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Ehre und Begierde in stürmischen Zeiten
Berlin 1924: Fürst Wilhelm von Ilmen und Thal soll Komtess Leonie von Lonstill heiraten, denn seine Familie wartet ungeduldig auf den langersehnten Erben. Doch dann taucht überraschend Wilhelms Jugendliebe Prinzessin Valentina auf, die der Welt des Adels vor Jahren den Rücken gekehrt hat. Sie schlägt Wilhelm einen unmoralischen Pakt vor, der zu verführerisch scheint, als dass er ihn ausschlagen könnte. Der Fürst muss sich entscheiden - zwischen der Zukunft seines Adelsgeschlechts oder der rebellischen Prinzessin, die ihn immer mehr in ihren Bann zieht.
Dieses eBook ist in früheren Ausgaben unter den Titeln "Die Dame mit der Pfauenfeder" und "Noble Secrets" erschienen.
Berlin, 1924.
»Als hätte es den Krieg nie gegeben, mein lieber Wil«, sagte Herzog Donald mit schnarrender Stimme. »Herrlich. So einen Auftakt zur Ballsaison wünsche ich mir.«
Wilhelm Fürst von Ilmen und Thal runzelte die Stirn. Er hörte die Anerkennung in der Stimme seines väterlichen Freundes. Selbst hinter der schwarzen Maske war im Blick des Herzogs die Bewunderung für den Prunk unverkennbar, den Wilhelm im Ballsaal hatte entfalten lassen. Auch der Fürst selbst musste sich eingestehen, dass die exquisit angerichteten Speisen und die Pracht der Kleider, die ausgefallenen Maskierungen der Gäste und die Musik des Orchesters keine Spur des vergangenen Weltkrieges trugen, der das Land vor fünf Jahren erschüttert hatte. Das genau war schließlich Sinn und Zweck des Maskenballs, der Musik und des Tanzes zwischen Luftballons und glitzernden Luftschlangen: den Anschein zu erwecken, alles wäre, wie es immer gewesen war. Aber das war es nicht.
Fürst Wilhelm wusste nichts auf die Worte des Herzogs zu erwidern. Er hatte einen bitteren Zug um den Mund, als er an seinem Champagner nippte - und das lag nicht an dessen Qualität, diese war exquisit. Er verbeugte sich vor einer vorbeiziehenden Dame in aufwendigem Blumenkostüm und nickte einem Gast im Frack zu, den Wilhelm hinter dessen Maske zwar nicht erkannte, in dem er aber einen Kollegen aus der Bank vermutete. Ein adliger Gast hätte eine andere Haltung an den Tag gelegt. Den Adel erkannte man am Rückgrat, am stolz getragenen Haupt - so wie Herzog Donald, der sich - und das war offensichtlich - trotz seines Alters zwang, kerzengerade und stolz neben dem Gastgeber zu stehen. Nichts und niemand konnte den Herzog erschüttern. Der Krieg hatte das nicht gekonnt, und die Demokratie auch nicht.
Um Wilhelm herum klirrten Gläser. Mit silbernen Champagnerquirlen im Art-déco-Stil rührten die Damen die Kohlensäure aus ihren Getränken. Perlendes Lachen mischte sich mit den Walzerklängen der Streicher.
»Fabelhaft, ganz fabelhaft«, schnarrte Herzog Donald und nickte jovial. »Dieses Fest hätte deinen Vater stolz gemacht, mein Junge.«
»Dass mein Vater heute nicht mit uns feiert, Donald, ist Beweis genug dafür, dass es diesen schrecklichen Krieg gegeben hat«, erwiderte Wilhelm.
Der Herzog seufzte und sah zu dem Fürsten hinüber. »Dein Vater ist auf dem Feld der Ehre gefallen und für sein Land gestorben. Aber das ist jetzt schon sechs Jahre her, Wil.«
Der junge Fürst nickte und trank einen Schluck. »Und wäre er nicht in diesem Krieg geblieben, dann hätte ihn sicher das umgebracht, was danach gekommen ist.«
Herzog Donald neigte den Kopf zur Seite. »Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob das tatsächlich so gekommen wäre. Vielleicht leidest du mehr unter den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, als er es je getan hätte«, sagte er mit der von Alter knarzenden Stimme, die Wilhelm so vertraut war.
