohl er einer der Zeugen und kein beteiligter Ermittler war. Und weil am Vortag bei der Glühweinbude niemand mitbekommen hatte, dass er dem Alkohol in zu hohem Maße zugetan gewesen war, wurde er genauso ernst genommen wie die Rechtsmedizinerin, die in ihrer weißen Arztkleidung trotz der hellblauen, mit Blut besudelten Plastikschürze hinreißend aussah, als sie das Wort ergriff: »Also, meine Herren! Wie wir inzwischen alle wissen, handelt es sich bei dem Toten um Hubertus von Syrgenstein, einen 23-jährigen Studenten der Ökotoxikologie im zweiten Semester an der RWTH Aachen.« Bevor die Ärztin zur Sache kam, nahm sie einen Schluck Wasser. »Was ich gestern schon feststellen konnte, hat sich bei der heutigen Autopsie eindeutig bestätigt: Er wurde vergiftet! In seinem Magen befanden sich neben halb verdauten Pommes fr.« Weil Angelika gerade noch gemerkt hatte, dass ihr zumindest aus belgischer Sicht fast etwas sachlich Unkorrektes herausgerutscht wäre, schaute sie Frederic entschuldigend an, bevor sie sich korrigierte: »Ich meine Fritten! In seinem Magen befanden sich Fritten, eine etwa ebenfalls eine Stunde zuvor verspeiste, weiße Currywurst, ein besonders gut zerkautes Brötchen, Mayo und Ketchup!«
»Aha, die Wurst war also vergiftet?«, griff Lehnen den Ausführungen der Ärztin vor und handelte sich dafür einen Rempler seines Chefs ein.
»Nein!«, dementierte Dr. Laefers streng. »Das Gift wurde ihm zusammen mit Glühwein zugeführt.« Sie ging kurz zu einem - wie alles in diesem Raum, verchromtem - Beistelltisch und hob fast ein wenig triumphierend darüber, dass sie trotz ihrer gestrigen Verfassung daran gedacht hatte, ihn mitzunehmen, den eingetüteten Becher in Stiefelform hoch, der in der Verkaufsbude auf dem Boden gelegen hatte. »Darin befand sich Glühwein mit Gift! Obwohl es eine solch kleine Menge Toxin war, dass sie kaum nachgewiesen werden konnte, hätte sie laut KTU-Labor einen Elefanten umgehauen! Deshalb wundert es mich, dass er erst eine Viertelstunde nach dessen Konsum verstorben ist! Wahrscheinlich hat er nur einen kleinen Schluck zu sich genommen. Zumindest würde der Mageninhalt darauf hinweisen«
»Und um welche Art Gift handelt es sich?«, wollte Peter Dohmen wissen.
Angelika lächelte wissend. »Das kann ich dir ganz genau sagen, weil es unser Labor zwischenzeitlich herausgefunden hat: Es handelt sich um BTX! - Botulinum Neurotoxin. Das Gift mit den tödlichsten aller bekannten Substanzen! Denn schon ein einziges Gramm kristallisiertes Toxin reicht aus, um mehr als eine Million Menschen zu töten. Paradoxerweise wird dieses Gift ausgerechnet in der Schönheitsbranche verwendet.«
Die Gerichtsmedizinerin schaute in durchwegs interessierte, aber auch ungläubige Gesichter.
Lediglich Frederic konnte sie ansehen, dass er sofort verstanden hatte, um was es ging: Botu. hat er kurz vor seinem Tod gesagt, dachte er sich. Botu.linum! Also kannte der Ermordete nicht nur dieses Gift, sondern hatte auch eine Beziehung dazu.« Bevor Angelika weiterreden konnte, legte er unauffällig einen Zeigefinger auf seine Lippen, was ihr deuten sollte, dies im Augenblick noch nicht zu sagen, - zu sehr genoss er es, von etwas Kenntnis zu haben, was seine deutschen Kollegen Peter Dohmen und Matthias Lehnen noch nicht wussten.
