Schweitzer Fachinformationen
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Da stand sie, die Frau.
Neben ihr stand ihr Hund und das Bild wirkte aus der Ferne seltsam verstörend, obwohl ich den Grund dafür nicht benennen konnte.
Still und ergeben standen sie auf diesem kleinen Weg hinter unserer Straße. Es war schon fast finster, der Wind versuchte Bäume umzuknicken (im Wiener Becken könnte man jederzeit einen Surfplatz eröffnen!) und es schüttete in Strömen. Sie hatte keinen Regenschirm dabei, trug keinen wetterfesten Mantel und hielt die kurze Leine fest umklammert wie einen Rettungsanker im Meer.
Frau und Hund waren völlig durchnässt. Als die Frau uns kommen sah, zog sie den Hund noch näher zu sich heran und führte ihn dann ganz dicht an den Zaun.
Dort blieb sie wieder stehen, ruhig, leblos, zombiehaft. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment den Halt verlieren und umkippen. Ich sah im Geiste schon ihre Knie wegknicken, sah sie ins nasse Grün auf den Hund niedersinken, um dann im durchweichten Boden für immer im Erdreich zu verschwinden. Sie wirkte so dünn und zerbrechlich wie ihr Hund. Es war unheimlich.
Als ich ihr durch die kalte laute Regenwand beruhigend zurief, dass von meiner ohnehin immer angeleinten Samojedenhündin Felicita keine Gefahr für ihren Hund ausgehe, nickte sie ergeben.
Wir näherten uns vorsichtig und dann sah ich ihr von der Straßenlaterne angeleuchtetes Gesicht. Sie weinte.
"Mein Hund ist sehr krank!", schrie sie mir durch die Wasser-, und Tränenflut zu. "Giardien! Entweder überlebt er, oder wir sterben beide." Und tatsächlich sahen beide ziemlich jenseitsnahe aus, der völlig abgemagerte und kotverschmierte nasse Hund zitterte mit ihr um die Wette. Die Verzweiflung hüllte beide in der Finsternis ein wie in ein schmutziges Leichentuch.
"Das tut mir so leid für Sie!", rief ich ihr zu, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Ich kannte die Situation. Oh, wie gut ich sie kannte! Ein Hund mit chronischem Durchfall ist genau das, wo Außenstehende sagen: Ist ja nicht so schlimm, das wird schon wieder!
Klar, Giardien sind kein Todesurteil, aber es ist immer eine Frage der Tagesverfassung, der durchgemachten Therapien, die nichts brachten außer Spesen, der falschen Diagnosen sowie der erlebten Traumatisierungen, um zu begreifen, dass eines Tages tatsächlich alles wieder gut wird.
Es ist nie so schlimm, wenn man nicht persönlich betroffen ist.
Wenn man nicht selbst alle fünf Minuten in der pechschwarzen Nacht durch den Tiefschnee oder über versalzene, spiegelglatte Wege schlittert, ist es nicht so schlimm. Wenn man jemanden hat, der einem hilft wehrhafte Hundepfoten in enge Silikonschuhe zu stecken, ist es nicht so schlimm. Wenn man jemandem seine Sorgen anvertrauen kann und wenn man nicht selbst Nacht für Nacht fiebrig, frierend und hustend mit einem kranken Vierbeiner im Schlepptau durch die böse Finsternis wankt, ist es nicht so schlimm.
Wenn man einen Hund hat, der keine Bauchschmerzen und Blähungen hat, nicht winselt und hechelt, speichelt und sich auf Teppiche und Polstermöbel übergibt oder seinen Kot im Haus verteilt, weil er es gar nicht mehr bis ins Freie schafft, ist es nicht so schlimm.
Am schlimmsten ist so eine es-ist-doch-gar-nicht-so-schlimm-Situation für den Hund selbst, denn Hunde sind sehr reinliche Tiere.
(Dass sie sich gelegentlich und aus unter Hunden sicher guten Gründen in Aas wälzen, ist eine andere Geschichte.) Jeder gut geeichte Hund sucht sich sein Klosett möglichst weit weg von seinem Schlafplatz. Da das perfekte Klo immer in Nord-Süd-Richtung liegt, kann die Suche manchmal länger dauern. Vor allem bei Dauerregen, Sturm, Hagel oder extremer Hitze sucht der geliebte Vierbeiner zeitverzögert nach der passenden Stelle im dichtesten Dickicht und dreht sich und bückt sich, um dann endlich - doch lieber wieder weiterzusuchen. Hunde kacken mit Längsachse in Nord-Süd-Richtung nur, wenn das Erdmagnetfeld ruhig ist. Ist das Erdmagnetfeld an Sonnensturmtagen verzerrt, kacken Hunde kreuz und quer. Seit 2022 hatten wir jede Menge Sonnenstürme, man kann den Hunden daher wirklich keinen Vorwurf machen. Nicht mal Felicita, der Meisterin im Suchen von kilometerweit von Zuhause befindlichen Toiletten. Die weiße Lady würde niemals ihr großes Geschäft im Garten verrichten, weder im Norden noch im Süden, auch nicht, wenn ihr der Dünnpfiff schon aus den Ohren quillt.
Niemals.
