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Große Gefühle vor der faszinierenden Weite des Baltikums und dem Berlin der Goldenen Zwanziger
Schon als Kind liebt Marie-Luise von Zehlendorf, genannt Malu, Stoffe und Mode. Nichts wünscht sich die Gutsherrentochter mehr, als Kleider zu entwerfen. Als sie nach dem Tod ihres Vaters das Baltikum verlässt und nach Berlin zieht, wird ihr Traum Wirklichkeit. Doch ihr Liebster bleibt zurück und heiratet eine andere. Wird Malu in Berlin ihr Glück und die Liebe finden - oder muss sie dafür in die Heimat zurückkehren?
Von Karen Winter ebenfalls bei beHEARTBEAT erschienen: Die Afrika-Romane "Das Feuer der Wüste" und "Das Herz der Savanne".
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Gut Zehlendorf (Lettland), 1894
Als der Freiherr Wolfgang von Zehlendorf sich in seine Kutsche begab, versank die Sonne hinter den Dächern von Mitau. Er legte sich eine Reisedecke über die Beine und seufzte. Von der Versammlung der lettländischen Ritterschaft hatte er sich einiges erhofft, doch seine Erwartungen waren enttäuscht worden. Der Freiherr seufzte noch einmal und dachte an seinen Sohn. Ruppert war mittlerweile sechs Jahre alt, und Wolfgang von Zehlendorf hielt es für geboten, ihn in eine Schule zu schicken. In den Schulen von Mitau aber gab es seit einiger Zeit nur Unterricht in russischer Sprache. Dazu kam, dass seit dieser Neuerung die Schulen von Russen bevölkert wurden, von ungezähmten kleinen Jungen ohne Manieren und Wertgefühl. Und die deutsche Ritterschaft hatte es nicht vermocht, vom Zaren die Genehmigung für eine einzige deutsche Schule zu erhalten. Also blieb nur der Privatunterricht. Wolfgang schauderte, wenn er daran auch nur dachte. Grässliche Gouvernanten in langweiligen dunklen Kleidern und mit spitzen Gesichtern würden zu Mittag bei Tisch sitzen. Schweizer Bonnen, die nach Kampfer und Hustenbonbons rochen, würden mit ihrem komischen Dialekt das Haus füllen, und sein Sohn würde nie aus diesem von Frauen dominierten Haushalt herausfinden.
Wenn Wolfgang von Zehlendorf ehrlich zu sich war - und das war er meist, wenn er allein in seiner Kutsche durch die baltische Landschaft fuhr -, so musste er zugeben, dass Ruppert nicht so geraten war, wie er sich das für seinen Erben erhofft hatte.
Wolfgang von Zehlendorf sah aus dem Fenster und erblickte eine Gruppe junger Birken. Dahinter erstreckte sich fruchtbarer Boden, über dem der Abendnebel hing. Knapp zwanzig Werst lag Gut Zehlendorf von Mitau entfernt. Mit der Kutsche brauchte er, je nach Witterung, gut zwei Stunden von der Stadt bis nach Hause. Zeit genug, um eine Entscheidung über die Zukunft des Jungen zu treffen.
Er muss aus dem Haus, entschied der Freiherr. Es geht nicht an, dass die Frauen ihn noch mehr verwöhnen. Er muss mit Gleichaltrigen zusammen sein. Gut möglich, dass er es schwer haben wird in den ersten Monaten. Möglich sogar, dass seine Mitschüler ihn so manches Mal verprügeln. Aber, Herr im Himmel, es ist das Beste für den Jungen.
Wolfgang von Zehlendorf hatte Rupperts Entwicklung im letzten Jahr mit Sorge betrachtet. Einmal war er dazugekommen, als der Junge ein neugeborenes Kätzchen quälte, indem er versuchte, dessen Schwanz anzuzünden. Ein anderes Mal hatte Ruppert mit der Peitsche auf einen Stalljungen eingeschlagen, weil dieser sich geweigert hatte, dem Sechsjährigen ein Pferd zum Ausritt zu satteln. Hinter dem Rücken seiner Kinderfrau schnitt er Fratzen, doch kaum kamen seine Mutter oder sein Vater hinzu, wurde aus Ruppert der liebste Junge der Welt.
