Schweitzer Fachinformationen
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Die Salafisten trugen dunkle Vollbärte. Vier junge Männer in weißen Kaftanen, mit gehäkelten Gebetsmützen auf dem Kopf, hatten sich hinter ihrem Infotisch aufgestellt. Einer war etwas größer und kräftig gebaut. Die anderen nannten ihn Malik und schienen sich an ihm zu orientieren. Erwartungsvoll beobachteten sie die Passanten. Zwei fast mannshohe Plakatständer neben ihrem Infotisch zeigten den Koran. Darunter glänzte das Wort »LIES« in großen goldenen Buchstaben. Auf dem Tisch stapelte sich der Koran in zahlreichen Exemplaren zur kostenlosen Verteilung. Der rote Teppich vor dem Infostand in der Herstallstraße gab der Aktion etwas Feierliches.
Kommissar Rudolf Rotfux hatte direkt gegenüber, neben dem Eingang von »Peek & Cloppenburg«, Position bezogen. Er war froh, dass der Wetterbericht nicht stimmte. Eigentlich hätte es regnen sollen, aber nur einige weißgraue Wolken zogen über den ansonsten blauen Himmel. Neben der Säule, die sich links vom Eingang des Modehauses in die Höhe reckte, stand er etwas geschützt, für alle Fälle jedenfalls. Hinter ihm glänzte die breite Fensterfront, in der schon die neueste Herbstmode dekoriert war. Rotfux trug wie meistens einen gelben Pullover zu sportlichen Jeans. Mit seinen 45 Jahren sah er flott aus, einer der begehrtesten Junggesellen von Aschaffenburg. Seine rotbraunen Haare waren kurz geschnitten, seine braunen Augen musterten die Umgebung lebhaft, man sah ihm an, dass er viel Sport trieb. Nach mehreren spektakulären Fällen, die er in den letzten Jahren gelöst hatte, kannte man und mochte man ihn. So grüßten einige Passanten freundlich, die am Samstagvormittag durch die Fußgängerzone spazierten. Manche blieben kurz stehen, andere nickten ihm zu und gingen dann zielstrebig ihres Weges. Dass sie jetzt auch in Aschaffenburg den Koran verteilen müssen, dachte Rotfux. Reichte es nicht, wenn die Salafisten in Köln oder sonst wo aktiv waren? Mussten sie ausgerechnet nach Aschaffenburg kommen, wo bestimmt niemand auf sie wartete? Rotfux machte sich ernsthaft Sorgen über diese Entwicklungen. Seit 2015 immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, war eine Radikalisierung der Muslime das Letzte, was das Land gebrauchen konnte.
Neben Rotfux stand der dicke Oberwiesner, den der Kommissar schon über 20 Jahre kannte. Sie waren sich bereits während ihrer Ausbildung begegnet. Wie üblich trug Oberwiesner ein kariertes Hemd zu seiner dunklen Stoffhose. Er sah aus wie der Wirt einer Gutsschenke, war aber einer der findigsten Köpfe im Team von Kommissar Rotfux. Besonders beim Außeneinsatz beeindruckte der Dreizentnermann durch seine stattliche Statur. Seine kurzen Stoppelhaare gaben ihm trotz seiner Behäbigkeit etwas Dynamisches.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, brummte er. »Ich hoffe, es gibt keine Ausschreitungen.«
»Wir können es nicht ändern«, murmelte Rotfux. »Das Bauordnungsamt der Stadt hat den Infotisch der Salafisten genehmigt. Ich weiß auch nicht, was die sich manchmal denken.« Sein rotbrauner Oberlippenbart tanzte beim Sprechen auf der Lippe. Er beobachtete die Szene interessiert.
In einiger Entfernung, vor der kleinen Filiale der Bäckerei Hench, waren zwei Polizisten in Uniform zu sehen, welche die Aktion ebenfalls im Auge hatten. Rotfux kannte sie von verschiedenen Einsätzen und wusste, dass sie vom Staatsschutz beauftragt waren. Der Kommissar fragte sich, ob es Zufall war, dass die Salafisten ihren Infotisch direkt vor dem Juwelier Vogel aufgebaut hatten, einem der angesehensten Juweliergeschäfte Aschaffenburgs. Die wertvollen Auslagen im Hintergrund und die Schriftzüge von Wellendorf, Breitling und Rolex vermittelten eine Atmosphäre von Wert und Wichtigkeit, die sie möglicherweise für ihre Aktion nutzen wollten. Viel los war nicht am späten Samstagvormittag. Die meisten Passanten machten einen weiten Bogen um den Stand, keiner betrat den roten Teppich, und die Salafisten schauten eher gelangweilt in die Runde. Ein gut aussehender großer Mann mit grauen Haaren kam mit seinem Rauhaardackel aus Richtung Herstallturm auf Rotfux zu. Er trug eine Kniebundhose und einen leichten graugrünen Trachtenjanker. Der Kommissar wusste, dass er ihn vom Weinkeller im Schloss kannte, er dort sogar Kellermeister war, konnte sich aber im Augenblick nicht an seinen Namen erinnern.
»Dass ihr das genehmigt habt«, begann der Kellermeister vorwurfsvoll.
»Wir haben den Infostand nicht genehmigt«, antwortete Rotfux.
»Wie? Er ist nicht genehmigt? Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
»Doch, doch, er ist genehmigt, aber wir sind nicht zuständig. Darüber hat das Bauordnungsamt entschieden, Herr . äh .«
»Franke, Emil Franke, wir kennen uns vom Weinkeller im Schloss.«
»Ach ja, richtig, vom Weinkeller, jetzt fällt es mir wieder ein, Herr Franke.«
»Was die Herren vom Bauordnungsamt sich dabei denken? Genehmigen einen solchen Infostand, obwohl ganz klar ist, dass die Salafisten verfassungsfeindlich sind!«, schimpfte Franke.
