Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Auf M24 öffnet ein Arbeiter immer wieder eine Sicherheitstür, lässt sie los und schaut kopfschüttelnd zu, wie sie nicht ins Schloss fällt, sondern kurz davor stehen bleibt. Dann nimmt er aus einer der unzähligen Taschen seiner Hose ein Werkzeug, setzt sich auf den Boden und beginnt, die Tür zu bearbeiten.
Von der Fensterbank eines Büros im sogenannten Hufeisenhaus auf W18 tropft Wasser auf die Straße, weil eine Frau, die das sehr genau nimmt, wie jeden Freitag exakt um 15:00 die Agaven und Aloen gegossen hat, die dort in Terrakotta-Töpfen in einem Pflanzenkistchen stehen. Das Gießen darf nicht der Putzfrau überlassen werden, die am Freitag das Büro reinigt, denn die gießt die Pflanzen mit dem dreckigen Putzwasser. Und ist die genaue Frau einmal eine Woche verreist, was selten vorkommt, dann gibt sie die Agaven und Aloen in die Pflanzenpension Halbfurthner.
Wir haben die Smart City NEUDA über das Haupttor im Norden betreten. Hier, in der Nähe des Krankenhauses und des Botanischen Gartens, der sich über drei Grünflächen um den Loewi-Park erstreckt, in der Nähe des Sportstadions zwischen Außenring, äußerem Boulevard und Streichergasse, in der Nähe der Schwimmhalle, des Kindergarten- und Schulzentrums und ganz in der Nähe des Pauliplatzes, wo der Besitzer des soeben eröffneten Caffè Trastevere noch immer auf seine erste Kundin wartet, beginnt am 4. November 20** eine Geschichte, die schon bald jede und jeder in NEUDA kennen wird.
Auf dem NEUDA-Boulevard begegnen wir einer Gruppe von Besuchern aus England, die von Antonetta Kary, einer der beiden zertifizierten Stadtführerinnen des Stadtamts von NEUDA, angeführt wird. An der Kreuzung des Außenrings und des NEUDA-Boulevards bleibt sie stehen und sagt zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch: »Willkommen in NEUDA! Hier werden Ihre Träume von einem nachhaltigen Leben wahr. In unserer Smart City gibt es keine Kriminalität und keine Migration. Sie und Ihre Familie können beruhigt schlafen und den Alltag genießen. Unsere Stadt bietet Sicherheit und ein erfülltes Leben. NEUDA setzt auf umweltfreundliche Lösungen ohne Emissionen und Abfall. Die Infrastruktur respektiert die Natur und schont Ressourcen. Warum warten? Erleben Sie selbst, was es heißt, in der sichersten und nachhaltigsten Stadt der Welt zu leben.«
In dem kleinen Café am Pauliplatz, dessen Name sich in den letzten drei Monaten zweimal geändert hat - Don Pedro und Cassis hat es schon geheißen, La Ola heißt es jetzt und Café No Name, Belmondo und MyPauli wird es einmal heißen - sitzen noch keine Gäste. »Pauli war ein berühmter österreichischer Physiker«, belehrt eine vorbeigehende Mutter ihren Sohn. »Ich habe nur gerade seinen Vornamen vergessen.« Der vollständige Name sowie Geburts- und Sterbejahr von Wolfgang Pauli stehen auf den Hinweistafeln, die sich jeweils unter den Straßenschildern befinden.
Zur selben Zeit steht ein kleines Mädchen in der Puchsbaumgasse. Sie hat einen Trinkbecher an eine Schnur gebunden. Mit der rechten Hand wirft sie den Becher ins Gras und freut sich, als der Cleaning-Robot, der die Rasenfläche zwischen Außenring und Kravoglstraße sauber hält, den Becher bemerkt, auf ihn zusteuert und ihn aufsaugt. Bevor er ihn schreddern kann, zieht das Mädchen an der Schnur, entreißt ihm den Becher und wirft ihn zwei Meter weiter wieder auf den Rasen.
Längst hat Antonetta Kary der Gruppe erklärt, dass NEUDA in den Jahren 20** bis 20** auf einer bis dahin ungenutzten Brachfläche am nördlichen Donauufer errichtet worden ist. Sie hat auch erklärt, dass es in NEUDA keine Autos, keine Treibhausgas-Emissionen und keine Abhängigkeit von Energielieferungen gibt. In der Mitte des Fußwegs über den Boulevard, der größten Straße NEUDAs, bleibt Kary wieder stehen und zeigt in Richtung des riesigen Hauptplatzes mit der zweireihigen Platanenallee, in deren Schatten mehrere Cafés ihre Gastgärten aufgebaut haben. Es ist so warm an diesem Novembertag, dass die meisten Gäste in T-Shirts im Freien sitzen. »Maybe, you want to have a drink here later«, sagt die Stadtführerin. Dann zeigt sie auf das große Display, an dem man die gegenwärtige Einwohnerzahl und die aktuelle Besucherzahl der Stadt ablesen kann:
NEUDA freut sich über 17953 Einwohnerinnen und Einwohner sowie 271 Gäste
Zur selben Zeit hüpft Sarah Krämer, Redakteurin der Neudaer Stadtzeitung Timeline, von einem Elektrocaddy, das sie zu ihrem Haus auf W11 im Innenring der Stadt gebracht hat. Ihr Mann, Cosmo Fröschel, ist ebenfalls von der Arbeit nach Hause geeilt, und als Sarah Krämer das Schlafzimmer verdunkelt, sagt sie zu ihm: »Beeil dich, Mista Lova-Lova, ich habe nicht viel Zeit. Heute wird das Redaktionsgebäude eröffnet.«
Vier Minuten später, um 15:32, erreicht die Gruppe englischer Touristen den Stadtpark. Antonetta Kary erklärt das Straßensystem: »In NEUDA gibt es 123 Straßen. Innerhalb des Innenrings tragen die vertikalen Straßen die Namen der Buchstaben des Alphabets. Es sind 25 Straßen mit den Namen A, B, C, D, E, F, G, H, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, X, Y, Z - das I wird ausgelassen. Die 36 horizontalen Straßen tragen die Nummern 1 bis 36. Im Innenring von NEUDA werden Adressen nicht mit Hausnummern angegeben, sondern mit den Koordinaten des Blocks; also zum Beispiel A1, D9, W23 usw. Zwischen H und J verläuft durch die gesamte Innenstadt ein von einer Allee gesäumter Grünstreifen, auf dem Jogger, Skater, Radfahrer und Spaziergänger unterwegs sind. Die Allee hat keinen Namen. Viele nennen sie einfach Die Allee.«
Die Touristen sind von den vielen Zahlen, Buchstaben und Namen überfordert, lächeln aber trotzdem freundlich.
