Schweitzer Fachinformationen
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Ein Denkmal hätte er es nennen sollen, nicht eine Statue, aber ihm wollte das Wort nicht einfallen, als er Mr Acheson bat, ihn dort zu treffen. Das Ding wächst in der Ferne in die Höhe, während er durch die Lichtkegel der Laternen an der Promenade fährt, eine schwarze Marmorsäule in einem Kiesbett, umgeben von einem Nest verwitterter Kränze und Blumen. Fünfhundertelf Namen sind im Stein eingraviert, im Gedenken an die Männer aus der Gegend, die ihr Leben für ihr Land gegeben haben, aber sein Vater ist nicht unter ihnen. Hin und wieder fährt er zum Denkmal, um die Namen zu studieren, er klammert sich immer noch an die Hoffnung, auf einen Patrick Weir zu stoßen, stellt sich vor, wie er eine Welle der Zuneigung für den Mann empfindet, einen aufflammenden Stolz. Er weiß, sein Vater wurde nicht in Longferry geboren, doch es ist tröstlich, sich ein Bild auszumalen, das man ehren kann.
Es scheint, dass er ein wenig zu früh aufgebrochen ist. Mr Acheson ist noch nicht da, um an der Säule auf ihn zu warten, und im Schein der Laternen sieht man auch niemanden sich nähern. Es ist ein merkwürdig windstiller Abend, und die Luft fühlt sich klamm und schwer an. Der purpurne Himmel verdunkelt sich, ein tief hängender Wolkenbuckel schiebt sich davor, der nach Osten kriecht und den Mond frisst. Seine Ohren sind ganz taub vom Klackern der Hufeisen auf dem Teer, aber als er am Rand der Straße zum Stehen kommt, gewinnen die übrigen Geräusche wieder die Oberhand. Das Pfeifen seiner Nase, wenn er einatmet. Das Knarzen des Holzes, das unter seinem Gewicht nachgibt. Das Gluckern des Wassers in den Gullys. Und dann plötzlich Schritte auf den Gehwegplatten weiter vorn.
Er sieht einen Schatten auf sich zustreben. Er ist zu breit und untersetzt, um zu Mr Acheson zu gehören. Ein Arm hebt sich, als wollte er ihn anhalten. Es ist ein dicker Kerl in einem Mantel. Sein glatter Kahlkopf glänzt im Licht wie eine Billardkugel. Als er es bis zum Karren geschafft hat, keucht er leicht. »'n Abend, Sir«, sagt er, das Gesicht tiefrot. »Sind Sie Mr Flett?« Unter dem Mantel ist eine Uniform zu erkennen, ein weißes Hemd mit Fliege, eine malvenfarbene Weste und eine ebensolche Hose. Er gehört zum Metropole.
»Wer will das wissen?«, fragt er.