Rotfux schwieg. Er wollte nicht noch Öl ins Feuer gießen. In der gläsernen Front von »s.Oliver« spiegelten sich die gegenüberliegenden Gebäude. Der Rauhaardackel von Emil Franke begann, unruhig zu werden und an den Schuhen von Kommissar Rotfux zu schnüffeln.
»Na, du riechst wohl den Hund meines Nachbarn.«
Der Rauhaardackel war hübsch, hatte diese dunkelbraunen glänzenden Augen, welche neugierig in alle Richtungen schauten. Die kleine schwarze Nasenspitze reckte er in die Höhe, und man sah, wie sie beim Schnüffeln vibrierte. Sein struppiger Bart erschien hellbeige und hob sich vom übrigen saufarbenen Fell ab, welches auf dem Rücken etwas dunkler war als am Rest des Körpers.
»Der hat immer was zu schnüffeln. Komm, Oskar, wir werden den Salafisten mal die Meinung geigen.«
Franke zog den Rauhaardackel mit zum Stand der Salafisten.
»Na? Wie laufen die Geschäfte? Schon ein paar Kämpfer für den IS geworben?«, sagte er laut und provozierend, sodass es Rotfux gut hören konnte.
»Mit dem IS haben wir nichts zu tun«, wehrte sich einer der Salafisten. »Wir sind Leute in der Tradition der Propheten. Wir verkünden die wahre Religion. Nimm dir den Koran und lies, mein Bruder.«
»Also dein Bruder bin ich noch lange nicht!«, empörte sich Emil Franke. »Ihr seid Halsabschneider! Verteilt den Koran, und in Wirklichkeit treibt ihr die jungen Leute in den Krieg. 600 sind aus Deutschland schon nach Syrien und in den Irak gezogen, 60 davon sollen bereits gefallen sein.«
Der Dackel Oskar begann zu bellen. Er merkte, dass sein Herrchen sich mächtig aufregte und diese Salafisten überhaupt nicht mochte. Er stellte den Schwanz auf und zog an der Leine in Richtung Infotisch.
»Ich sagte schon: Damit haben wir nichts zu tun«, wehrte sich der größte der Salafisten, den sie Malik nannten. »Wir verbreiten das Wort Gottes, sonst nichts.«
Sie waren offensichtlich geschult und ließen sich nicht so leicht provozieren. Eine junge Frau trat an den Stand und nahm den Koran interessiert in die Hand.
»Nimm ihn mit und lies, Schwester«, sagte Malik. »Lies über die wahre Religion.«
Die junge Frau blätterte in dem Buch. Sie war nicht gerade hübsch, etwas mollig und hatte kurze blonde Haare. Ihre kräftige Figur steckte in einem langen beigefarbenen Leinenkleid. Ihre blauen Augen musterten Franke unruhig, der sie interessiert beobachtete.
»Pass nur auf, dass sie dich nicht irgendwann schlagen oder dir die Hand abhacken. Die dürfen das«, sagte er provozierend.
»So ein Quatsch«, wehrte sich Malik, und auch sein Nachbar, den sie Dominik nannten, begann sich zu verteidigen: »Das sind doch Lügenmärchen, das spielt bei uns keine Rolle. Wer schlägt schon seine Frau?«
»Na ihr doch!«, brüllte Franke. »Ihr seid intolerant. Sprecht von der einzig wahren Religion. Alle anderen sollen ungläubig sein. Am Ende tötet ihr die anderen, schlagt ihnen die Köpfe ab. Man sollte diesen Infostand verbieten!«
Der Dackel bellte heftig. Kommissar Rotfux näherte sich vorsichtig.
»Deren Lehre widerspricht unserem Grundgesetz«, schimpfte Emil Franke. »Sie wollen einen Gottesstaat errichten, sie sind gegen die Gleichberechtigung, sie lehnen die von Menschen gemachten Gesetze ab und sind für Körperstrafen wie das Auspeitschen oder das Abhacken von Gliedmaßen. Das ist bei uns alles nicht erlaubt!«
»Herr Franke, das mag ja stimmen, aber der Stand ist genehmigt. Ich muss Sie bitten, Abstand zu halten. Gehen Sie am besten in Ruhe weiter. Wir behalten die Sache im Auge«, ermahnte ihn Rotfux.
Inzwischen war auch Klaus Zimmermann vor Ort, der Stadtredakteur des »Main-Echos«. Er war klein und rundlich, wirkte deshalb nicht sehr sportlich, war aber immer in Bewegung und hinter den neuesten Geschichten her. Seine fast schwarzen Augen funkelten hinter seiner schmalen Nickelbrille und suchten die Umgebung nach interessanten Motiven ab. Über der Schulter hatte er seine Kamera hängen und schon einige Fotos vom Stand der Salafisten aufgenommen. Rotfux kannte den Redakteur der örtlichen Tageszeitung und wusste, der würde eine packende Story aus den Ereignissen machen. Die junge Frau nahm einen Koran, steckte ihn in ihre Umhängetasche und verließ schweigend den Infostand.
»Der besorgen sie einen arabischen Hengst, dann zieht sie am Ende in den Jihad, und ihre Eltern suchen sie verzweifelt im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Blond, blauäugig und korpulent, darauf stehen die! Und es fängt immer hier an, an solchen Ständen«, ereiferte sich Emil Franke.
Der Dackel bellte, als ob er den Worten seines...
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