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In keiner anderen Sprache kann man sich etwas unter »Eiertanz« vorstellen, nirgendwo sonst ist von »anbiedern« die Rede, und weder in England noch in Frankreich oder Spanien wäre man je auf die Idee gekommen, unser allerwertestes Körperteil als »Sitzfleisch« zu bezeichnen. Solche Wörter finden sich nur im Deutschen. Auch wenn die Bezeichnung »originell« nicht mehr besonders originell ist: Diese Wörter sind echte Originale.
Alle auswärtigen Muttersprachler versichern, dass es in ihrem Land ein Wort wie »Abendbrot« nicht gibt. Allerdings kennen diese Kulturen ein Abendessen. Es wäre vielleicht einmal eine soziologische Untersuchung wert, inwieweit der deutsche Abendessensklassiker der Zeit vor 1968 - das einfache Wurst-/Schinken-/Käsebrot mit Radieschen oder Gürkchen - heute noch zum gelebten Alltag in Deutschland zählt. Vermutlich wäre Abendbrot heute nicht mehr begriffsprägend.
Noch im Mittelalter gab es zum »Abendbrot« das Pendant »Morgenbrot«. Dazu mehr unter dem Stichwort Frühstück (S. 226).
Als Goethe noch ein jüngerer Mann war, in der Aufklärungszeit, war die Bedeutung von »bieder« noch ganz positiv gemeint: Der »biedere Mann« war damals der »brave, arbeitsame Bürger«, im Gegensatz zum verlotterten, müßiggängerischen Adel. »Bieder« ist wortverwandt mit »dürfen«, und die ursprüngliche Bedeutung ist wohl »bedürfnislos, anspruchslos, auch: unbescholten«. Bei den damaligen Literaten wie Lessing, Klopstock, Bürger kommt das Wort in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stärker in Gebrauch, wird fast eine Art Modewort. Von diesem Verständnis ausgehend dauerte es nicht lange, bis noch vor 1800 aus diesem braven, unbescholtenen, eben dem biederen Mann der »Biedermann« als Synonym für den kleinbürgerlichen Spießer wird.
Ebenfalls um 1800 kommt anbiedern im Sinne vom »plumpe Anmache« auf.
Nach dem Biedermann ist eine ganze Kulturepoche benannt, die Biedermeierzeit als Inbegriff einer sehr bürgerlich-häuslichen Epoche mit Biedermeiermöbeln, Biedermeiermode und viel Hausmusik. Carl Spitzweg hat uns mit seinen Bildern ein überpointiert-ironisches Bild dieser Zeit in Deutschland, der Schweiz und dem Metternich-Österreich vermittelt. In allen anderen Ländern Europas gab es keine »Biedermeierzeit«.
Allein deswegen gibt es keine analoge Begriffsbildung in anderen Sprachen. Im Englischen umschreibt man den Vorgang des Anbiederns mit to make advances (»einen Vorstoß machen«) oder umgangssprachlich to get buddy-buddy. Franzosen kennen so etwas wie anbiedern natürlich gar nicht. Sie formulieren allenfalls reichlich umständlich essayer de se faire bien voir de qn (»versuchen, bei jemandem in gutem Licht dazustehen«), oder sie sagen: »Flatteur!« (Schmeichler)
»Künstlich abgemessen schritt sie nunmehr auf dem Teppich hin und her und legte in gewissen Maßen die Eier auseinander, [...] sie verband sich die Augen, gab das Zeichen und fing zugleich mit der Musik, wie ein aufgezogenes Räderwerk, ihre Bewegungen an, indem sie Takt und Melodie mit dem Schlag der Kastagnetten begleitete.
Behende, leicht, rasch, genau führte sie den Tanz. Sie trat so scharf und so sicher zwischen die Eier hinein, bei den Eiern nieder, daß man jeden Augenblick dachte, sie müsse eins zertreten oder bei schnellen Wendungen das andre fortschleudern. Mitnichten! Sie berührte keines, ob sie gleich mit allen Arten von Schritten, engen und weiten, ja sogar mit Sprüngen und zuletzt halb knieend sich durch die Reihen durchwand.«
Mit diesen Worten beschreibt Goethe in seinem Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre den von Mignon aufgeführten, offenbar sehr akrobatischen Eiertanz. Dies ist die erste und einzige Erwähnung einer derartigen Darbietung in der Literatur. Das akrobatische Kunststückchen scheint sich seit der Spätrenaissance vor allem in den damaligen Niederlanden einer gewissen Beliebtheit erfreut zu haben. Jedenfalls gibt es davon bildliche Darstellungen aus jener Zeit. Aber davon abgesehen existiert die Erinnerung daran nur noch in der Redewendung »einen Eiertanz aufführen« oder »herumeiern«.