»Nicht ich, ich bin nur ein Angestellter vom Hotel ein Stück die Straße hinauf. Ich glaube, Sie kennen einen unserer Gäste, einen Mr Runyan?«
Er braucht einen Moment, um seine Gedanken zu entwirren. Natürlich steigt ein Mann wie Edgar Acheson nicht unter seinem echten Namen in Hotels ab - er verhält sich diskret. »Ich kenne ihn, aye. Hat er Sie geschickt?«
»Ja, Sir. Er möchte, dass Sie wissen, dass er aufgehalten wurde«, sagt der Angestellte. »Eine Krone hat er mir gegeben, damit ich komme und es Ihnen sage. Nicht schlecht für so einen kleinen Auftrag.«
»Das würde ich auch sagen.«
Der Mann steht da und sieht das Pferd mit schief gelegtem Kopf an. »Ein schönes Tier. Hat es was dagegen, gestreichelt zu werden?«
»Es ist ein Nutztier«, sagt er. »Wird nicht groß verwöhnt.«
»Ah, wie schade. Ein hübsches Tier.«
So wie der rührselige Kerl da mit feuchten Lippen sein Pferd ansieht, geht er ihm langsam auf die Nerven. Es ist einfach komisch, jemanden über ein Tier reden zu hören, als wäre es ein Mädchen, das auf dem Dorffest tanzt. »Das war alles, was er Ihnen gesagt hat? Hat nicht viel für seine Krone bekommen.«
»Entschuldigen Sie, ich hab noch was vergessen.« Der Kerl sieht ihn leicht verlegen an. »Er fragt, ob Sie auf ihn warten können. Höchstens eine halbe Stunde, hat er gesagt. Und Sie sollen sich einen Drink bestellen, wenn Sie mögen, und auf seine Rechnung setzen lassen. Die Bar unten im Hotel ist sehr schön.«
»Er will, dass ich zum Hotel komme?«
»Ja, Sir. Das ist es wohl.«
Er seufzt. »Verflixt, ich weiß nicht .« Sie haben nur ein paar Stunden, bevor das Wasser wieder steigt, und wenn sie bis ins Seichte hinauswollen, sollten sie versuchen, bis halb sieben von der Rampe runter zu sein. »Wäre das Beste, es dauert nicht mehr allzu lange.« Das Pferd schnaubt, als er nach dem Zügel greift.
»Sie könnten mich nicht eventuell mit zurücknehmen?«, fragt der Mann. »Ich bin erschöpft, und meine Schicht dauert noch ewig.«
»In Ordnung, setzen Sie sich hinter mich, auf das Brett da.« Es ist nicht weit, aber er lässt den Mann auf den Karren klettern.
»Ich danke Ihnen, Mr Flett.«
»Schon gut.«
Sie fahren die Promenade entlang. Jenseits der Ufermauer weitet sich der dunkle Strand zu leerer Düsternis, und es ist seltsam, wie sehr er sich davon angezogen fühlt. Er überlegt, wie es heute Abend wohl mit den Krabben steht. Liegen sie wie Unkraut dort, das förmlich darum bettelt, vom Sand gekratzt zu werden, oder sind da nur wenige scheue wie die ganze Saison schon? Pop hat immer gesagt, die größten Fänge sind die, für die man nicht draußen ist. Der Kopf verhöhnt sich selbst mit seinen wilden Fantasien. Nichts Gutes kommt dabei heraus.
»Mr Runyan und Sie stehen wohl gut miteinander?«, erklingt die Stimme des Mannes durch das Hufgeklapper. »Wie kommt es, dass Sie einen Ami wie ihn kennen?«
»Ich habe gesagt, ich nehme Sie mit, nicht, dass wir uns unterhalten«, antwortet er.
»In Ordnung. Na gut.« Ohne ein weiteres Wort fahren sie die Straße entlang, bis: »Sie hätten nicht zufällig eine Zigarette für mich?«
»Keine Chance.«
»Ah, kommen Sie, ich lechze nach einer.«
»Sie haben eine Krone in der Tasche, die sollte Ihnen weiterhelfen.«
»Ich weiß, aber unser Automat in der Hotelhalle ist kaputt.«
»Junge, Sie gehen mir ziemlich auf die Nerven.« Er nimmt seine Dose Selbstgedrehte und hält sie ihm hin.
»Danke. Das ist fürchterlich nett von Ihnen.« Der Mann steckt sich eine zwischen die Lippen und zündet sie mit seinem Feuerzeug an.