Das kann sehr anstrengend sein, wenn draußen Attentäter lauern und man deshalb aufgerufen wird, das Haus nicht zu verlassen oder wenn im soundsovielten Lockdown spuckende und hustende Virenträger durch die Gassen kriechen und man mehrmals tagsüber und in der Nacht lange, unerfreuliche, nervenaufreibende Spaziergänge bei jedem Gesundheitszustand und bei jeder üblen Witterung absolvieren muss.
Wie heißt es so schön? In guten wie in schlechten Zeiten! Unsere Zeiten waren ziemlich schlecht. Wenn man schon tagsüber den Zen-Meister gibt und den geliebten Vierbeiner stoisch dabei betrachten lernt, wie er an jedem Grashalm ausgiebig Rast macht, um minutenlang daran zu riechen - während man selbst schon Wurzeln im Erdreich schlägt und eigentlich sehr gerne schnell geht- kann dieses Szenario nachts sogar den Stärksten immens verstören.
Za-Zen bedeutet, in einer aufrechten Haltung tiefer Konzentration einfach zu sitzen. Nächtliches Zeitlupen-Gassi unter unbequemen Bedingungen ist möglicherweise die erweiterte Form des Soto-Zen, aber im echten Leben besonders unlustig, wenn man gerade noch in der Rem-Phase war. Man könnte einfach die Gartentür öffnen und der Hund hätte da ein komfortables, hauseigenes Klosett! Ganz stressfrei, völlig ungestört und für alle Beteiligten erfreulich. Aber nein. Öffnen kann man die Türe zwar, um dann alleine im Nachtgewand und mit nackten Füßen über eiskalten Beton, nackte Schnecken, das AA fremder Katzen und nasses Gras zu stolpern. Der geschätzte Hund guckt dabei interessiert von drinnen zu, aber Kacken muss weit, weit weg. Man schließt genervt die Gartentüre, während der Hund drinnen hektisch hechelt, weil er schon dringend muss. Man schlüpft in vorsorglich bereitgelegte Klamotten und beschreitet zombiehaft und mit ewig schwarzen Ringen unter den Augen den verhassten Nachtwanderweg Richtung Stammhäusel des Vierbeiners.
Das zermürbt und schadet der Freundschaft. Der eigenen Gesundheit schadet das auch, denn nichts ist so schlecht für das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System wie eine unzureichende oder ständig gestörte Nachtruhe. Wie eine Studie aus China zeigt, kann man versäumten Schlaf bis zu einem gewissen Grad an den nächsten Tagen nachholen. Wird aber der Schlafentzug chronisch, funktioniert das leider nicht mehr. Bei ständigem Schlafentzug ermüdet die Psyche. Wer regelmäßig wenig schläft, wird dement und ist anfälliger für Herzversagen, Vorhofflimmern und Schlaganfälle. Die Wohlfühlhormone Serotonin und Dopamin sinken, die Stresshormone Cortisol und Adrenalin steigen. Diese Werte sind nachweislich auch noch über ein Jahr nach Beendigung des Stresses zum Nachteil verändert! Ist der Betroffene auch noch mit schlechter Resilienz gesegnet folgen Verweigerung und der Zulauf zu extremen Gruppierungen. Bahn frei für teure Wunderheiler und die ganze exotisch- mittelalterliche Truppe der irren Tierkommunikatoren, Wanderhuren, Auraleser, Aromatherapeuten, Kartenleger, Kräuterhexen, Geisterheiler und unzählige andere Magnetfeld-Schwurbler, mit der sich sonst nur Hollywoods Elite umgibt, wenn es auf der Yacht zu langweilig wird.
Dann sieht man auch noch das Blut im Kot, nachdem man den frischen Haufen olfaktorisch geortet und anschließend akribisch mit der Taschenlampe des Handys von allen Seiten beleuchtet hat.
Monks wie ich scheuen in solchen Momenten nicht davor zurück, ein Ästchen zur Hand zu nehmen und darin herumzustochern, um auch die Farbe im Inneren zu beurteilen. In meiner schlimmsten Zeit musste die Dame des Hauses das Ausgeschiedene des Hundes im Plastikbeutel mit nach Hause tragen, wenn sie den Hund alleine Gassi führte.
Spätestens wenn die Augen das Blut sehen, macht das Gehirn einen Rückwärtssalto und schaltet in den Offline-Modus, die Nacht wird zur Hölle. Man denkt nicht mehr über die fiese Freundschaft nach, man verzweifelt. Vielleicht nicht gleich, aber spätestens nach ein paar Monaten mit einem schubweise kranken Hund. Das ganze Leben dreht sich nur noch um den Stuhlgang des Hundes, was so weit geht, dass man Verabredungen gar nicht mehr eingeht, weil man nie wissen kann, wie die Nacht wird, aber stattdessen den sich langsam wieder zur Wurst formenden Haufen ablichtet (zur Not mit Blitzlicht!) und freudig erregt auf Facebook postet. So groß können Freude und Erleichterung sein, dass man sich über nichts so sehr entzückt wie über endlich wieder wohlgeformtes Kacki.
Einen langfristig magen-darmkranken Hund zu haben macht Menschen unglücklicher als gedacht.
Unglücklich sein passt aber leider nicht gut in unsere Regenbogenglitzergendergesellschaft und wird noch viel weniger oft laut ausgesprochen. Höchstens sehr leise denken darf man, dass man nicht so wirklich...
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