Schweitzer Fachinformationen
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Zwei Damen haben Ausgang
Natürlich war Anneliese Schmitz begeistert, dass sie mir bei einer Recherche behilflich sein konnte. Ich holte sie zu Hause ab.
»Kann ich so gehen?«, fragte sie.
»Du siehst toll aus, Frau Schmitz«, stellte ich fest. »Wie eine französische Madame.«
»Was heißt das?«
»Gepflegt, dezent geschminkt und elegant.«
»Dann war das ja ein echtes Kompliment, Frau Grappa!«, grinste die Bäckerin.
»Wenn ich jemandem ein Kompliment mache, ist das immer echt. Sonst sag ich lieber gar nichts. Dann mal los, Frau Schmitz.«
Das Restaurant befand sich etwa sechzig Kilometer von Bierstadt entfernt oberhalb des Möhnesees. Die Gegend war ein beliebtes Naherholungsgebiet - besonders für Wanderer und Wasserratten. Doch auch historisch Interessierte kamen auf ihre Kosten: 1943 wurde die Staumauer bombardiert und zerstört, mindestens 1.600 Menschen starben, darunter viele ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Darüber gab es eine Ausstellung, deren Besuch zum Pflichtprogramm der umliegenden Schulklassen gehörte.
Das Restaurant verfügte über eine Glasfront mit Blick auf See, Wald und Himmel. Ein Kellner führte uns zu unserem Tisch. Gutes Porzellan, Silberbesteck statt Edelstahl, Kristallgläser, Kerzenlicht, Mineralwasser in Glasflaschen und leise Musik.
»Nicht übel«, sagte ich.
»Schön isses hier«, nickte Frau Schmitz. »Wie im Urlaub.«
Ich schaute nach den Leuten - niemand, den ich kannte. Auch niemand, der Dominique Lavant hätte sein können.
»Ein Gruß aus der Küche. Kräuterfrittata mit Lachsschinken.« Der Kellner stellte uns zwei Tellerchen hin.
»Das ist ja sehr übersichtlich«, stellte Frau Schmitz fest, als der Kellner außer Hörweite war.
»Das sind die Amuse-Gueules immer. Sie sollen den Gaumen nur kitzeln und auf kommende Genüsse vorbereiten.«
»Aha. So eine Art Vorglühen?«
»Du hast es erfasst. Die Dinger müssen mit einem Happs im Mund verschwinden.«
Das ließ sich Frau Schmitz nicht zweimal sagen. Sie versenkte den Küchengruß in ihrem Mund. »Lecker.«
»Na, siehste.«
»Guck mal, Frau Grappa, ist er das nicht?« Frau Schmitz sah an mir vorbei.
Ich drehte mich unauffällig um. Dominique Lavant stand an einem der Tische und begrüßte die Gäste.
»Ja, das ist er«, bestätigte ich.
»Boah, das ist ja ein schöner Mann«, flüsterte sie.
Dem konnte ich nicht widersprechen. Groß, gut gebaut, graue Schläfen und ein interessant geschnittenes Gesicht. George Clooney vom Möhnesee.
»Kommt der auch zu uns an den Tisch?«, fragte Frau Schmitz.
»Das will ich doch hoffen«, sagte ich forsch.
»Was willst du ihm denn sagen, Frau Grappa?«
»Keine Ahnung. Ich lasse es auf uns zukommen. Und dann improvisiere ich.«
»Und ich?«
»Du sagst erst mal gar nichts, Frau Schmitz.«
Je näher uns Lavant kam, desto kribbeliger wurde ich. Jetzt war er schon am Nebentisch und machte dort Small Talk. Sein leicht französischer Akzent war sehr charmant. Ich nahm einen Schluck Mineralwasser und atmete durch.
»Guten Abend, die Damen. Ich heiße Sie willkommen«, sagte er und verbeugte sich kurz. »Ist alles nach Ihren Wünschen?«
»Das werden wir sehen. Immerhin gibt der Gruß aus der Küche zu den schönsten Hoffnungen Anlass«, säuselte ich.
»Haben Sie mein Restaurant schon einmal besucht?«
»Bisher noch nicht. Aber das Ambiente gefällt uns, nicht wahr?« Die Frage war an Frau Schmitz gerichtet. Doch die gab keinen Piep von sich.
»Ich freue mich, dass Sie sich wohlfühlen«, lächelte der Koch. »Ich werde mich nach dem Menü noch einmal nach Ihrer Meinung erkundigen, wenn Sie erlauben.«
Wieder eine knappe Verbeugung und weg war er.
»Warum antwortest du denn nicht, Frau Schmitz?«
»Weil du gesagt hast, dass ich den Mund halten soll.«
»Ein einfaches Ja wäre ja noch drin gewesen, oder?«
»Aha. Jetzt plötzlich.« Sie war verschnupft.
»Entschuldige.«
Lavant hatte seine Begrüßungstour beendet. Die Kellner trugen die Vorspeise auf - die Spargel-Quiches mit Mangoldsalat. Frau Schmitz stach beherzt mit der Gabel in das kleine Törtchen und probierte.
»Da ist ja Ziegenkäse drin«, rief sie aus. »Ich mag keinen Ziegenkäse. Der schmeckt so, wie Pisse riecht.«
»Dann lass den Käse liegen«, schlug ich vor. »Danach kommt das Karnickel. Oder magst du das auch nicht?«
Sie schob den Teller von sich.
Prompt rückte der Kellner an. »Haben Sie etwas zu beanstanden?«
Ich erklärte ihm die Sachlage.
