Schweitzer Fachinformationen
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Josch konnte sich in letzter Sekunde noch mit der linken Hand an dem alten Holzlauf des gusseisernen Geländers festhalten und war so damit beschäftigt, das Gleichgewicht zu halten und nicht samt Päckchen auf den Stufen zu landen, dass er die Person gar nicht richtig wahrnahm, die da gerade an ihm vorbeiraste. Er hörte ein genuscheltes »'tschuldigung!« und sah aus dem Augenwinkel etwas Gelbes, schon war werauchimmer aus dem Hausflur verschwunden und auf die Straße rausgelaufen.
»Himmel!«, erschrak er sich und ging schließlich weiter, die Treppe hoch, in der Hoffnung, die Praxis Toni Meier zu finden, um das Päckchen abzugeben. Müller, Meyer, Schmidt gab es wie Sand am Meer, aber mit »i« und das zweimal in einem Haus, das hatte er in der Tat und trotz etlicher Umzüge noch nicht gehabt. Erst vor drei Wochen war er zusammen mit seinem 10-jährigen Fast-Pubertier in die Wohnung im Erdgeschoss eingezogen und hatte schon am ersten Tag, als er sich die Namen auf dem Messingklingelschild draußen vor der Tür angesehen hatte, festgestellt, dass sie nicht die einzigen Meiers waren. Mit dem Unterschied wohlgemerkt, dass sie hier wohnten und das andere Meier eine Praxis war. Nicht irgendeine, sondern die »Praxis für Sexualtherapie, Toni Meier«. So stand es auch auf dem goldenen Schild mit der schwarzen Gravur, vor dem er jetzt stand. Das konnte ja was werden, dachte er schmunzelnd. Gott sei Dank war die Praxis im zweiten Stock und nicht im Erdgeschoss und da am besten noch mit separatem Eingang draußen, wo man ihn von der Straße aus hätte sehen können. Seinem Sexualleben ging es nämlich gut. Zumindest dann, wenn er mal eines hatte. Okay, das war in letzter Zeit eher selten, die wilden Zeiten waren halt vorbei mit Anfang vierzig, und alleinerziehender Vater zu sein, machte die Sache auch nicht leichter. Aber wenn, dann war es - wie er fand - immer alles . bestens, wenn man das so sagen konnte. Während er unweigerlich doch mal darüber nachzudenken begann, ob mit seinem Sexleben wirklich alles okay war, klingelte er noch einmal und betrachtete neugierig das Päckchen. Was da wohl drin war? Sextoys mit Anleitung? Ratgeber? Erneut musste Josch schmunzeln und bemerkte, dass er heute unerwartet albern war und der Teil seines Gehirns, der für die Phantasie verantwortlich war, gerade einen ordentlichen Schub bekam. Es ratterte. An Phantasie hatte es ihm noch nie gefehlt. Sonst wäre er nicht jahrelang erfolgreich in der Werbung tätig gewesen und jetzt Buchautor. Okay, als Autor war er nicht ganz so erfolgreich wie als Texter, aber das würde schon noch kommen. Eine Frage der Zeit, versuchte er sich selbst immer wieder zu beruhigen. Aber der Job in der Agentur war mit Kind nicht vereinbar. Während eine Assoziationskette der nächsten die Hand reichte, fiel ihm auf, dass die Tür zur Praxis überhaupt nicht richtig geschlossen war. Sie stand kaum sichtbar, aber doch eindeutig offen. Josch überlegte einen Moment, dann schob er sie mit dem Ellenbogen vorsichtig etwas weiter auf.
»Hallo?«, fragte er in den leeren Flur. Niemand antwortete. »Haaalloo?«, versuchte er es erneut, aber alles blieb still.
Einbrecher, schoss es ihm durch den Kopf. Josch betrachtete das alte Schloss. Keine Einbruchsspuren. Er überlegte, ob die Person, die ihn gerade beinahe umgerannt hätte, vielleicht die Einbrecherin war. Er hatte zwar niemanden wirklich gesehen, aber die Stimme war eindeutig die einer Frau gewesen. Oder Mord? Lag in der Wohnung womöglich eine leblose Person? Josch schüttelte den Kopf, drückte die Tür weiter auf und ging in den Flur. Er musste dringend aufhören, jeden Abend irgendwelche düsteren skandinavischen Thriller zu lesen. Auf dem Klingelschild stand Toni Meier, auf dem Päckchen stand Toni Meier. Fertig. Er würde es jetzt einfach hier irgendwo abstellen. Wo auch immer diese Frau war, sie war nicht hier. Oder sie war schwerhörig. Josch trat in den Flur und sah sich um. Die Praxis war anders als seine Wohnung geschnitten und hatte außerdem schönes altes Fischgrätparkett. Bei ihm waren es breite Dielen. Auch nett, aber der Boden hier sah wirklich klasse aus. Er blickte nach rechts in eine kleine Küche, in der sich Becher und Gläser auf der hölzernen Arbeitsplatte türmten, dann den Flur entlang, in dem sich links ein paar Haken an der Wand befanden, die offenbar eine Garderobe sein sollten, und rechts an der Wand drei Stühle und ein Beistelltisch mit ein paar wenigen Zeitschriften. Vermutlich so etwas wie Psychologie heute. Oder etwa doch der Playboy? Was las man in Vorbereitung auf einen Termin bei einer Sextherapeutin? Josch hatte keinen blassen Schimmer. Ein Warteflur, schlussfolgerte er und sah nach links, wo sich ein etwas größerer Raum befand, dessen Fenster auf den Innenhof rausgingen. Es gab sogar einen Balkon, stellte er