Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Zu Anfang wollen wir gern zwei Fragen stellen:
Was ist Rassismus eigentlich?
Und wie macht er sich in unserem Alltag bemerkbar?
Unsere erste Antwort darauf lautet: Eine simple, allgemeingültige Definition gibt es leider nicht. Wir würden dir liebend gern in zwei einfachen Sätzen erklären, was Rassismus ist und warum und wie er uns tagtäglich begegnet. Aber so einfach ist es nicht, denn Rassismus ist so komplex und tief mit unser aller Geschichte verwoben, dass es mehr als zwei Sätze und eine Buchlänge Zeit braucht, um die Hintergründe wirklich zu verstehen.
Unsere zweite Antwort lautet: Wir definieren Rassismus als Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung von Menschen, die aufgrund von Merkmalen wie Kultur, Herkunft, Hautfarbe, Haarstruktur und Gesichtszügen einer Gruppe zugeordnet werden, die nicht der eurozentrischen (Eurozentrismus ) Sichtweise entsprechen und gesellschaftlich - in vielfacher Hinsicht - herabwürdigend behandelt werden. Rassismus beschreibt immer ein Machtverhältnis auf systemischer und institutioneller Ebene, das weiße Menschen und deren Lebensrealitäten zentriert. Rassismus, so wie er heute in unserer Gesellschaft manifestiert ist, ist das Produkt von über 500 Jahren Geschichte, die von der Kolonialisierung durch Weiße, dem Imperialismus durch ein weißes Patriarchat und der Ausbeutung von Bi_PoC erzählt. Das Resultat sind bis heute von der weißen Mehrheitsgesellschaft wenig reflektierte, rassistische Strukturen, die sich gezielt gegen Bi_PoC richten - auch wenn das nicht allen Menschen, die diese -Ismen reproduzieren, bewusst ist. Wir leben in einer industrialisierten Gesellschaft, die von weißen Menschen und für weiße Menschen geschaffen wurde.
Achtung: Wenn du in Lexika den Begriff "Rassismus" nachschlägst oder das Internet dazu befragst, wirst du auf Aussagen stoßen wie: "Rassismus kann jeden Menschen treffen, unabhängig von Herkunft und Kultur." Erinnerst du dich an unseren Definitionsvorschlag, formuliert von Negativbetroffenen, wirst du stutzen und denken: Das widerspricht sich aber, da kann doch was nicht stimmen! Und schon sind wir inmitten eines beliebten Streitthemas, das unter dem Begriff Reverse Racism zusammengefasst werden kann. Reverse Racism geht von der Annahme aus, Bi_PoC können sich auch rassistisch gegenüber weißen Menschen verhalten. Wie gehen wir nun damit um? Lies dir zunächst noch einmal unsere vereinfachte Definition von Rassismus durch. Und dann befrage dich einmal selbst: Ist es dir schon passiert, dass du dich ausgeschlossen gefühlt hast, wenn eine Gruppe von Bi_PoC unter sich sein wollte (Safer Space )? Wurdest du schon einmal mit Wörtern bezeichnet, die sich auf deine Herkunft oder dein Äußeres, und wie es von der Gesellschaft gelesen wird, beziehen? Bist du der Meinung, als weiße Person schon einmal rassistisch behandelt worden zu sein? Wir wollen dir zeigen, dass du als Teil einer weißen Mehrheitsgesellschaft nicht negativ von Rassismus betroffen sein kannst, sehr wohl aber Begünstigte*r.
Hier präsentierten wir dir unsere Top 3 der Kommentare, in denen weiße Menschen offensichtlich glauben, Opfer von Rassismus zu sein:
"Also, wenn ich als Kartoffel beschimpft werde, kann ich ja auch das I-Wort sagen!"
"Ja, dass finde ich jetzt aber gar nicht okay, mich hier als Alman zu beleidigen. Du magst es doch auch nicht, wenn ich dich **** nenne?"
"Also ich musste mal 5 Euro mehr im Urlaub für etwas bezahlen, was ein*e Einheimische*r viel billiger bekommen hat. Das ist voll rassistisch!"
Wichtig ist, Rassismus als gesamtgesellschaftliche Struktur anzuerkennen, die mit einer ganz spezifischen Machtkonstellation einhergeht, die wiederum historisch begründet ist und daher auch keine Umkehrung erfahren kann. Rassismus richtet sich gegen Bi_PoC und wurde von und für weiße Menschen erschaffen. Es ist nicht möglich, dass Menschen, die seit jeher von diesem System profitieren, mehr noch, die dieses System erschaffen haben, unter demselben leiden können, beispielsweise durch das Verhalten Negativbetroffener. Solltest du als weiße Person in unangenehme Situationen von Ausgrenzung oder Ungerechtigkeit geraten - ungeachtet dessen, wer sich dir gegenüber problematisch verhält -, kann es sich um eine individuelle Erfahrung von Diskriminierung handeln, aber nicht um Rassismus. Dass es andere Formen der Marginalisierung gibt, von denen du negativ betroffen bist, möchten wir dir nicht absprechen. In Dear Discrimination sprechen wir über Rassismus.
