Wo Blut und Schweiß fließt
Kapitel 2
»Bist du endlich fertig?«, rief mein bester Freund aus meinem Wohnzimmer. Er wurde immer schnell ungeduldig.
Ich betrachtete mein Spiegelbild. Die tiefen Augenringe, die zu großen Lippen und die zu helle Haut. Meine blonden Haare hatte ich zu einem unordentlichen Knoten gebunden und einen von Trents Kapuzenpullis über meine üppige Brust geworfen. Eine von Macs alten dunkelblauen Baggy Jeans bedeckte meine Beine und war so weit, dass man meinen Körper darunter nicht mehr erkennen konnte.
Da fast alle Kämpfe in großen, abgelegenen Industriehallen oder stillgelegten Fabriken stattfanden, kam ich nicht umhin, mir eine dicke Winterjacke überzuziehen.
»Ich komme schon, Trent«, schrie ich, als er erneut fragte, ob ich fertig war.
Es war stickig, verraucht und heiß. Weit und breit war nur ein Haufen testosterongesteuerter Männer zu sehen. Hin und wieder bekam man eine halbnackte Frau, die sich auf dem Schoß besagter Männer räkelte, unter die Augen.
Ich war über den Zustand des Unwohlseins hinweg, immerhin war ich unter ähnlichen Umständen aufgewachsen. Ich wollte nie zu dieser Welt gehören, großer Gott, niemand wollte in so eine Welt gehören. Doch ich tat es. Schon von Anfang an.
Immerzu, wenn ich kurz davor war, einfach wegzulaufen, erinnerte ich mich daran, dass ich dieses Geld dringend benötigte. Wollte ich nächsten Monat immer noch ein Dach über dem Kopf haben, dann musste ich das hier ertragen.
Nolens volens gab ich zu, dass ich manchmal meine Augen nicht vom Kampf abwenden konnte, aber es waren ja auch nicht die Kämpfe, gegen die ich eine Abneigung hatte. Es waren die Personen, die sich hier befanden.
Die Masse jubelte und johlte. Es flogen Beschimpfungen in verschiedenen Sprachen und Ausführungen durch den großen Saal. Obwohl es hier um viel Geld ging, herrschte ein Durcheinander wie auf einem Konzert der heutigen Teeniestars. Wetteinsätze wurden umhergeschmissen und leicht bekleidete Frauen weitergereicht wie ein Joint.
»Willkommen zum heutigen Gemetzel von Chicago, ihr blutdürstigen Hunde! Wenn du auf der Suche nach Unterhaltung, schönen Frauen und Spaß bist, dann bist du hier verdammt falsch, Kumpel! Hier gibt es nur viel Geld, Blut und Nutten, die Hand anlegen, wenn du ihnen einen Fünfer zusteckst. Ich bin Blake, aber das wisst ihr ja schon. Ich mache hier die Regeln, kontrolliere die Wetten und rufe den Beginn des Kampfes aus. Das Wetten hat ein Ende, sobald der erste Gong ertönt. Hier kommen die ersten Regeln! Kein Berühren oder Helfen der Kämpfer und die Wetten dürfen nicht mehr geändert werden. Sollte irgendein Dummkopf eine dieser Regeln brechen, dann wird er von meinen zwei Freunden nach draußen befördert! Natürlich nicht ohne einen besonderen Arschtritt!« Ich konnte mir gut vorstellen, wie dieser Arschtritt aussah. Jeder, der eine dieser Regeln brach, konnte froh sein, wenn er nur mit ein paar gebrochenen Knochen und einem blauen Auge davonkam.
Ich klammerte mich an Trents muskulösen Arm, um in der Masse nicht verloren zu gehen. Es tummelten sich mindestens hundert betrunkene Typen, die auf Blutvergießen und Wettgewinne aus waren, rund um den Boxring. Der Gong ertönte - alle Wetten waren besiegelt und die von Blake aufgezählten Regeln traten in Kraft.
»Heute Nacht begrüßen wir Danny Capristo! Den Star der Footballmannschaft von der Chicago State University! Hübscher Junge, nicht wahr? Wenn wir hier fertig sind, dann wird er nicht mehr so gut aussehen«, lachte Blake. Jubel brandete auf und die Menge teile sich, als Danny eintrat. Es wurde gepfiffen und gejohlt während Danny auf und ab sprang, den Kopf kreisen ließ und ein ernstes Gesicht machte.
