Schweitzer Fachinformationen
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Bevor wir ins Detail gehen und uns die einzelnen Bestandteile der Bäume genauer ansehen, sollten wir einen Blick auf die Gesamtform werfen. Denn diese verrät uns oft schon von Weitem, wie es um den Baum bestellt ist. Um die entsprechenden Schlüsse ziehen zu können, müssen wir uns zunächst einen Überblick darüber verschaffen, nach welchen Prinzipien Nadel- und Laubbäume wachsen.
Nadelbäume sind stur. Egal, was kommt, sie entwickeln schön gerade Stämme, die exakt nach oben weisen. Oder genauer gesagt streben sie immer in die entgegengesetzte Richtung wie die Schwerkraft. Ein Baum ist so gerade wie der andere, und das prägt auch die gewisse Monotonie von Nadelwäldern. Diese Uniformität macht es uns besonders leicht, Abweichungen festzustellen. So schaffen es starke Sturmböen manchmal nicht, einen Baum vollständig umzuwerfen. Mit letzter Kraft klammert sich dieser an den Boden, sodass sein Wurzelteller nur von der Windangriffsseite her hochgehoben wird. Auch wenn es nur wenige Zentimeter sind, so bewirkt diese Anhebung doch eine sichtbare Schiefstellung des Stammes. Gelingt es dem Baum, nochmals feste Erde unter die Füße zu bekommen, genauer gesagt, sich mit neuen Wurzelausläufern zu verankern, so kann das Wachstum weitergehen. Und zwar wieder senkrecht nach oben. Den schiefen Schaft kann der Baum nicht mehr korrigieren, da er ja immer nur an den Zweigspitzen, sprich oben, weiterwächst. Demzufolge entsteht ab diesem Moment eine Kurve im Stamm. Wenn Sie die Jahre von oben herab bis zum Beginn der Krümmung abzählen (siehe »Altersschätzung« auf Seite 117), so können Sie auch nachträglich den Zeitpunkt des Sturms feststellen.
Es gibt noch andere Kräfte, die einen Baum aus dem Gleichgewicht bringen. Wirken diese über lange Zeiträume gleichmäßig hinweg, wie beispielsweise häufige Winde in rauen Höhenlagen, so wächst der Stamm wie eine lang gezogene Kurve. Eine ähnliche Wirkung hat das sogenannte »Bodenfließen«. In Hanglagen ist die obere Bodenschicht oftmals instabil. Sie »fließt« im Laufe der Jahre wie zäher Pudding ganz langsam zu Tal, oft nur im Bereich von Zentimetern oder Millimetern pro Jahr. Mit bloßem Auge ist das nicht wahrzunehmen, aber die Bäume verraten die Bewegung. Im gleichen Maße, wie der Schaft durch den rutschenden Untergrund schiefgestellt wird, versucht er oben wieder gerade zu wachsen. Das Resultat ist ebenfalls ein bogenförmiger Stamm.
Laubbäume verhalten sich grundsätzlich nach denselben Gesetzmäßigkeiten. Sturm oder Boden können also zu gleichen Wuchsbildern, zu ähnlich schiefen oder gekrümmten Stämmen führen wie bei den Nadelbäumen. Es gibt aber doch einen entscheidenden Unterschied: Obwohl es bei Laubbäumen auch möglichst senkrecht nach oben geht, halten sie sich nicht sklavisch an diese Vorgabe. Sobald es die Chance gibt, irgendwo mehr Licht zu erhaschen, biegen sie ab. Sie recken sich mit ihren Ästen in Richtung Helligkeit, und aus dem kräftigsten dieser Äste wird später der Stamm.
Welche Ursache für den Schiefstand verantwortlich ist, verrät bei Laubbäumen erst ein Blick auf die Lichtsituation. Gerade an Waldrändern ist der Unterschied zwischen Laub-und Nadelbaum gut zu beobachten. Während die benadelten Kollegen brav aufwärts streben, drängeln sich junge Laubhölzer ungestüm zum Rand hin durch. Der Vorteil: Obwohl Bäume naturgemäß ihren Standort nicht wechseln können, kann ein Laubbaum seinen Kronenaufbau um immerhin bis zu fünf Meter seitlich verlagern. Klingt nicht viel, ist aber ein bedeutender Unterschied. Das vermag eine kleine Beispielrechnung verdeutlichen: Ein Nadelbaum kann einen Kronenradius von acht Metern erreichen. Somit ist er auf die Lichtverhältnisse angewiesen, die auf diesen 201 Quadratmetern herrschen (= Kreisfläche der Krone). Ist auf dieser Fläche nicht genügend Platz und kein ausreichendes Licht vorhanden, da hier schon Konkurrenten stehen, so kann aus dem Baum nichts werden. Selbst wenn einige Meter entfernt jede Menge Sonnenstrahlen auf den Boden treffen, nutzt das dem jungen Baum wenig, da er ja nicht zur Seite wachsen kann. Bestenfalls wartet er lange Zeit und hofft, dass einer der Vorgänger das Feld durch Absterben räumt und so das Licht von oben anknipst. Laubbäume dagegen können in der schon geschilderten Weise die Krone verlagern, indem sie einfach einen schiefen Stamm ausbilden. Bei angenommen maximal fünf Meter Verlagerung und gleichem Kronendurchmesser erhöht sich dementsprechend der Radius um den Stamm von acht auf dreizehn Meter. Damit vergrößert sich die Fläche, auf der sich eine Lichtmöglichkeit finden kann, auf beachtliche 531 Quadratmeter. Durchschnittlich haben Laubbäume mehr als doppelt so viele Chancen, ein Fleckchen mit genügend Licht zum Wachstum zu ergattern. Das kann für das Überleben entscheidend sein.
