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Süddeutschland, 1922: Die junge Näherin Claire verliebt sich in den adligen Helmut von Haynbach. Zunächst treffen sich die beiden nur heimlich, denn seit Langem steht fest, dass er Hilda von Bilgenstein heiraten soll. Doch ihre Gefühle werden immer stärker und Helmut beschließt, die Verlobung mit Hilda zu lösen. Gegen den Willen seiner Familie heiraten Claire und Helmut - und das junge Glück wird auf eine harte Probe gestellt: Die von Haynbachs verstoßen ihren Sohn und seine nicht standesgemäße Ehefrau. Das junge Paar weiß nicht wohin und die Geburt des ersten Kindes rückt näher. Verzweifelt muss Claire erkennen, dass ihr geliebter Mann trotz aller Bemühungen seinen Schwur nicht einhalten kann, die kleine Familie zu ernähren. Niemand traut dem Sohn eines Grafen harte Arbeit zu. Wird die Liebe der beiden diese schwere Zeit überstehen?
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Herrenhaus Bilgenstein, Ende März 1922
»Hast du ihren heimtückischen Blick gesehen?« Magda machte sich nicht die Mühe, ihre Stimme zu senken, während sie nach der Blechkanne griff, um sich Kaffee einzugießen. Natürlich war es kein echter Bohnenkaffee. Dieser war knapp vier Jahre nach Ende des Krieges immer noch viel zu teuer, um ihn den Dienstboten zuzugestehen. Als Kaffee-Ersatz bekamen sie ein Gebräu aus gerösteten Getreidekörnern und Zichorienwurzeln, das sie »Muckefuck« nannten. Eine große Blechkanne davon stand in der Gesindestube stets auf der Ofenplatte.
Claire tat, als hätte sie nichts gehört, und beugte sich tiefer über ihre Arbeit, damit die beiden Frauen ihre brennenden Wangen nicht bemerkten.
»Ich finde, sie guckt . normal.« Die Stimme des Stubenmädchens, dessen Namen Claire nicht kannte, klang unbehaglich. Offenbar hatte sie wenigstens ein schlechtes Gewissen, in Gegenwart der Fremden schlecht über sie zu reden.
»Sie ist Französin!«, schnaubte die Zofe der Baroness Hilda von Bilgenstein. »Ich begreife nicht, wie die Gnädigste zulassen konnte, dass Erbfeinde ins Haus kommen. Aus ihrer Verwandtschaft mag ja im Krieg niemand von den Franzosen umgebracht worden sein, aber es gibt Familien, die haben zwei oder drei Söhne verloren. Dahingemetzelt von Franzmännern!« Magda wurde immer lauter.
»Das waren ja nicht nur die Franzosen«, versuchte das Stubenmädchen, sie zu beruhigen. »Ich hab gehört, dass der gnädige Herr die französische Schneiderin nicht gern im Haus haben wollte. Der Baron hat gesagt, er findet das nicht gut, wegen Elsass-Lothringen und so. Aber die Gnädigste hat sich auf die Seite ihrer Tochter gestellt. Weil es doch heißt, Louise Lefevre näht die allerschönsten Kleider. Und die Baroness möchte nun mal das schönste Hochzeitskleid haben, das sie bekommen kann. Französische Mode war ja schon vor dem Krieg .«
»Französische Mode - dass ich nicht lache!«, unterbrach Magda die schüchternen Erklärungsversuche des Stubenmädchens. »Ich hab Angst, im Schlaf ermordet zu werden, wenn die beiden französischen Hexen oben in der Mansarde nur drei Kammern entfernt von mir schlafen! Letzte Nacht hab ich die Kommode von innen vor meine Tür geschoben. Das solltest du auch machen, Grete.«
Claire schnappte erschrocken nach Luft. Sie hatte natürlich gewusst, dass Franzosen und Deutsche seit Jahrhunderten nicht gerade die besten Freunde waren. Das hatte nicht erst mit dem letzten Krieg angefangen.
Dennoch war im vergangenen Jahr die erste Anfrage von der deutschen Seite der Grenze, aus der Republik Baden, gekommen. Und zwar von Amanda von Schliefenberg, einer der ungefähr hunderttausend Vieux-Allemands, der »Alt-Deutschen«. Sie waren aus dem Elsass ausgewiesen worden, als nach Kriegsende die französischen Truppen im November 1918 unter dem Jubel des größten Teils der Bevölkerung in Elsass-Lothringen eingezogen waren. Die Baronin hatte in ihrer alten Heimat Louise Lefevres Schneiderkunst kennengelernt und sie in ihr Herrenhaus in der Nähe des kleinen badischen Ortes Berghaupten gebeten, um sich von ihr ein Abendkleid nähen zu lassen.
Seitdem bekamen sie immer wieder Anfragen und Aufträge aus Deutschland. Claire hatte ihre Mutter Louise schon auf rund ein halbes Dutzend Landsitze, Gutshäuser und Schlösser in Baden begleitet, um ihr bei der Arbeit an ihren aufwendigen Kleidern zu helfen. Es fühlte sich gar nicht an, als würden sie ins Ausland reisen. Claire und ihre Mutter sprachen ebenso gut Deutsch wie Französisch, wenn sie sich auch als Französinnen fühlten. Schließlich hatte Louise seit ihrer Geburt unter deutscher Herrschaft gelebt. Ihre Heimat war bereits 1871 im Deutsch-französischen Krieg an Deutschland gefallen.
Claire hatte früh angefangen, ihre Mutter bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Mit ihren geschickten kleinen Händen hatte sie schon als Zehnjährige zarte Stickereien angefertigt.