Die 1922 von Hans Riegel in Bonn (= Haribo) erfundenen Glukosesirup-Gelatine-Farb-und-Geschmacksstoff-Mischungen in Bärchenform werden seit 1960 Goldbären genannt. Wie alles, was verbal vergoldet ist (Goldmedaille, Goldene Schallplatte, goldrichtig, Morgenstund', Schweigen), klingt das natürlich besser als Gummibär. (Ursprünglich war Gummi arabicum tatsächlich einer der Bestandteile der Bären.) Im Englischen würde man hauptsächlich jelly bears oder in direkter Anlehnung an das deutsche Produktvorbild gummi bears sagen. Das französische ourson en gomme gelifiée klingt dagegen wie ein Produkt von Michelin.
Da Haribo inzwischen weltweit agiert, dürfte Gummibär(chen) demnächst in die Liga der Weltwörter aus dem Deutschen aufrücken.
Der entsprechende Ausdruck im Englischen lautet schlicht suicide mission (Selbstmordkommando), aus dem Japanischen ist noch Kamikaze bekannt (wörtlich: göttlicher Wind - dieser Wind bezieht sich allerdings auf zwei Taifune, welche in der Tat zwei Versuche der Mongolen, Japan im 13. Jahrhundert zu erobern, scheitern ließen, indem sie die mongolische Armada vernichteten). Der Begriff bezeichnet eine Spezialtruppe der japanischen Marine während des Zweiten Weltkriegs, deren junge Piloten wie bei Selbstmordanschlägen bewusst in den Tod flogen, um den amerikanischen Schlachtschiffen größtmöglichen Schaden zuzufügen und damit, wie einst die Taifune, eine Invasion zu verhindern.
Ein Himmelfahrtskommando muss für die freiwillig Teilnehmenden aber nicht notgedrungen tödlich enden, auch wenn das Risiko sehr hoch ist, denn sie sind meist die ersten Angreifer an der vordersten Front. Nur im Deutschen wird der Begriff mit »Himmelfahrt« gebildet.
Das Wort »Kauz« (für Eulenvögel - Strigidae) ist eine Besonderheit des Deutschen und kommt in keiner anderen Sprache vor. Dort gibt es nur die Eulenwörter owl (engl.), chivette (franz.), civetta (ital.) etc. Die nächtlichen Jäger leben tagsüber zurückgezogen, weil ihre Augen sehr lichtempfindlich sind, und sie bewegen sich tagsüber auch eher unsicher. So wie die »komischen Käuze«, die etwas sonderbaren, in sich gekehrten Menschen, die in Gesellschaft leicht unbeholfen wirken. »Kauz« ist im Spätmittelalter aus dem mittlerweile untergegangenen Wort kuze (Schreihals) entstanden und wird schon seit der Lutherzeit auf die belächelten Sonderlinge übertragen. Jahrhundertelang, bis in die Goethezeit, war der damals keineswegs seltene Typus des weltabgewandten Stubengelehrten, der vor allem in seiner Bücherwelt lebte, der Leittypus für den komischen Kauz. Der Computernerd ist sozusagen der Nachfolger.
. ist ein Musterbeispiel für ein besonders anschauliches modernes Wort.
Unsere Übersetzungsvorschläge fürs Englische wären: mind game, crazy, to picture something, allerdings nicht mental cinema. Darunter könnten sich Angelsachsen nur mit Mühe etwas vorstellen. Im Französischen wäre an imagination zu denken, und in den romanischen Sprachen generell an irgendwas mit »Projektion«.
Dieses Wort kann man sich nicht in direkter Übersetzung in eine andere Sprache vorstellen. Dazu ist es in seiner Bildlichkeit einfach zu konkret. So begnügt sich das Französische mit délice, was wir als »delikat« ebenfalls kennen. Im Französischen gibt es übrigens nur délices, aber keine »Delikatessen« - das ist so wenig ein französisches Wort wie Petitessen oder Friseur. Auch die Engländer, die größten Erben des Französischen, sprechen von delicacy, ferner von goody oder treat. Verglichen mit »Leckerbissen« erscheint uns goody ziemlich simpel (vielleicht etwas für den Hund?), und ein treat hat etwas von einer (guten) Behandlung oder einer netten Belohnung. Die Amerikaner wiederum haben über das Jiddische das Wort »Delicatessen« (kurz Deli) als Bezeichnung für Feinkostläden übernommen, die im Französischen wiederum traiteur genannt werden. Französische délicatesse ist ausschließlich das Feingefühl im Umgang mit Menschen oder die zarte...
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