Schweitzer Fachinformationen
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Münster, 2018: Bei einem medizinischen Test findet Valerie heraus, dass ihre Großmutter Annemarie und deren vermeintliche Schwester nicht blutsverwandt sind. Der alten Frau zieht es den Boden unter den Füßen weg. Damit ihre geliebte Großmutter die Wahrheit über ihre Herkunft erfährt, macht sich Valerie auf in Annemaries Geburtsort Nürnberg. In der Villa der wohlhabenden Spielzeugunternehmer-Familie Weißenfels findet sie Briefe und Aufzeichnungen aus den 20er Jahren, die sie zutiefst erschüttern. Was sie erfährt, stellt Valerie vor eine schwierige Entscheidung und bedroht ihre junge Liebe zu Alexander - dem Juniorchef von »Weißenfels Spielwaren«. Nürnberg, 20er Jahre: Marleen ist unter Druck. Die Ehefrau des erfolgreichen Spielzeugunternehmers Friedrich Weißenfels muss unbedingt einen männlichen Erben für das Familienunternehmen zur Welt bringen. Doch sie fürchtet, erneut mit einem Mädchen schwanger zu sein und deswegen von ihrem Ehemann verlassen zu werden. Deshalb entschließt sie sich zu einem verzweifelten Schritt ... Alle Romane der Familiengeheimnis-Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Lydia blieb am Fuß der breiten Treppe stehen, die aus sechs schneeweißen Steinstufen bestand, und stellte ihren kleinen Koffer ab. Ob das Marmor war? Sie hatte noch nie welchen gesehen, aber diese Villa war so groß und prächtig, dass es hier sicher solche kostbaren Dinge gab.
Nervös zupfte sie an ihrem schwarzen Sonntagskleid, das für die außergewöhnliche Hitze des Apriltags viel zu schwer und zu warm war. Sie spürte, wie ihr ein einzelner Schweißtropfen den Rücken hinunterlief. Wenn sie noch lange in der Mittagssonne herumstand, würde sie furchtbar verschwitzt sein, bevor sie auch nur an die Tür geklopft hatte. Sie war hier, um nach einer Stelle zu fragen. Und wer wollte schon ein Hausmädchen, das eine feuchte Spur hinterließ, wenn es sich durch die eleganten Räume bewegte? Ganz bestimmt nicht die wohlhabende Fabrikantenfamilie, die in diesem Haus wohnte.
Zwar hatte Lydia in ihrem mehr als hundert Kilometer entfernten Heimatdorf Ohltal noch nie von den Weißenfels gehört, doch hier in Nürnberg schien jeder die Familie zu kennen. Jedenfalls hatte es sich in dem Gespräch so angehört, das sie auf dem Bahnhofsvorplatz belauscht hatte. Und obwohl sie selten etwas tat, ohne vorher gründlich darüber nachzudenken, hatte sie ihren Zug in Richtung Heimat davonfahren lassen und sich zur Villa durchgefragt.
Es war nicht sonderlich schwierig gewesen herzufinden. Gleich die erste Person, an die sie sich gewandt hatte, eine ältere Frau mit Einkaufskorb, hatte den Wohnsitz der Familie Weißenfels gekannt. Und als sie unterwegs einmal unsicher gewesen war, wo sie abbiegen sollte, konnte ihr ein Lieferjunge, der einen laut quietschenden Holzwagen hinter sich her zerrte, sofort die richtige Richtung weisen.
Obwohl sie ihren Koffer auf der untersten Stufe stehengelassen hatte, kam es ihr vor, als würde sie ein schweres Gewicht die Treppe hinaufschleppen. Dann stand sie vor der Eingangstür aus poliertem Mahagoni, starrte den Türklopfer in Form eines Löwenkopfs an und schaffte es nicht, die Hand zu heben.
Durfte man das überhaupt? Einfach an eine Tür klopfen und nach Arbeit fragen? Wenn sie davongejagt oder auch nur ausgelacht wurde, würde sie vor Verlegenheit im Boden versinken. Andererseits war es mindestens ebenso schlimm, unverrichteter Dinge in ihr Heimatdorf zurückzukehren, nachdem sie von dort aus vor nicht mal zwei Wochen nach Nürnberg aufgebrochen war. Stolz und ein bisschen überheblich, weil sie in der großen Stadt wohnen und aufregende Dinge erleben würde, während alle anderen auf ihren Bauernhöfen im kleinen Ohltal zurückblieben.