»Wir werden eine andere Vorspeise zubereiten«, lächelte er. »Einen kleinen Augenblick, die Damen.«
Drei Minuten später hatte Frau Schmitz einen neuen Teller vor sich stehen. Nach Aussage des Kellners war darauf Fruchtiger Avocado-Salat mit Mango und Radicchio angerichtet.
Mit Leichenbittermiene machte sich Frau Schmitz darüber her.
Irgendwie ging der Abend den Bach runter. Die Mango fand vor Frau Schmitz' Geschmacksnerven noch Gnade, die roten Radicchio-Blätter schob sie aber an den Tellerrand und die Avocado-Spalten zerdrückte sie mit ihrer Gabel zu einem schleimigen Brei.
Der Kellner zuckte nicht mit der Wimper, als er das Schlachtfeld auf dem Teller abräumte.
»Jetzt bin ich dir wohl peinlich, Frau Grappa?«
»Nein. Wir sind die Gäste und bezahlen. Also können wir mit dem Essen machen, was wir wollen. Allerdings hegte ich kurzzeitig die Befürchtung, dass du aus dem Avocadobrei eine Gesichtsmaske kreieren wolltest.«
Wir lachten. Das entspannte die Lage.
Das Kaninchen war zart, die Riesling-Sahne, die Kartoffelplätzchen und die Möhren sensationell lecker. Na also.
»Guck mal«, sagte Frau Schmitz und fixierte einen Punkt in meinem Rücken. Ich drehte mich um. Nichts Besonderes.
»Was denn?«
»Siehst du das Auto nicht?«
Ja. Ein weißer Kastenwagen stand auf dem Parkplatz im Licht der Laterne.
»Du hast doch geschrieben, dass so ein Auto gesehen worden ist, als dieser Mann auf die Gleise gelegt wurde. Richtig?«
»Ja. Aber . solche Autos gibt es in Massen.«
»Ich guck mir den Wagen mal näher an und schreib mir das Kennzeichen auf«, kündigte Frau Schmitz an, tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und erhob sich.
Ich widersprach nicht.
Von meinem Platz aus beobachtete ich, wie sie sich dem Kleintransporter näherte. Sie schaute in den Wagen hinein, trat hinter ihn und schrieb etwas auf. Dann warf sie mir einen total unauffälligen Gruß zu. Zwei Minuten später saß sie wieder am Tisch.
»Wie war ich?«
»So hab ich mir verdeckte Ermittlungen immer vorgestellt«, meinte ich.
»Rate mal, wem der Wagen gehört?«
»Weißt du das etwa?«, fragte ich verdattert.
»Der gehört zum Restaurant. Hinten liegen leere Weinflaschen drin und auf dem Beifahrersitz druckfrische Prospekte von dem Laden hier.«
Ich guckte sie an, als wäre sie eine Außerirdische. »Du bist gut, Frau Schmitz«, lobte ich. »Dann muss jetzt mal ich nach draußen.«
Auf dem Weg zum Parkplatz kramte ich mein Smartphone aus der Tasche und fotografierte den Wagen. Wenn der betäubte Hummel damit transportiert worden war, würden Kriminaltechniker vielleicht noch Spuren finden können.
Ich ging ins Restaurant zurück. Inzwischen war das Dessert gebracht worden. Birnen in Rotweingelee.
Frau Schmitz löffelte schon. »Das schmeckt aber gut.«
»Du kannst meins auch noch haben«, sagte ich. »Mir ist grad nicht nach Süßem.«
»Au ja, eh ich mich prügeln lass«, freute sie sich.
»War alles zu Ihrer Zufriedenheit?« Dominique Lavant stand wieder neben unserem Tisch.
»Alles wunderbar«, strahlte ich. »Das Kaninchen war göttlich, die Möhren genial und die Birne so sensationell, dass meine Freundin meine Portion auch noch isst.«
»Wünschen Sie ein anderes Dessert? Oder vielleicht einen Espresso?«
»Danke, nicht nötig. Es ist wirklich sehr schön bei Ihnen.«
»Es freut mich, dass Sie einen angenehmen Abend hatten, Frau Grappa.«
Begegnung mit Blumenbouquet
Frau Schmitz war im Restaurant geblieben und beschäftigte sich mit der zweiten Dessertportion. Ich saß in Lavants Büro.
»Woher wussten Sie .?«
»Ihre Stimme kam mir bekannt vor. Und dann habe ich gegoogelt. Es gibt zwar nicht viele Fotos von Ihnen im Netz, aber Sie sind unverkennbar. Rote Haare. Taff. Mutig. Tolle Journalistin.«
Huch. Schleimte der Koch?
»Danke für die Blumen«, erwiderte ich lahm.
»Warum sind Sie hier?«, kam er zur Sache.
»Um mir ein Bild zu machen.«
»Von mir?«
»Ja, auch.«
»Was ist denn so interessant an mir?«
»Die alte Geschichte. Die tote Nanette. Der ermordete Pfarrer. Und jetzt der Camper.«
»Sie meinen den Toten von den Schienen?«
»Ja. Sie sind ja gut informiert.«
Er lachte. »Ich lese neuerdings das Bierstädter Tageblatt sehr ausführlich. In der Hoffnung, etwas Neues über den Mord an Pfarrer Kasch zu erfahren.«
»Die Behörden tappen leider noch im Dunklen«, erklärte ich. »Obwohl es zum Fall des toten Campers Parallelen gibt.«
»Sie meinen die K.-o.-Tropfen?«
»Genau. Und noch etwas ist interessant. Bernd Hummel hat Ihr Restaurant besucht.«
»Hummel - so heißt der ermordete Mann?«
War er so naiv oder spielte er mir was vor? Ich nickte.
»Da ich den Herrn nicht kannte, kann ich das...
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