Es tat weh, aber Wolfgang von Zehlendorf musste sich eingestehen, dass der Junge einen Hang zur Hinterhältigkeit und Niederträchtigkeit hatte. Die Ursache hierfür lag natürlich darin, dass seine Gattin Ruppert unmäßig verwöhnte. Zudem wurde sie nicht müde, dem Jungen zu erklären, welch unendlich großen Besitz und welche Reichtümer er einmal erben würde und welche Macht sein Wort den Dienstboten gegenüber heute schon hatte.
Wolfgang würde es nicht wagen, seiner Frau zu erklären, welche Fehler sie im Umgang mit dem Jungen beging, oder ihr gar Vorschriften zu machen. Die Kindererziehung war Sache der Frauen, trotzdem machte er sich Sorgen. Außerdem scheute er die Auseinandersetzungen mit Cäcilie von ganzem Herzen, denn sie wusste stets sehr genau, was gut und richtig war, wer etwas zu tun oder zu lassen hatte. Manchmal schien es dem Freiherrn geradezu, als ob in der Brust seiner Gattin statt eines Herzens ein Verhaltens- und Regelbüchlein für alle Lebenslagen schlug. Ihr gegenüber kam sich Wolfgang oft ein wenig beschränkt vor, ein Mann vom Lande, nur wenig besser als ein Bauer.
Der Freiherr wusste, dass es ihm an städtischem Schick mangelte, den Cäcilie im Gegensatz zu ihm in ihrer Jugend in Riga wie Nektar eingesogen haben musste. Stets beherrscht, lächelte sie über seine Ungeschicklichkeit mit der Austernzange hinweg und legte ihm bei Tisch eine Hand auf den Unterarm, wenn er die Gäste mit seinen Theorien zur besseren Bestellung der Landwirtschaft langweilte. Sie war es gewesen, die nach ihrer Heirat vor sieben Jahren wertvolles Porzellan angeschafft hatte, die Kristallgläser aus Italien und Champagner und Foie gras aus Frankreich kommen ließ. Und sie war es auch gewesen, die ihm eine Zigarettenspitze aufgenötigt und einen Humidor für seine Zigarren angeschafft hatte. Seit sie dem Haushalt vorstand, gab es die merkwürdigsten Gerichte mit den seltsamsten Zutaten und mit unaussprechlichen französischen Namen. Fingerschälchen, Messerbänkchen und Damastservietten kannte Wolfgang selbstverständlich aus seiner Kindheit, aber Schneckenzangen und silberne Olivenstäbchen hatte es zuvor auf Gut Zehlendorf nicht gegeben.
Alles in allem bewunderte Wolfgang seine Gattin für ihren gesellschaftlichen Schliff und ihre untrügliche Sicherheit in allen Dingen des Lebens. Nur manchmal kam ihm der Gedanke, dass auch Cäcilie nicht mit jedem Problem so leicht fertig wurde, wie es den Anschein hatte. Insbesondere dann, wenn die kleine Marie-Luise ihrer Mutter Fragen stellte, die mit »Warum« oder »Woher« begannen. Woher weiß die Sonne, dass es Morgen ist und sie aufgehen muss? Warum muss ich abends und morgens die Zähne putzen, auch wenn ich in der Nacht gar nichts esse?
Cäcilie betrachtete ihre Tochter dann mit einem Blick, als würde sie das kleine Mädchen überhaupt nicht kennen und auch nicht wissen, wie das Kind vor ihre Füße gekommen war. Sie zog die Augenbrauen nach oben und antwortete mit ungewöhnlicher Schärfe: »Weil das nun einmal so ist und auch du es nicht ändern wirst.«
Marie-Luise. Immer wenn Wolfgang von Zehlendorf an seine kleine vierjährige Tochter dachte, umspielte ein Lächeln seine Lippen. Ihr Haar war so fest und dick, als würde man in einen Handfeger fassen, während Rupperts Haar eher fein und seidig an seinem Kopf lag und nur mit Mühe die Ohren verdeckte. Malu hatte weiße ebenmäßige Zähnchen, die sie beim Lachen zu gern zeigte, während Ruppert die langen Zähne - ein Erbe der Familie seiner Mutter - meist hinter der vorgehaltenen Hand versteckte. Malus Augen wirkten mal grau, mal grün und mal braun, doch stets waren sie groß, rund und wissbegierig, während Rupperts blaue Augen eng beieinanderstanden und seine Blicke flink wie Frettchen hin und her huschten.