Sie hatte sich Nürnberg als einen wunderbaren Ort voller Lichter und freundlicher Menschen vorgestellt. Nicht im Traum wäre sie auf den Gedanken gekommen, die Arbeit als Hausmädchen bei der Familie Staller könnte schwerer sein als das Ausmisten eines Kuhstalls. Das Stellenangebot in der Zeitung hatte sich angehört, als würde sie den ganzen Tag mit einem Staubwedel in der Hand herumlaufen.
Einen Staubwedel hatte sie bei den Stallers nicht zu sehen bekommen. In einer Schlachterei wischte man das Blut mit alten Lumpen auf, womit sie kein Problem hatte. Sie war an harte Arbeit gewöhnt und hatte ihrem Vater schon als Zehnjährige beim Schlachten zur Hand gehen müssen.
Viel schlimmer war das gewesen, was ihr bei den Stallers sonst noch zugestoßen war. Beim Gedanken, zu Hause erzählen zu müssen, was dort geschehen war, wurde ihr übel. Niemals hatte sie mit ihrer Schwester Ottilie über solche Dinge gesprochen. In ihrem Dorf redeten die Leute nicht über so was. Natürlich kannte ihre Schwester sich aus. Schließlich war sie seit über einem Jahr verheiratet. Aber das bedeutete nicht, dass Ottilie und Lydia über unanständige Dinge sprachen wie über das Wetter von morgen.
Entschlossen griff Lydia nach dem Türklopfer. Wenn es ihr gelang, eine neue Anstellung zu finden, konnte sie sich nicht nur dieses unangenehme Gespräch ersparen, sondern auch die schmähliche Rückkehr nach Ohltal. Falls sie in dieser Villa eine Stelle bekam, konnte sie Ottilie schreiben, dass sie sich verbessert hatte. Sicher trugen die Hausmädchen in der Villa Weißenfels eine hübsche Uniform und nicht so einen grauen, kratzigen Kittel wie bei den Stallers.
Im selben Augenblick, in dem sie den Löwenkopf aus Messing gegen das Holz fallen lassen wollte, wurde die Tür geöffnet. Eine junge Frau von etwa Ende zwanzig, also ungefähr zehn Jahre älter als Lydia, trat auf die Schwelle. Sie trug ein elegantes beigefarbenes Kostüm mit tief angesetzter Taille und knielangem Faltenrock. Ein modischer Hut verbarg fast vollständig die kinnlangen Haare, die fast denselben dunklen Goldton hatten wie Lydias Zopf. Nur einige Strähnen kringelten sich an den Schläfen des runden Gesichts.
Die Frau sah sie erstaunt an. »Ja, bitte?«, fragte sie nach einer kurzen Pause und lächelte freundlich, was Lydia Mut machte. Vielleicht waren die Menschen in diesem Haus gar nicht so kühl und unnahbar. Beim Anblick der Villa, deren riesige Fenster mit dichten Gardinen verhängt waren, die jeden Blick ins Innere verwehrten, hatte Lydia schon Schlimmes befürchtet.
»Mein Name ist Lydia Breuer. Ich wollte nach einer Stellung fragen«, stieß sie hervor und war plötzlich atemlos, als wäre sie schnell gelaufen.
»Schickt dich die Agentur?« Die Frau runzelte die Stirn. »Das ging aber schnell. Meine Schwiegermutter hat dort erst vor einer halben Stunde angerufen.«
»Ich komme vom Bahnhof, nicht von der Agentur«, erklärte Lydia hastig und strich sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn.
»Vom Bahnhof?«
»Ich habe dort zufällig gehört, dass Sie gestern ein Hausmädchen entlassen haben. Weil sie gestohlen hat. Ich suche eine Stellung und . ich würde niemals stehlen.«
»Das ist beruhigend.« Die Frau lachte so heftig, dass das Hütchen auf ihrem Kopf fröhlich wackelte.