»Darf ich . Danke!«, nahm sich Dr. Laefers wieder das Wort und fuhr fort: »Wir Frauen kennen Botulinum unter der Bezeichnung >Botox<, meines Wissens nach das erste und einzige biologische Gift, das zur kosmetischen und medizinischen Behandlung am Menschen zugelassen ist.«
Der Aachener Chefermittler hob eine Hand um das Wort zu bekommen. »Todeszeitpunkt?«
»Auch das kann ich dir ziemlich genau sagen, mein lieber Peter: 17 Uhr plus/minus.«
»Keine weiteren Hinweise für irgend eine andere Fremdeinwirkung?«, mochte nun Le Maire wissen, obwohl er sich eigentlich nicht einmischen wollte.
Angelika schüttelte den Kopf. »In der Kürze der Zeit: Nein! Allerdings schaue ich mir ihn noch einmal genau an. Ich wollte euch nur schon vorab informieren.«
»Eine Frage beschäftigt mich noch. Darf ich?«
Über die Höflichkeit seines ansonsten doch wohl eher rüpelhaften belgischen Kollegen erstaunt, nickte Peter Dohmen gönnerhaft.
»Danke! Äh . etwa zwei Stunden vor dem Tod des Studenten war ich an diesem Glühweinstand und habe dort einen Glühwein getrunken. Und der war - wie ihr an mir seht -, nicht vergiftet!«
Als Frederic dies sagte, wurde Angelika erst so richtig bewusst, dass es möglicherweise auch ihn und sie hätte treffen können, ja vielleicht sogar sollen.
»Aber dies wollte ich nicht sagen«, fuhr Le Maire fort, obwohl er sich schon etwas dabei gedacht hatte. »Vielmehr wollte ich sagen, dass der Glühweinstand da noch durch einen anderen Mann besetzt war. Ich habe mich dort mit einem komischen Typen unterhalten, der wohl an diesem technisch hervorragend ausgestatteten Verkaufsstand für die >Veredelung< des Glühweins und für die Glühweinversorgung auf dem gesamten Gelände des >Hexenhofes< zuständig war! Ein unangenehmer und schräg auf mich wirkender Vogel, aber einer, der auf mich den Eindruck gemacht hat, dass er stolz auf seinen Job ist, wahrscheinlich weil er nichts Gescheites gelernt hat! Jedenfalls hat er mir gegenüber so getan, als wenn es sein Stand wäre, an dem nur er klarkommt und sonst niemand. Weshalb also - und das frage ich mich ernsthaft - stand plötzlich Hubertus von Syrgenstein hinter dem Verkaufstresen? Wo ist der andere abgeblieben? Gehörte ihm das zweite Trinkgefäß oder einem unbekannten dritten Mann? So wie es aussieht, kannte der Ermordete seinen Mörder und hat mit ihm zusammen seinen letzten Schluck Glühwein getrunken.«
Le Maire hatte mit seiner Andeutung erreicht, was er hatte erreichen wollen, denn sein deutscher Kollege warf nun die Frage in den Raum, ob der Giftanschlag möglicherweise dem anderen Typen gegolten haben könnte, den Le Maire offensichtlich nicht mochte. Obwohl er auch in Betracht zog, dass der Anschlag ihm oder Angelika gegolten haben könnte, sprach Frederic dies nicht laut aus.
»Du meinst, es könnte eine Verwechslung gewesen sein?«
Sehr gut, mein lieber Peter, dachte Le Maire und gab ihm und dessen Assistenten eine Denkaufgabe: »Der Tote war doch ein Student der Ökotoxikologie, oder?«
»Das heißt, dass er dieses Gift selbst hätte herstellen können«, schoss es nun aus Dohmens Stellvertreter heraus, der vorsichtig geworden war, weil er nichts Falsches sagen mochte, das seine Beförderung ausbremsen konnte.
Nachdem Angelika ihm dies bestätigt hatte, empfahl der Belgier seinen deutschen Kollegen, das Umfeld des Ermordeten abzuklopfen und sich gleichzeitig um diesen merkwürdigen »Glühweinveredler« zu kümmern, den noch keiner der anderen kannte. »Die Betreiber des >Hexenhofes< werden euch sagen können, wie ihr Mitarbeiter heißt, wo er wohnt und...
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