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CAM
Ich mag es nicht, ignoriert zu werden. Genauer gesagt, ich mag es nicht, von Luc ignoriert zu werden.
Dem Typen, der mein bester Freund ist, seit ich vier Jahre alt war.
Dem Typen, der mir beigebracht hat, mein allererstes Snowboard zu fahren.
Dem Typen, der alles von mir weiß - und von dem ich alles weiß.
Oder zumindest war das mal so. Jetzt, da er mir gegenübersitzt und mit allen und jedem außer mir redet und herumalbert, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch etwas von ihm weiß. Er will auf jeden Fall nichts von mir wissen. Er sieht mich nicht einmal an. Und falls er noch mehr auf Abstand zu mir geht, wird er am Ende bei der ersten rauen Welle aus dem verdammten Boot fallen.
Wofür ich im Moment sogar gutes Geld bezahlen würde, um das zu sehen. Vor allem, als er von seinem superintensiven Gespräch mit Ash aufsieht und sich unsere Blicke zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit treffen. Ich beginne zu lächeln, aber er wendet sich ab, bevor er es sieht. Ich komme mir vor wie eine totale Idiotin.
Und das Schlimmste ist, dass alles meine Schuld ist. Die Verlegenheit, das Merkwürdige, Lucs Unfähigkeit, mich überhaupt anzusehen - dafür bin ich verantwortlich. Ich bin diejenige, die sich vor ein paar Monaten, als Z mit Ophelia zusammengekommen ist, total betrank. Ich bin diejenige, die sich Luc an den Hals warf, als er genauso betrunken war, und die ihn immer weiter bedrängte, bis er mich mit zu sich nach Hause nahm. Und ich bin diejenige, die total ausflippte, als ich am nächsten Morgen mit ihm im Bett aufwachte. Er gab sich Mühe, cool zu sein, nett zu sein - und ich drehte völlig durch.
Seitdem ist nichts mehr wie zuvor.
Ich habe die letzten Monate damit verbracht, den Schlamassel, den ich angerichtet habe, wiedergutzumachen. Ich habe alles getan, was mir einfiel, um uns wieder auf vertrauten Boden zu bringen - aber es hat nicht funktioniert. Früher waren wir praktisch unzertrennlich, und jetzt hängen wir nur noch zusammen ab, wenn die anderen dabei sind. Wenn er Z und Ash und Tansy und Ophelia als Puffer zwischen uns benutzen kann. Und nur, wenn er nicht mehr als ein oder zwei Sätze zu mir sagen muss.
Das macht mich komplett irre.
Ein Teil von mir will sich - noch einmal - dafür entschuldigen, dass ich ausgeflippt bin, anstatt es einfach als einmalige »Freunde mit gewissen Vorzügen«-Sache zu betrachten, vor allem, weil ich diejenige war, die das alles angeleiert hatte. Aber ein anderer Teil von mir möchte ihm am liebsten eine knallen. Ich meine, ja, ich bin mit der Situation am Morgen danach schlecht umgegangen. Aber ernsthaft, ein einziger Fehler - und sechzehn Jahre Freundschaft sind plötzlich null und nichtig?
Schon allein der Gedanke macht mich wütend. Ich würde ihn nie so ausschließen - ich wüsste nicht einmal, wie. Die Tatsache, dass er es so mühelos kann, verletzt mich mehr, als ich eingestehen möchte, sogar mir selbst gegenüber.
»Also, wer will als Erstes?«, ruft Ash, lässig an die Bordwand gelehnt, während seine Freundin Tansy auf seinem Schoß sitzt.
»Ich«, sage ich und greife nach meinem Wakeboard.
»So ist es recht, Mädel!«, johlt Z, während er das Speedboot abbremst. »Geh da raus und zeig ihnen, wie es gemacht wird!«
»Oh, genau das habe ich vor.«
Lachend hält Zs Freundin Ophelia die Hand zum Abklatschen hoch. »Zehn Mäuse, dass Cam länger draufbleiben kann als irgendeiner der Jungs.«
»Darauf wette ich nicht«, sagt Ash zu ihr. »Cam ist die absolut Beste auf einem Wakeboard.«
Ich werfe ihm einen Blick zu. »Fast so, wie ich die absolut Beste auf einem Snowboard bin.«
»Hey, hey, ist noch ein bisschen früh dafür, Blödsinn zu labern, oder?«, meint Z.
»Es ist kein Blödsinn, wenn es wahr ist«, wirft Ashs vierzehnjähriger Bruder Logan ein. Er schenkt mir ein breites Lächeln, und ich kann nicht widerstehen, ihn kurz mit einem Arm an mich zu drücken. Ich liebe diesen Jungen so sehr, dass es lachhaft ist, und die Tatsache, dass er immer noch lächeln kann, immer noch so fröhlich ist, trotz allem, was er im letzten Jahr durchmachen musste, haut mich völlig um. Nicht nur, dass er seine Eltern bei einem schrecklichen Autounfall verlor, er wurde durch diesen Unfall auch noch querschnittsgelähmt. Und trotzdem ist er hier, lacht und scherzt herum wie der knallharte Typ, der er ist.
»Wenigstens kennt Logan die Wahrheit«, sage ich mit einem Augenzwinkern. »Und das ist alles, was zählt.«
»Kannst du es mir beibringen?«, fragt Tansy, während Z das Boot zum Stillstand bringt.
»Klar. Ich .«
»Hey, ich werde es dir beibringen, Baby«, sagt Ash zu ihr.