Malu, das Sonnenkind. Malu, die so viel von ihm hatte. Sie war mehr Land- als Adelskind und mit ihrer unbekümmerten Fröhlichkeit schon jetzt eine Herzensdiebin. Vielleicht, dachte Wolfgang, hatte er Malu stärker ins Herz geschlossen, weil Cäcilie immer etwas an dem Kind auszusetzen hatte. Stets war ein Fleck auf Malus Kleid oder ein Halm im Haar, und oft verlor sie ihre Schuhe, weil sie lieber das Gras unter ihren kleinen Fußsohlen spüren wollte, als eingezwängt in den engen Schuhen zu laufen. Malu liebte Tiere, näherte sich ohne Furcht oder Abscheu den Rindern und Schweinen, jagte die Hühner über den Hof oder trieb die Gänse mit ausgebreiteten Armen vor sich her. Bei Tisch zappelte sie herum und sprach schon mal mit vollem Mund, weil sie zu aufgeregt war, um erst hinunterzuschlucken. Sie biss herzhaft in einen Pfirsich, statt ihn sich von der Kinderfrau mit Messer und Gabel in Stücke schneiden zu lassen. Sie trank Wasser aus dem nahen Bach, aß Beeren ungewaschen direkt vom Strauch und schlief jede Nacht so tief und fest wie ein Bärenjunges.
»Malu.« Wolfgang flüsterte den Namen der Kleinen zärtlich vor sich hin. Mit ihr würde er keine Sorgen haben. Sie würde ihren Weg gehen. Schon jetzt galt ihre ganze Liebe den einfachen Dingen. Sie würde einen Gutsherrn heiraten und mit Freude ihr Haus führen. Sie würde Anteil nehmen am Gedeih und Verderb der Güter, würde zupacken, wenn es darauf ankam, und stets das tun, was gerade nötig war.
Die Kutsche durchquerte das große schmiedeeiserne Tor mit dem Wappen derer von Zehlendorf. Knirschend rollte sie über die kiesbestreute Auffahrt, umrundete das Rondell vor der Freitreppe und kam schließlich mit einem Ruck zum Stehen.
Wolfgang von Zehlendorf warf die Decke von sich, als der Kutscher den Schlag aufriss, und stieg aus.
Er blickte an der Fassade des Hauses empor. »Was ist hier los?«, fragte er. »Es sind beinahe alle Zimmer erleuchtet. Gibt meine Gemahlin heute Abend eine Gesellschaft?«
Der Kutscher schüttelte den Kopf. »Ich weiß von nix, jnädiger Herr. Is' auch nich meine Sache. Soll ich in der Küche fragen?«
»Nein, geh ruhig nach Hause, warst lange genug auf den Beinen.«
Der Kutscher riss sich die Mütze vom Kopf. »Danke, Herr. Ein' schön' Abend auch.«
Wolfgang nickte. Dann stieg er langsam die Freitreppe hinauf und unterdrückte dabei ein schlechtes Gewissen, denn Cäcilie hasste es, wenn er zu spät kam und die Gäste warten ließ.
Im Vestibül war jedoch alles ruhig. In der Garderobennische hingen keine fremden Mäntel, und in der Silberschale auf der kleinen Nussbaumanrichte lagen keine Visitenkarten. Nur die Blumen in einer Vase verloren mit einem zarten Geräusch die ersten Blütenblätter. Und doch brannten alle Petroleumlampen. Sogar der schwere Deckenlüster war mit frischen Kerzen bestückt und malte Schatten an die Wände. Aus der Küche, deren Tür offen stand, drang nicht das kleinste Geräusch. Im Herd glomm ein Feuerrest, die kupfernen Töpfe, Kessel und Pfannen hingen blank geputzt an ihrem Gestell, der schwarz-weiß geflieste Boden war sauber gewischt, der Holztisch mit Sand...
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