fest. Den hatte er im Erdgeschoss natürlich nicht, dafür aber eine kleine Terrasse und einen Garten, der in etwa so groß war wie ein herkömmliches Doppelbett - immerhin. In dem Raum standen ein kleiner runder Tisch und drei schwarze Ledersessel, die ihn an seine Zeit in der Agentur erinnerten. An der Wand ganz links war eine Liege mit gläsernem Beistelltisch zu sehen und auf dem Tisch eine schmale Vase mit einer einzelnen, langstieligen Blume, von der er wusste, dass seine Oma sie geliebt hatte und er sie nicht riechen konnte - die Blume. Daneben drängten sich auf engem Raum eine Stehlampe, ein Sideboard, beides Designklassiker, ein paar Haufen mit Zeitschriften und alles mögliche andere Zeug. Aufgeräumt war anders, wunderte er sich und sah nach rechts. Eine alte, breite und geöffnete Flügeltür gab den Blick frei in den angrenzenden nächsten Raum, dessen hintere Wand, auf die er jetzt sah, von einem riesigen Bücherregal verdeckt wurde, das die komplette Fläche bis hoch unter der Decke ausfüllte. Davor befand sich ein großer, moderner Schreibtisch, auf dem ein unglaubliches Chaos herrschte. Josch ging langsam in den Raum hinein. Da sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite jeweils ein Stuhl wartete und das, was auf dem Schreibtisch lag und sich teilweise stapelte, keiner Richtung zuzuordnen war, war nicht klar, wer hier wo saß. Oder war das Ganze nur eine Ablage und gar kein Schreibtisch? Saß hier überhaupt jemals jemand? Apropos. Josch sah sich noch einmal um, entdeckte aber weder eine Leiche noch andere, lebende, Personen, ging zielstrebig auf den Schreibtisch zu, stellte das Päckchen darauf ab und betrachtete die Bücherwand. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf sah er sich die Titel auf den Buchrücken an. Der Hund, der um die Ecke pupsen kann, Apnoetauchen, Japanische Tattoos, Das Verschwinden der . Josch wurde von einem schrillen »Daaa bin ich!« aus seinen Gedanken gerissen, die sich um die Frage drehten, warum hier Bücher über pupsende Hunde und Krimis standen und nicht das, was er erwartet hatte. Fachliteratur über alle möglichen Themen rund um Sex.
»Himmel, haben Sie mich erschreckt!«, schoss es aus ihm raus, nachdem er sich umgedreht und die Frau, die durch den Raum auf ihn zuhetzte, erblickt hatte.
»Ich habe nur kurz das Päckchen .«, wollte er sich gerade entschuldigen und hob unschuldig die Hände, als die leicht rundliche Frau mit dem dunkelbraunen Lockenkopf, die er auf Mitte dreißig schätzte, ihn unterbrach.
»Diese Parkplatzsuche in Hamburg macht mich wahnsinnig! Es tut mir leid! Nächstes Mal plane ich eine Übernachtung mit ein, damit ich pünktlich bin. Verrückt! Da wartet man so lange auf einen Termin bei Ihnen . Sie sind ja wirklich heiß begehrt, wenn ich das so sagen darf . und kommt zu spät! Unfassbar!« Die Frau wickelte umständlich ein rotes Tuch von ihrem Hals, zog die Jacke aus, warf beides auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand, hinter dem Josch sich befand, atmete gestresst tief ein und wieder aus, bevor er überhaupt dazu kommen konnte zu erklären, dass er nicht die Person war, für die er offensichtlich gerade gehalten wurde. Wobei das ja auf der Hand lag, wenn man lesen konnte, wunderte er sich. Obwohl? Toni Meier? Das konnte natürlich im Grunde auch ein Mann sein. Aber die Grundgute musste doch hier angerufen und einen Termin vereinbart haben und spätestens dann . oder hatte sie den online gemacht? Aber auch dort musste doch etwas von einer »Therapeutin« gestanden haben.
»Entschuldigung, ich bin nicht .«, wollte er gerade die Situation aufklären, heilfroh, dass es sich bei der Dame nicht um die Besitzerin dieser Praxis handelte. Denn die hätte sich mit Sicherheit gefragt, was er hier zu suchen hatte.
»Sie sind ja überhaupt nicht Frau Meier«, stockte die Halstuchdame jetzt und kam mit ihrem Oberkörper leicht vor, als könnte sie dann besser erkennen, wer vor ihr stand.
»Nein, ich bin nicht Frau Meier«, erklärte Josch. »Ich bin Herr Meier und .«
»Ach, und sind auch Therapeut? Abgefahren. Dann haben Sie ja sicher immer Gesprächsstoff. Krass! Da wird Ihnen bestimmt nicht langweilig. Und Sie vertreten Ihre Frau oder wie?«
»Toni Meier, also .«
»Toni! Genau! Ich war gerade nicht auf ihren Namen gekommen. Ach, egal. Also. Warum ich hier bin«, sie stockte und sah zu ihm hoch. »Wollen Sie sich nicht setzen? Das macht mich ganz nervös, wenn Sie da so stehen«, erklärte sie und deutete mit ihrem Blick auf den Holzstuhl, der direkt vor Josch stand.
»Nein, also, das ist eine .«
»Sie können natürlich auch stehen bleiben. Sorry, ich wollte nicht übergriffig sein. Das passiert mir manchmal. Aber nur manchmal. Eigentlich habe ich das in letzter Zeit ganz gut in den Griff bekommen. Also, finde ich jedenfalls. Wobei das natürlich auch alles relativ ist. Auf alle...
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