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass Cam besser ist als du«, erwidert sie mit großen, unschuldigen Augen. »Und ich will von der Besten lernen.«
Ich lache laut los. Ich kann nicht anders - wie Ash die Kinnlade runterklappt, ist absolut unbezahlbar, und eine Sekunde lang wünschte ich, ich hätte mein Handy draußen, damit ich ein Foto davon machen könnte. Ich werfe einen Blick zu Luc, weil ich den Witz mit ihm teilen möchte, doch der sieht hinaus aufs Wasser. Sieht mich ganz bewusst nicht an. Beteiligt sich ganz bewusst nicht an der Unterhaltung über mich.
Ich hasse das, verdammt!
Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt - oder der richtige Ort -, um über das Desaster unserer Freundschaft nachzudenken. Also bahne ich mir einen Weg zum Heck des Bootes und klettere auf den Sitz. Wobei ich darauf achte, Luc unterwegs anzurempeln. Es funktioniert. Für eine Sekunde, nur eine Sekunde, sieht er mich an. Und dieses Mal, als sich unsere Blicke treffen, lächelt er ein wenig.
»Zeig es ihnen da draußen.«
Erleichterung durchströmt mich, und ich lächle wahrscheinlich viel mehr, als seine Bemerkung es rechtfertigt.
»Das habe ich vor.«
Ich schnalle mir mein Wakeboard an die Füße, dann rutsche ich über den Bootsrand und mit einem Platschen in den See. Erschrocken schnappe ich nach Luft - es ist zwar erst September, aber hier oben in den Bergen ist das Wasser bereits ziemlich kalt. Nicht kalt genug für einen Neoprenanzug, aber definitiv kalt genug, um mich bei der ersten Berührung frösteln zu lassen.
»Bist du so weit?«, ruft Z.
Ich greife die Leine und bringe mich mit an die Brust gezogenen Knien und parallel zum Heck des Bootes ausgerichtetem Board in Position.
»Gib Gas!«, rufe ich ihm zu.
Er lacht wie ein Verrückter, aber als er losfährt, tut er es langsam und gleichmäßig. So ist Z eben. Er ist ein Adrenalinjunkie, der so ziemlich alles einmal ausprobieren würde - sogar Dinge, die das Potenzial haben, ihn umzubringen -, doch wenn es um den Rest von uns geht, ist er total bodenständig und absolut verantwortungsbewusst.
Das ist eines der Dinge, die ich an ihm liebe. Eines der Dinge, die mich früher glauben ließen, ich sei in ihn verliebt, obwohl es in Wirklichkeit mehr Vernarrtheit als irgendetwas anderes war. Es gibt nicht viele Menschen in meinem Leben, die versuchen, sich um mich zu kümmern - die Tatsache, dass Z das immer getan hat, machte ihn zu etwas Besonderem. Aber diese Art von Freundschaft mit Liebe zu verwechseln, war dumm von mir und etwas, worüber ich völlig hinweggekommen bin, sobald ich akzeptierte, dass Ophelia nirgendwo hingehen würde. Weil sie Z wirklich liebt und er sie genauso liebt. Was sie für ihn getan hat - wie sie ihm geholfen hat, mit dem ganzen Mist in seinem eigenen Leben klarzukommen -, bedeutet mir mehr als alle Gefühle, die ich damals für ihn gehabt haben mag.
»Hey, schneller«, rufe ich, als er sich in Sachen Geschwindigkeit allzu sehr zurückhält. »Wir kommen ja kaum vom Fleck!«
Er stößt ein weiteres wahnsinniges Lachen aus, winkt aber zur Bestätigung. Und dann setzen wir uns in Bewegung und pflügen mit genug Geschwindigkeit durchs Wasser, um meinen Adrenalinspiegel in die Höhe zu treiben.
Ich verlagere die Hüften, lasse das Brett einsinken, wie es das schon will, seit wir Fahrt aufgenommen haben. Inzwischen kann ich den Zug in meinen Schultern spüren, aber ich widerstehe dem Drang, aufzustehen. Noch nicht, noch nicht, noch nicht .
Wir erreichen geschätzte dreißig Stundenkilometer, und jetzt ziehe ich mich hoch. Wir rasen inzwischen über den See, und ich lache, als mir das Wasser ins Gesicht spritzt. Für lange Sekunden lasse ich die Arme entspannt, die Knie gebeugt und fahre einfach. Wir sind schnell, und das Boot wirbelt das Wasser auf und macht es ein wenig kabbelig. Aber so mag ich es - und während Z das Tempo weiter erhöht, verlagere ich mein Gewicht und haue ein paar Ollies raus.
Logan jubelt anfeuernd, und ich lache, lasse mich aber darauf ein, noch ein paar Tricks für ihn zu machen - einen Corked Spin, gefolgt von einem Monkey Spin, einem Invert, ein paar verschiedenen Drehungen. Dann gibt Z richtig Gas und macht eine Kehrtwende, um dieselbe Strecke ein zweites und auch ein drittes Mal zu fahren.
Ich grinse jetzt wie eine Verrückte, denn ich liebe es, wenn er das macht, liebe das Gefühl, wenn sich die Wellen kreuzen und dreimal so hoch werden wie normal. Ich senke die Schultern, ducke mich, und als es sich richtig anfühlt, als es sich perfekt anfühlt, springe ich. Ich kriege wahnsinnig viel Air, genau so, wie ich gehofft habe, und mache einen Double Inverted Cork, den ich trotz der riesigen Heckwelle perfekt lande.
Das ist ein verdammt...
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