Vor einer Woche war sie mit ihrer Mutter im Haus des Barons Heinrich von Bilgenstein angekommen. Nun war sie seit dem Morgengrauen damit beschäftigt, zahllose Perlen auf die Schleppe von Baroness Hildas Brautkleid zu nähen. Zu diesem Zweck hatte man ihr einen kleinen Tisch vor dem Fenster der Gesindestube im Souterrain zugewiesen, die neben der Küche lag.
Währenddessen arbeitete ihre Mutter im geräumigen Ankleidezimmer der Baroness im Obergeschoss des Herrenhauses. Sie heftete, nähte, veranstaltete zahllose Anproben mit der Braut und änderte alles wieder. Claire war froh gewesen, dass sie hier unten in Ruhe ihre Arbeit machen konnte. Bräute überlegten es sich ständig anders. Mal sollte der Ausschnitt größer sein, mal kleiner, mal war der Rock zu weit und das Oberteil zu eng oder umgekehrt. Die Baroness bildete da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Sie erschien Claire noch anspruchsvoller und unberechenbarer als die meisten anderen Bräute, für die sie gearbeitet hatten.
Doch ihre Mutter war von engelsgleicher Geduld. Wenn es sein musste, änderte sie ein Kleid ein Dutzend Mal und hörte dabei keine Sekunde auf zu lächeln.
Als Claire oben im Ankleidezimmer Louise beim Fälteln des weiten Rocks zur Hand gegangen war, hatte sie erlebt, wie die Baroness in ihrem Wankelmut von Magda noch angestachelt wurde. Hatte die Zofe das getan, weil sie der verhassten französischen Schneiderin möglichst viel Mühe bereiten wollte?
»Die Kanne ist leer«, stellte Magda missmutig fest und starrte in ihre Tasse, die nur zur Hälfte gefüllt war.
»Ich sag in der Küche Bescheid.« Grete wollte nach der Blechkanne greifen, doch die Zofe hinderte sie daran.
»Das französische Luder hat den ganzen Kaffee ausgetrunken. Man sollte ihr klarmachen, dass sie sich hier nicht einfach an dem bedienen darf, wonach ihr der Sinn steht«, zischte Magda. »Es reicht ihr wohl nicht, dass sie uns das Elsass weggenommen haben. Und Lothringen. Einfach alles. Mein Vetter war Reichsbeamter in Lothringen. Nach dem Krieg haben sie ihn kurzerhand rausgeworfen. Wie ein Stück Vieh über die Grenze gescheucht. Und ein paar Wochen später auch meine Eltern, meine Geschwister und mich . Wir hatten ein Stück Land im Elsass. Einen Weinberg. Und jetzt .« Sie schnaubte vor Wut.
Claire wollte auffahren und ihr erklären, dass niemand ihretwegen irgendein Land auf der Welt verlassen musste. Andererseits hatten die Deutschen den Franzosen das Elsass und Lothringen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 abgenommen, so viel wusste sie. Das war lange her, aber immerhin hatten diese Gebiete ursprünglich einmal zu Frankreich gehört. Ihr persönlich war das nicht so wichtig. Sie kannte es von Geburt an nicht anders, als in einem von den Deutschen regierten Land zu leben. Dennoch erschien es ihr gerecht, dass die Franzosen ihren Besitz zurückgefordert hatten. Schließlich hatten sie den Krieg, den sie nicht angefangen hatten, gewonnen. Das sagte sie aber lieber nicht, sonst würde Magda noch wütender werden.
»Die Köchin hat mir erlaubt, vom Kaffee zu nehmen«, entgegnete sie stattdessen. »Ich habe aber nur ein oder zwei Schluck davon probiert.«
Die Zofe holte tief Luft und fuhr sie dann an: »Hat dir wohl nicht geschmeckt, du französischer Wechselbalg.«
Wieder zuckte Claire zusammen. Es war nicht das erste Mal, dass sie von den Dienstboten in einem der Häuser, in denen sie arbeiteten, beschimpft wurde. Aber so schlimm wie Magda war noch niemand gewesen.
Entschlossen warf Claire den Kopf in den Nacken und sah der Zofe in die Augen. »Was soll das heißen? Wieso nennen Sie mich so?« Ihr Herz klopfte so heftig, dass es sich anfühlte, als flattere ein Vogel in ihrer Kehle herum. Sie wusste, dass Wechselbalg ein deutscher Ausdruck für uneheliche Kinder war. Und das traf auf sie nicht zu. Ihr Vater war zwar gestorben, aber ihre Mutter war mit ihm verheiratet gewesen.
»Bist du so dumm, dass du nicht weißt, was das ist? Ein Kind, von dem man den Vater nicht kennt, ist das. Ein Kind der Sünde, von bösen Geistern gebracht. Oder wo ist dein Vater?«
Claire schluckte heftig, obwohl ihr Mund wie ausgetrocknet war. Magda konnte eigentlich nichts über sie und ihre Familie wissen. Claires Gedanken überschlugen sich. Aber die Zofe hatte gesagt, dass sie aus dem Elsass stammte. Hatte sie vielleicht in einem der Nachbardörfer von Claires Heimatort Andlau gewohnt?
»Da guckst du dumm wie >ne Kuh«, fuhr Magda fort und fuchtelte mit der Hand vor Claires Gesicht herum. »Eine dumme Kuh bist du.«
»Nun lass sie doch in Ruhe«, mischte Grete sich ein. »Sie tut dir doch nichts.«
»Sie hat mir den Kaffee weggetrunken. Und meine Familie von ihrem Weinberg verjagt. Und im Schützengraben meinen Vetter umgebracht.«
»Das war doch nicht sie.« Grete schien viel freundlicher und vernünftiger als Magda zu sein. Das hinderte Letztere aber nicht daran, sich immer mehr in ihre Wut hineinzusteigern.
»Du französische Kuh, du.« Magda packte Claire bei den...
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