Er leerte sein Champagnerglas und stellte es ab.
Ein wissendes Lächeln umspielte die dünnen Lippen des Herzogs. »Du solltest tanzen, mein Junge.«
Wilhelm lachte auf. »Du wirst mich wohl immer Junge nennen, nicht wahr?«
»Bis ich die Augen für immer schließe, Wil.«
»Ich bin schließlich längst über dreißig, Donald, und bekomme bereits graue Schläfen.«
Der Herzog wischte unwillig mit der Hand durch die Luft. »Du bist ein Junggeselle, dem die Schuhe des Vaters immer noch zu groß sind.«
»Zumindest gebe ich mein Bestes, um in seine Fußstapfen zu treten", entgegnete Wilhelm verärgert.
»Dann geh tanzen. Dein Vater hätte getanzt.«
»Auf keinen Fall. Ich habe diesen Ball eröffnet, und das muss reichen.« Der Fürst seufzte und griff nach einem neuen Champagnerglas. Seine Bediensteten reichten silberne Tabletts mit Getränken herum. Sie mussten nicht tanzen, die Glücklichen. Man hatte Wilhelm stets versichert, dass er ein guter und galanter Tänzer sei. Aber er glaubte es nicht so recht und hielt derartige Komplimente für Schmeichelei.
Er war ein Fürst, Oberhaupt einer der ältesten und wohlhabendsten Familien im Deutschen Reich, das nun eine Republik war. Wenn Wilhelm Fürst von Ilmen und Thal eine Dame aufforderte, fühlte sie sich so geehrt, dass sie darüber hinwegsah, wie ungelenk und plump er auf dem Parkett war. Er war in einer Position, in der ihm niemand die Wahrheit sagte - außer natürlich Donald und seine Mutter, die Fürstin. Aber die beiden hielten zu viel aufs Tanzen und ermutigten ihn ständig dazu, egal, wie viele linke Füße er hatte.
Nein, Wilhelm hasste das Tanzen, und er würde das Parkett auch heute während seines eigenen Maskenballs nicht mehr betreten.
»An dir sind Hopfen und Malz verloren«, murmelte der Herzog belustigt.
Wilhelm wollte etwas erwidern, aber ein graziler Pfau huschte in diesem Augenblick, ganz Anmut in den Bewegungen, an ihnen vorbei und fesselte seine ganze Aufmerksamkeit.
Seine Augen, ebenfalls hinter einer schwarzen Maske verborgen, hingen an der Dame im prächtigen Vogelkostüm. Sein Mund war leicht geöffnet, und er vergaß alles um sich herum. Wie sie den Kopf hielt, war das, was ihn an ihr so faszinierte. Hinter der mit Pfauenfedern verzierten Maske und der schwarzen Haube sah er kaum etwas von ihrem Gesicht oder ihren Haaren. Vielleicht war sie nicht mal hübsch - aber wie hätte jemand mit diesem schlanken Hals und dieser graziösen Kopfhaltung nicht wunderschön sein können?
Die Pfauendame schlenderte zwischen den lachenden und plaudernden Gästen hindurch. Ihre nackte Schulter stieß an ein paar Luftballons, Luftschlangen streiften Wangen und Maske, ohne dass sie daran hängen geblieben wären. Elegant fand die Dame ihren Weg zwischen Dekoration und Gästen. Sie wippte bei jedem Schritt leicht im Takt des Walzers - ja, sie tanzte mehr, als dass sie ging. Dabei ließ sie den Blick über die Gesellschaft schweifen. Um ihren kirschroten Mund lag ein spöttischer Zug.
Sie sprach mit niemandem, nickte niemandem zu und beobachtete alle. Ob sie wusste, dass sie selbst auch beobachtet wurde?