Zur selben Zeit steht Laurin Nussbaumer mit einer großen Fernbedienung um den Bauch auf dem Flachdach des Tucana-Towers und lenkt eine Drohne mit vier Kameras, deren Bilder er auf vier großen Monitoren rechts und links von ihm betrachten kann. Es ist die Zeit des sogenannten Zuzugs. Innerhalb von fünfzehn Monaten soll NEUDA mit 36000 Einwohnern besiedelt werden. Nussbaumer ist erst drei Wochen zuvor in die Stadt gezogen, wo er in der technischen Steuerung der Algenaufbereitungsanlage zu arbeiten begonnen hat.
Zur selben Zeit hat Jenny Beck, Leiterin der PR-Abteilung der Timeline, Herzrasen, weil sie Tilo Heuer, den CEO der Tucana, anrufen muss. Tatsächlich nimmt er den Anruf an.
»Tilo Heuer?«, sagt Jenny Beck ins Telefon und versucht dabei, so selbstsicher wie möglich zu wirken. »Hier spricht Jenny Beck von der Timeline. Ich habe die Lösung für Ihr Problem. Wenn Sie unseren Chefredakteur Benedikt Hoyos davon überzeugen, dass wir alle Artikel auch in Leichter Sprache bringen, dann sagen wir, die überschüssigen Lizenzen der Software sind dafür gekauft worden.«
»Das ist genial. Das mach ich gleich«, sagt Tilo Heuer. »Sie haben etwas gut bei mir. Wie war noch mal Ihr Name?«
»Jenny Beck.«
Laurin Nussbaumer steuert seine Drohne so weit in die Höhe, wie es erlaubt ist, lässt sie dort in der Luft stehen und richtet die Frontkamera gerade nach unten. Er sieht die Stadt, ihren rechteckigen Umriss mit verschiedenförmig abgeschrägten Ecken, die vier Haupttore und die kleine lange Straße, die nach Westen zu jenen beiden Gebäuden NEUDAs führt, die außerhalb der Stadtmauer liegen: das Kraftwerk Röthelstein, das sich wie die Smart City am Nordufer der Donau befindet und von dem aus man die Ruine Röthelstein am Südufer sehen kann. Und die Algenaufbereitungsanlage, in der er beschäftigt ist, gleich daneben. Dort werden Wasserpflanzen, die ferngesteuerte Mäher aus dem Flussbett schneiden, gesammelt und zu Papier und vor allem zu Nahrungsmitteln verarbeitet.
Zur selben Zeit hat Micha Finck den letzten Karton aus dem früheren Büro geholt und in das neue Redaktionsgebäude der Timeline gebracht. Gerade hat er seine Mutter am Apparat, die in einem Altenheim in Salzburg lebt und die er täglich anruft. »Du musst mich einmal besuchen kommen und das alles hier sehen«, sagt Micha Finck ins Telefon und weiß, dass es dazu nie kommen wird. »Hier ist wirklich alles ganz anders.«
Zehn Minuten später, um 15:42, steht Antonetta Kary mit den Engländern vor einem Gebäude mit kreisrunder Grundfläche, dem neuen Sitz der Timeline-Redaktion. Der gläserne Turm hat eine Neigung von 3,5 Grad, einen halben Grad weniger als der Schiefe Turm von Pisa. Im Gegensatz zu diesem ist die Neigung des Timeline-Turms absichtlich, daher sagt die Stadtführerin einen Satz, den sie bei jeder Stadtführung sagt: »In contrast to the Tower of Pisa with its unintentional tilt, the tilt of this tower is intentional.«
Nur heute fügt sie noch hinzu: »The building has just been finished and will be inaugurated today at 6 p.m. If you have time, feel free to join the opening.«
Zur selben Zeit macht sich Maria Lisini, eine Redakteurin der Timeline, auf den Weg zum Hauptplatz, wo sie sich mit einigen Kolleginnen und Kollegen vor der Eröffnung des neuen Redaktionsgebäudes treffen wird. Das Café Central am Hauptplatz ist mittlerweile zum Treffpunkt einer kleinen Gruppe geworden, die gerne unter sich bleibt.
Laurin Nussbaumer lenkt die Drohne über das Zentrum der Stadt und von dort ein Stück Richtung Südosten, bis sie über der Freudgasse steht. Er lässt sie sinken und erkennt das...
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