»Ich kann alle Arbeiten machen, die im Haus anfallen. Öfen und Kamine heizen, putzen, waschen und bügeln.« Mehr fiel ihr leider nicht ein.
Bei den Stallers hatte sie neben den Hilfsarbeiten in der Schlachterei fast den ganzen Tag in der Küche verbracht, denn es galt, Mahlzeiten für neun Personen zuzubereiten - für Herrn und Frau Staller und für die Schlachtergesellen. Und wenn alles vertilgt war, musste das Geschirr abgewaschen und das nächste Essen gekocht werden. Zwischendurch war sie durchs Haus gehetzt und hatte den gröbsten Schmutz weggeputzt. Dabei war es nicht auf Feinheiten angekommen. Das hielten die Weißenfels' sicher ganz anders.
Die elegante Frau warf einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr. »Ein paar Minuten habe ich noch Zeit. Komm rein. Vielleicht passt es ja.«
Sie drehte sich in der offenen Tür um und ging zurück ins Haus. Lydia folgte ihr mit pochendem Herzen.
Die Eingangshalle war groß und hell mit einem Fußboden aus schwarzen und weißen Steinfliesen, die im Schachbrettmuster verlegt waren. An den hohen Wänden hingen kostbar aussehende Gemälde, darunter standen kleine Tische mit Vasen, in denen Sommerblumen leuchteten und einen zarten Duft verbreiteten. Im Hintergrund führte eine geschwungene Holztreppe hinauf zu einer Galerie, von der im oberen Stockwerk mehrere Flure abgingen.
Lydia sah sich staunend um. Es musste ein Traum sein, hier zu arbeiten.
Die junge Frau stand wartend in einer offenen Tür rechts vom Eingang und klopfte mit den Fingerspitzen gegen den Türrahmen.
»Entschuldigung«, murmelte Lydia und eilte hinter ihr her.
Sie fand sich in einer Art Arbeitszimmer wieder. Es gab einen Schreibtisch, ein Regal mit Büchern und Aktenordnern und einen kleinen Tisch mit zwei hochlehnigen Stühlen. Dorthin deutete ihre Gastgeberin mit einem freundlichen Lächeln.
Bevor sie sich setzten, reichte sie Lydia die Hand. »Ich bin Marleen Weißenfels. Mein Mann leitet gemeinsam mit seinem Vater Weißenfels Spielwaren. Kennen Sie die Puppenhäuser von Weißenfels?« Fast erwartungsvoll sah Marleen Weißenfels sie an.
Zögernd schüttelte Lydia den Kopf. Vielleicht wäre es besser gewesen zu behaupten, dass sie die Puppenhäuser kannte. Aber in ihrem Dorf besaß niemand so teure Spielsachen. Soweit sie wusste, hatten nicht mal die Töchter von Bauer Kimmich ein Puppenhaus. Und Kimmichs besaßen mindestens doppelt so viel Land wie alle anderen Bauern im Dorf und wohnten in einem riesigen Haus.
»Ich komme aus Ohltal. Das kennen Sie bestimmt nicht, weil es so klein ist. Da gibt es keine Puppenhäuser und auch sonst nicht viel. Ich bin erst seit zwei Wochen in Nürnberg.« Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, dass sie überhaupt hier war.
»Ich komme auch aus einem kleinen Ort in den Bergen. Allerdings bin ich schon seit mehr als zehn Jahren hier in Nürnberg.«
Lydia ertappte sich dabei, wie sie die Augen vor Staunen weit aufriss. Sie hatte nicht gedacht, dass die elegante Marleen Weißenfels, verheiratet mit einem reichen Fabrikerben, aus einem Bergdorf stammte - genau wie sie.
»Waren Sie auch in Stellung hier in der Stadt?« Erschrocken schlug sie sich die Hand vor den Mund. So etwas fragte man nicht. »Entschuldigung«, stotterte sie.
»Schon gut.« Zu Lydias Erleichterung lächelte Marleen Weißenfels immer noch. »Du kennst dich also mit allen Arbeiten im Haushalt aus. Meine Schwiegermutter stellt hohe Ansprüche. Gelegentlich würdest du bei Abendgesellschaften servieren müssen. Oder den Gästen die Garderobe abnehmen.«
»Das kann ich. Und ich sage auch bestimmt keine...
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