Wie sie durch die kostümierten Gruppen glitt, so geschmeidig und elegant in ihren Bewegungen, zog sie den Blick so manches Herrn auf sich. Doch wer sie aufhalten oder das Wort an sie richten wollte, dessen Versuch ging ins Leere. Niemand fand Gehör; vielleicht, weil die Musik zu laut war, vielleicht aber auch, weil sie niemanden hören wollte. Sie wirkte nicht wie ein Teil der Ballgesellschaft, eher wie eine amüsierte Außenseiterin, die über allem stand.
Dabei war Wilhelm sicher, dass sie von Adel war. Diese Haltung, dieser Stolz . Sie musste einfach zur besten Gesellschaft gehören. Ob er ihr nachgehen sollte? Er machte einen Schritt in ihre Richtung - und stieß an eine Schulter.
Der Fürst wandte irritiert den Kopf. Er war in einen seiner Gäste hineingelaufen, der daraufhin etwas Champagner auf das Kleid einer in der Nähe stehenden Dame verschüttete.
Wilhelm war untröstlich, winkte einen Diener herbei und bat vielmals um Verzeihung. So schnell es ging, wandte er sich wieder ab und wollte seinen Weg fortsetzen.
Aber der schöne Pfau war verschwunden.
*
Als Gregor ein kleiner Junge war, hatten die Kleider der Damen noch anders ausgesehen. Eingeschnürt waren die Damen gewesen, Wespentaillen hatten sie gehabt, ausladende Tournüren, die das Hinterteil betonten. Die Röcke waren viel voluminöser gewesen als heutzutage, viel raschelnde Seide und sich bauschende Ärmel. Mit beiden Händen hatten die Damen ihre Röcke auf den Treppen raffen müssen.
Gregor schob seine Schirmmütze in den Nacken und lehnte sich lässig an den Rand des Brunnens. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah hinauf zum Ballsaal im ersten Stock des Stadtpalais. Er hatte alles von seinem Vater gelernt, den Umgang mit Rasen und Büschen, mit Rosen und Bäumen. Damals, als die Röcke noch bodenlang gewesen waren, da hatte der kleine Gregor gedacht, sein Vater wüsste alles. Er hatte die Veränderungen in der Natur kommen sehen, bevor irgendjemand den Jahreszeitenwechsel auch nur ahnte. Manchmal war es dem kleinen Gregor gewesen, als hätte nichts auf der Welt seinen ruhigen Vater überraschen können.
Der Gärtner schmunzelte, während er weiter die lachende und tanzende Gesellschaft oben im ersten Stock beobachtete. Die Fenster des Festsaals, die zum kleinen Park hinausgingen, waren bodentief, und so konnte Gregor den Maskenball, ohne selbst gesehen zu werden und damit aus sicherer Entfernung, verfolgen. Er sah elegante Fräcke, geheimnisvolle Masken und glitzernde Kleider, die teuer und prächtig waren - aber sie waren eben auch kurz. Einige bedeckten gerade eben das Knie. Manchmal schienen die Röcke nur aus Schichten langer Glitzerfäden zu bestehen, die den Damen bei jeder Bewegung um die Schenkel schwangen.
Das hatte Gregors Vater nicht kommen sehen, und es hätte ihn mehr als überrascht. Dass die Damen Bein zeigten, ihre Taillen nicht mehr betonten und - was vielleicht das Schlimmste war - die Haare kurz trugen. Besonders die jüngeren Damen im Ballsaal trugen Bubikopf oder kurze Wasserwellen.
Gregor stemmte die Hände in die Hosenträger. Ja, die Zeiten hatten sich verändert. Die Damen hatten sich vom Korsett befreit. Sie trugen ihre Haare praktisch kurz und brauchten nicht mehr Stunden, um ihre lange Pracht aufzustecken. Aber war das nur eine äußerliche Veränderung, oder hatten sie auch sich selbst befreit?
Gregor wusste nicht, ob die Frauen der besten Gesellschaft schon immer so bestimmt und fordernd gewesen waren, so zügellos . Brachte die Zeit das mit sich, der Krieg oder die Abschaffung...
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