Laubbäume können ihre lichtarmen Standorte nicht wechseln, aber ihre Kronen so verlagern, dass sie viele Sonnenstrahlen einfangen.
Bäumchen im Wartestand, denen es momentan zu dunkel ist und die auf mehr Helligkeit in der Zukunft hoffen, können Sie übrigens recht einfach erkennen: Egal, ob Nadel- oder Laubbaum, alle bilden längere Triebe an den Seitenästen als am Leit-/Höhentrieb. Das hat einen simplen Grund: Mit Volldampf alles in das Wachstum nach oben zu investieren, ist vergeudete Energie, da die Kraft im Schatten großer Bäume einfach nicht zum Erreichen des obersten Stockwerks ausreicht. Sinnvoller ist es, das bisschen Licht, welches zwischen den Altbäumen den Boden erreicht, möglichst vollständig aufzufangen. Und das kann man nur, indem man mit den Ästen rasch in die Breite wächst.
Das alles kann man aber auch weniger theoretisch sehen, ohne den Blick für das Wesentliche zu verlieren: Achten Sie einmal bei Ihrem nächsten Waldspaziergang auf Laubbäume verschiedenster Größen. Auch ohne die vorangegangenen Erklärungen können Sie intuitiv deren Zustand erfassen. Sind es hohe, majestätische Bäume mit einer mächtigen Krone? Diese haben es tatsächlich geschafft und sind die Herrscher des Waldes. Oder stehen sie gekrümmt und geduckt unter den größeren Exemplaren? Solche Bücklinge leiden wirklich unter der »Lichtknute« der Herrschenden, ducken sich weg und kümmern vor sich hin.
Jede Baumart besitzt eine charakteristische Form der Krone und der Zweige. So biegen sich die Astenden von Rosskastanien wie altmodische Schnurrbärte nach oben, während ältere Birken die Arme hängen lassen. Dahinter steckt oft ein tieferer Sinn: So recken sich beispielsweise Buchenzweige himmelwärts, um jeden Regentropfen zu ergattern. Entlang der Äste rinnen diese dann zielgerichtet zu den eigenen Wurzeln.
Bei Fichten gibt es unterschiedliche Rassen. Die eine lässt die Zweige von den Ästen baumeln, ganz wie Lametta vom Weihnachtsbaum. Was ein wenig traurig anmutet, dient dem Auskämmen von Nebel: Wabern die Schwaden im Frühjahr und Herbst durch die Krone, so hebt unter dem Baum bald ein heftiges Tropfen an. Fichten dieser Kategorie lassen es somit regnen, während andere Arten noch dürsten müssen.
Vertreter der schneereichen Regionen ordnen ihre Äste und Zweige dagegen dachziegelartig übereinander an. Fällt im Winter die weiße Pracht, so summiert sie sich zu einer tonnenschweren Last. Die Äste werden heruntergedrückt, allerdings ohne zu brechen. Denn die obere Lage stützt sich auf der jeweils unteren ab, sodass der eingepuderte Baum schließlich mit angelegtem Grün schmal und wartend da steht.
Auch die Birke verfolgt mit ihrem hübschen Hängewuchs kein optisches Ziel. Die pendelnden Zweige erinnern an Peitschen, und genau dies ist der Sinn. Steht nebenan ein anderer Baum, so bekommt er mit jedem Windstoß einen Schlag. Über die Monate und Jahre hält das auch der stärkste Trieb nicht aus: Er stirbt ab, das Höhenwachstum ist damit vorerst beendet. Konkurrenten der Birke kommen neben ihr im Wachstum oft nicht recht voran und bezeugen ihr Leid mit einem zerfetzten Gipfel.
Bäume sind soziale Wesen, und wie in jeder Gemeinschaft gibt es Hierarchien. Der absolute Spitzenplatz ist im Wortsinne ganz oben, über den Wipfeln der anderen. Hier scheint die Sonne ungehindert auf die Blätter, hier können Zucker und Holz im Überfluss gewonnen werden.
Im oberen Stockwerk bekommt der Baum am meisten Licht und bildet eine mächtige Krone aus. In Ihrem Garten oder in Parks gilt das für fast alle Bäume, da der Abstand zwischen ihnen meist so groß ist, dass sich jeder ungestört entwickeln kann. Im Wald sieht die Sache jedoch ganz anders aus, da sich hier Tausende Exemplare nach dem Licht recken. Sie kämpfen dabei zwar nicht gegeneinander (siehe Kapitel »Freunde« auf Seite 53), haben aber dennoch sehr unterschiedliche Stellungen. Man kann sogar ohne Übertreibung von einer Rangordnung sprechen, ähnlich einem Wolfsrudel. Auch hier würde jedes Tier gerne die Spitzenposition einnehmen, profitiert aber als rangniederes Mitglied ebenfalls von der Gemeinschaft.
Oberhäupter eines Waldes sind die großen Exemplare, welche mächtige Kronen gleichmäßig nach allen Seiten ausbauen konnten. Die ausladenden Äste tragen rund 200 000 Blätter, die über 1000 Quadratmeter Oberfläche bilden, bei ausgewachsenen Nadelbäumen sind es sogar noch einige Quadratmeter mehr. Neben ihnen stehen Bäume, die zwar gleich hoch sind, aber eine erheblich geringere Kronenausdehnung haben. Sie besetzen die kleinen Lücken, die zwischen den Riesen verbleiben. Auch sie sind in der Blüte ihrer Jahre, haben Teil am Sonnenbad in den Wipfeln, können aber wegen der kurzen Äste und der reduzierten Blattmasse deutlich weniger Kraft tanken als die...
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