"Warum seid ihr so wütend?", denkt ihr euch vielleicht manchmal, wenn ihr im Netz oder im Alltag mit Bi_PoC diskutiert oder aktuelle Debatten verfolgt. Darauf möchten wir an dieser Stelle kurz eingehen. Auch wenn wir in diesem ersten Kapitel davon absehen, dir eine wissenschaftlich recherchierte Definition für Rassismus zusammenzutragen (#nichtunserjob), verweisen wir immer wieder auf unsere rassistisch, kolonialistisch und imperialistisch geprägte Menschheitsgeschichte, die sich bis heute in unserer Sozialisation widerspiegelt. Diese Gegenwart führt dazu, dass Bi_PoC häufig Skepsis und Wut gegenüber weißen Menschen verspüren. Diese Skepsis beruht auf ständiger Ausgrenzung, rassistischen Erfahrungen und der Unterdrückung, die von der weißen Mehrheitsgesellschaft ausgehen. Versuche zu verstehen, dass die Vorsicht, die Wut, die Ablehnung, mit der Bi_PoC weißen Menschen mitunter begegnen, die Folge sich ständig wiederholender Verletzungen, Angriffe und Negativerfahrungen sind. Auch an dieser Stelle verzichten wir darauf, dir die Faktenlage zu demonstrieren, verletzende Fragen wie "Könnt ihr denn beweisen, dass Rassismus wirklich so schlimm ist?" zu beantworten oder unsere Aussagen mit entsprechenden Statistiken zu belegen (#nichtunserjob). Sollten dir diese Gedanken kommen, bist du eingeladen, selbst nachzurecherchieren und Negativbetroffenen, die sich dazu äußern möchten, zuzuhören. Skepsis, Wut, Ablehnung und Distanz können ein Schutzmechanismus sein. Die Verwendung von Bezeichnungen wie "Kartoffel" oder "Alman" sind der Versuch, die Wucht täglicher Rassismuserfahrungen und die Realität eines rassistischen Systems durch Humor zu entkräften. Im Gegensatz zu weißen Menschen verfügen Bi_PoC nämlich nicht über die Macht, Rassismus systemisch oder institutionell entgegenzutreten.
Klassischerweise ist Rassismus in den Köpfen vieler Menschen ganz eng mit Nazis und Rechtsradikalen verknüpft. Sehen wir uns auch das einmal genauer an. Zuallererst: Ja, Nazis und Rechtsradikale sind Rassist*innen. Aber auch Menschen, die sich von diesen Gruppen ganz klar distanzieren, reproduzieren Rassismen. Es wäre, naiv zu denken, dass du trotz rassistischer Sozialisation die Ausnahme bist und diesen nicht verinnerlicht hast. Das haben wir auch. Wir alle sind Teil des Systems. Jetzt denkst du dir vermutlich: "Hä? Aber ich bin doch kein*e Rassist*in. Ich mache das nicht!" Wie bewusst dir die vielen verschiedenen Ausprägungen von Rassismus wirklich sind, werden wir in den nächsten Kapiteln gemeinsam hinterfragen. Es ist unsere Einladung, dir dein eigenes Verhalten und deinen Sprachgebrauch näher anzusehen, deine rassistische Sozialisation eigenständig zu entlernen und internalisierte Rassismen gemeinsam zu bekämpfen.
Sich mit dem eigenen Fehlverhalten und den internalisierten Rassismen auseinanderzusetzen, diese anzuerkennen und zu entlernen ist kein leichter, angenehmer Prozess - auch für uns nicht. Du stehst aber in der Verantwortung, als weiße, möglicherweise mehrfach privilegierte Person die Augen nicht mehr davor zu verschließen und antirassistisch zu handeln; und für dein Verhalten und dessen Auswirkungen wiederum die Verantwortung zu tragen. Es kostet dich Zeit, Geduld und Einsicht, Willensstärke und eine hohe Schmerztoleranz - und du solltest nach der Arbeit mit unserem interaktiven Ally Guide nicht aufhören, dich mit Rassismus zu beschäftigen.
Wir schließen unser Kapitel mit ein paar Fragen und einer Aufgabe an dich. So wird dein Ally Guide zu einer Art persönlichem Antirassismus-Journal, in dem du deine neuen Gedanken und Fortschritte dokumentieren kannst.
Wann hast du begonnen, dich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen?
Warum interessiert dich das Thema?
Hast du das Gefühl, Rassismus wird - gesellschaftlich, politisch und medial - in adäquater Weise besprochen?
Wenn du "Rassismusdebatten" in den Medien verfolgst, wen siehst du dort hauptsächlich vertreten? Wer spricht? Wer bekommt eine Bühne?
Gib den (Pseudo-)Begriff "weißer Rassismus/Reverse Racism" in eine Suchmaschine ein und lies dir einige Beiträge, beispielsweise Zeitungsartikel, Blogbeiträge oder Social Media-Posts und -Kommentare, dazu durch. Beobachte genau, WER WIE darüber spricht. Zur besseren Sortierung deiner Gedanken und Gefühle kannst du dir Notizen zu deiner kleinen Onlinerecherche machen.
Negativbetroffene von Rassismus, Bi_PoC, sind unterschiedlich von rassistischen Strukturen betroffen, sowohl in der Weise als auch im geschichtlichen Kontext und hinsichtlich der Schwere ihrer...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.