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Hier ein paar echte Geschichten, die mir Menschen auf Twitter anvertraut haben. Und wer sie gelesen hat, der versteht, warum Mobbing Spuren hinterlassen kann:
Mobbing ist etwas Furchtbares. Häufig aber ist die Reaktion darauf lapidar: »Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.« Das hört man oft. Zu oft. Ich kann dieses Sprichwort nicht ausstehen. Eine mündliche Prüfung, vor der du Angst hast, die du aber trotzdem bewältigst - die macht dich stärker. Die Klamotten brennend im Mülleimer vorzufinden, deinen Kopf an die Wand geschmettert zu bekommen, permanent zum Suizid aufgefordert zu werden - das macht dich nicht stärker. Das macht dich kaputt.
Ja, das Sprichwort hat einen wahren Kern. Wir wachsen an Herausforderungen. Wenn sie schwierig sind, aber nicht unmöglich, wenn sie unsere Fähigkeiten beanspruchen, aber bewältigt werden können. Doch Mobbing kann nicht bewältigt werden. Mobbing macht dich hilflos. Es zwingt dich in eine Situation, die dich quält und an der du nichts ändern kannst. Das stärkt dich nicht. Das zermürbt dich, es traumatisiert dich und hinterlässt Narben.
Mobbing erhöht das Risiko, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken.
Eigentlich funktioniert die Psyche nicht anders als der Körper. Wenn wir mit Gewichten trainieren, die so schwer sind, dass wir sie gerade noch bewältigen können, dann wachsen unsere Muskeln und wir werden stärker. Wenn wir uns hingegen überfordern, indem wir uns zu viel Gewicht aufladen, dann riskieren wir eine Verletzung und bleibende Schäden. Auch deshalb greift der Satz zu kurz:
»Was dich nicht umbringt, macht dich stärker«. Ich würde eher sagen: »Was dich nicht umbringt, kann tiefe Narben hinterlassen, die dich noch Jahre später beeinträchtigen.«
Menschen sind unterschiedlich gut darin, belastende Situationen im Leben wegzustecken, ohne permanente Schäden davonzutragen. Was man in der Psychologie als Resilienz bezeichnet, lässt sich als Wider-standsfähigkeit übersetzen. Je nachdem, wie hoch diese ausfällt, können Schüler*innen Mobbing langfristig besser oder schlechter bewältigen.
Hier zwei Beispiele:
Wir sollten nicht vergessen, dass Kinder und Jugendliche emotional besonders verletzlich sind. Stressreiche Ereignisse oder Lebensumstände, die ein*e Erwachsene*r gut wegsteckt, können eine*n Schüler*in überfordern. Und es sagt nichts über deine menschliche Qualität aus, ob du viel oder wenig Resilienz hast! Wenn dich etwas mehr mitnimmt als andere, heißt das nicht, dass du weniger wert bist. Menschen sind unterschiedlich widerstandsfähig. Doch was passiert, wenn das Mobbing zu lange andauert, zu sehr schmerzt, nicht zu ertragen ist? Was passiert, wenn der Widerstand eines Menschen gebrochen wird?
Wer sich Methoden aneignet, um effektiver mit Stress umzugehen, kann seine Resilienz trainieren und sich langfristig gegen Mobbing stärken.
Ich war gut in der Grundschule. Ich hatte eine Eins in Mathe, in Deutsch und Sachkunde eine Zwei, eine Drei in Sport. Als sich in der vierten Klasse abzeichnete, dass ich im nächsten Schuljahr aufs Gymnasium wechseln würde, platzte meine Mutter vor Stolz. Mein Opa war Lastwagenfahrer, mein Vater Dachdecker, meine Mutter arbeitete als Putzfrau. Mein Bruder ging auf die Realschule. Und ich würde der Erste in der Familie sein, der ein Gymnasium besucht.
Zugegeben: Ich hatte ein paar Eingewöhnungsschwierigkeiten. Die guten Noten flogen mir plötzlich nicht mehr zu und ich musste echt viel lernen. Aber das war okay. Ich schlug mich tapfer und konnte im Februar ein solides Halbjahreszeugnis vorweisen, auf das ich stolz war. Dann drehte sich der Wind. Ein paar meiner Mitschüler*innen, die ich für Freunde gehalten hatte, wendeten sich gegen mich. Und es wurde von Tag zu Tag schlimmer: Sie machten sich über mich und meine Familie lustig. Ich sei fett, ekelhaft und stinke. Und ich könne mir nicht mal die Schuhe binden (das stimmte). Meine Mutter sei eine widerliche »Putze«, die fremde Scheiße aus Klos wische. Sie warfen mein Mäppchen und meine Hefte vom Tisch, versteckten sie außerhalb des Klassenzimmers oder warfen sie aus dem Fenster. Sie machten das auch mit meiner Schultasche, meiner Jacke, meinen Sportsachen. Was mit Kneifen und leichten Schlägen auf den Oberarm begann, wurde bald zu Tritten und Schlägen in den Magen.
Die Pausen waren am schlimmsten: keine Lehrer*innen, keine Regeln. Es war die Hölle. Vor Beginn der Pause begann ich zu zittern, mein Bauch tat weh, mein Kopf ratterte. Wo sollte ich mich verstecken? Wie war ich möglichst unauffällig? Was würden sie diesmal mit mir anstellen, wenn sie mich fanden?
Ich hörte auf, in der Pause auf die Toilette zu gehen, weil ich wusste, dass sie dort warteten. Weil meine Lehrer*innen nicht bemerken sollten, dass etwas nicht stimmt, hielt ich meinen Harndrang den ganzen Tag ein - bis ich zu Hause war. Die Pause war keine Erholung, sondern ein Überlebenskampf. Die Schule war die Wildnis.
Im Juni des Schuljahres saß ich zum ersten Mal vor einem unangekündigten Test und realisierte: Du hast nicht gelernt. Du warst zu beschäftigt damit, Angst zu haben. Du weißt nicht, was im Unterricht besprochen wurde. Du warst zu beschäftigt damit, dich vor der Pause zu fürchten.
Ich schrieb eine Sechs in dieser Arbeit. Es sollte nicht die letzte sein. Bis zum Schuljahresende verschlechtern sich meine Noten immer weiter. Im Zeugnis stehen nur Dreien und Vieren.
Und das Schlimmste war: Es war mir egal. Wirklich: Es war mir völlig egal geworden, was für Noten ich schrieb. Alles, was ich wollte, war, nicht aufzufallen. Mich zu verkriechen. Alles, was ich wollte, war: zu überleben.
Erst heute kann ich verstehen, was damals in mir vorging. In Stresssituationen stellt sich der Körper auf »Fight or flight« ein - kämpfen oder fliehen. Das ist ein Überbleibsel der Evolution und bedeutet: Wenn du in einer...
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