Die Zufahrt zum Metropole zwischen den luftig stehenden Kiefern ist frisch gepflastert und wird von kleinen Scheinwerfern erleuchtet. Es ist das beste Hotel der Stadt, wenn auch vielleicht nicht ganz so ehrenvoll, wie die Leute glauben. Einige reden geradezu andächtig von ihm, als wäre es ein Segen, dort sonntagmittags einen Tisch zu bekommen. Als er die Zufahrt hinaufsteuert, kommen ihm die oberen Zimmer in den Blick, in denen noch nicht alle Gäste die Vorhänge zugezogen haben. Eine alte Lady mit einer Pelzmütze sitzt an einem Frisiertisch und nimmt ihre Ohrringe ab. Ein mürrisch dreinblickender Junge malt Buchstaben auf eine beschlagene Fensterscheibe. Der einzige Ort, wo er Pferd und Karren abstellen kann, ist der mit Gras und Blumenbeeten eingefasste Parkplatz. Die Blumen wird das Pferd zertrampelt haben, bis er wieder zurückkommt. Er hält nach Mr Achesons schönem Auto Ausschau, kann es aber nicht entdecken.
»Danke fürs Mitnehmen«, sagt der Hotelangestellte. Er schnipst die Zigarette ins Gras und springt vom Karren. »Ich sehe besser zu, dass ich wieder reinkomme, sonst kürzt mir der Chef noch das Gehalt.« Damit eilt er auf die überdachte Tür zu und die Stufen hinauf.
Es gibt nichts, wo er das Pferd anbinden kann. »Also gut, da werde ich dir wohl vertrauen müssen, dass du nicht abhaust. Kannst du hier stehen bleiben, für mich?« Er streicht ihm über die Flanke. »Es dauert nicht lange.« Das Pferd wirft den Schweif hin und her und schnaubt. »Guter Junge.«
In der Hotelhalle ist es so still, dass er den Stift der Frau an der Rezeption über ihren Notizblock kratzen hört. Ihr Blick schießt in seine Richtung, es ist, als wollte sie ihn an den Rändern wie eine Briefmarke durchlöchern. »Sie können Ihr Pferd nicht auf dem Parkplatz abstellen. Der ist für unsere Gäste«, sagt sie, »nicht für Tiere.«
»Also, ich bin wegen einem Gast hier. Mr Runyan«, erklärt er, und ihre Miene entspannt sich.
»Oh.«
»Er sagt, ich soll auf ihn warten und mir einen Drink bestellen.«
Sie greift nach dem Telefon. »Wirklich? Nun, in der Sellars Bar brauchen Sie ein Jackett.«
»Sie meinen, das hier reicht nicht?« Er zieht am Kragen seines Ölzeugs.
»Ich meine ein Jackett, ein Sakko. Wir haben eins hier, das Sie ausleihen könnten, aber vielleicht passt es Ihnen nicht richtig.«
»Dann warte ich dort drüben. Ist das okay für Sie?« Er deutet zur gepolsterten Bank beim Eingang hinüber, wo auf einem kleinen Tisch eine Vase mit Narzissen und ein Kristallaschenbecher voller Streichholzbriefchen stehen.
Sie nickt und legt den Hörer wieder auf. »Wenn Sie mögen, lasse ich Ihnen einen Drink bringen.«
»Das ist sehr nett. Ich nehme einen Brandy. Auf Mr Runyans Zimmer.« Ihre Miene hellt sich auf. Sie geht den Flur hinunter und lässt ihn in der Stille der Hotelhalle zurück. Von der Bank aus hat er das Pferd gut im Blick und kann sehen, was es macht. Wie übertrieben man einen Raum schmücken kann, verblüfft ihn immer wieder. All die dunklen Holzmöbel und Kronleuchter, die gemusterten Teppiche und Blumen. Es überkommt ihn das gleiche düstere Gefühl wie im Bestattungsinstitut, in dem Pops Sarg für eine Weile stand. Es dauert nicht lange, und die Frau ist wieder da und setzt sich hinter die Rezeption. »Ihr Brandy ist gleich da«, sagt sie.
Er weiß nicht, wie lange er wartet, aber der Brandy kommt nicht. Stattdessen kommt Mr Acheson die breite Treppe heruntergeeilt, seine Hände quietschen auf dem Geländer. Er ist mit Unmengen Ausrüstung bepackt: einer silbernen an einem dünnen Riemen hängenden Kiste, die ihm gegen die Hüfte schlägt, einer...
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