Die Menge beruhigte sich wieder ein wenig, als Blake seine Ansage fortsetzte.
»Hier und heute, nur für euch! Der einmalige Alexandr >der Große< Koslow!«
Der Raum schien zu explodieren. Es wurde geflucht, weil Wetten falsch abgeschlossen worden waren, gejohlt und ein paar Frauen fingen an zu kreischen. Die Masse teilte sich erneut und das Jubeln schien kein Ende zu finden. Ich beruhigte mich ein wenig, als ich sah, dass dieser Alexandr um einiges größer war, als Danny. Das hieß zwar noch nichts, weil die Größe allein ihn nicht zu einem guten Kämpfer machte, aber meine Hoffnung auf Geld stieg. Zusammen mit dem Geräuschpegel.
Ich konnte das Gesicht des mir unbekannten Kämpfers nicht erkennen, da alle mit ihren Händen herumwedelten und mir die Sicht versperrten.
Meine Hand krallte sich fester um Trents starken Oberarm, damit ich nicht verloren ging oder zertrampelt wurde.
»Das wird heute ein einzigartiger Kampf werden, Leute! Nicht nur, dass wahrscheinlich mehr als die Hälfte von euch Wichsern auf den Falschen gesetzt haben, sondern weil es heute Alexandrs letzter Kampf ist. >Der Große< hört auf mit dem Kämpfen und hat vor, seinen letzten Kampf zu etwas Besonderem zu machen. Sorry, Danny, aber du hast heute Abend leider keine Chance.«
Dannys Kampfgeist schien größer als sein Verstand zu sein, denn er machte nur eine abfällige Handbewegung und ließ seinen Kopf kreisen, während er auf und ab sprang.
Alexandr >der Große< behielt einen neutralen Gesichtsausdruck und schien sich nicht im Geringsten darum zu scheren, was Blake von sich gab. Trotz allem strahlte dieser große Mann mit dem breitesten Kreuz, das ich je gesehen hatte, ein gewisses Selbstbewusstsein aus.
Der umfangreiche Bizeps des schwarzhaarigen Alexandr schien noch größer zu werden, als er seine Knöchel gegen Dannys schlug.
Im Boxring traten beide jeweils ein paar Schritte auseinander, umkreisten sich, sprangen auf und ab und nahmen danach eine defensive Haltung ein. Capristo wagte als Erster einen offensiven Schlag, der ihm nicht gelang, da Alexandr zu schnell abblockte und ihm kurz darauf einen Ellbogen ins Gesicht rammte. Dieser Schlag schien Dannys Sehkraft für kurze Zeit einzuschränken, denn er taumelte nach hinten und hielt sich eine bandagierte Hand vor sein Gesicht. Ein paar Sekunden später nahm er die Hand wieder herunter und man konnte das Blut, das aus seiner Nase lief, erkennen. Jedes Mal, wenn ein Ellbogen von Alexander Dannys Rippen traf, wurde die Meute noch lauter.
Ich selbst merkte kaum etwas von den Menschen, die mich herum schubsten, sondern konzentrierte mich nur auf den Kampf. Auf Zehenspitzen versuchte ich, einen besseren Blick zu erhaschen, weil hin und wieder eine Hand in mein Sichtfeld schoss.
Als ich volle Sicht hatte, stieß Alexandr sein Knie in Dannys Visage, so dass dieser zu Boden fiel. Alexandr setzte sich auf ihn und hielt ihn unten, bis Blake einen blutverschmierten Stofffetzen auf Dannys Gesicht schmiss und somit das Ende des Kampfes ankündigte.
Der Raum schien zu explodieren und ein Arm zog mich von der Masse weg, die sich vor dem Boxring sammelte.
»Komm, Elena, lass uns schnell von hier verschwinden! Hier ist gleich die Hölle los!« Weil ich wusste, dass er recht hatte, folgte ich ihm durch die Halle. Es tummelten sich mindestens hundert betrunkene Typen, die auf Blutvergießen und Wettgewinne aus waren, rund um den Boxring. Am Eingang angekommen spürte ich, wie sehr meine rechte Schulter schmerzte, weil die Leute hier einfach nicht darauf achteten, ob oder wer ihnen im Weg stand.
Ich war froh, als ich draußen am Parkplatz frische Luft einatmen konnte und nicht von Menschenmassen erdrückt wurde.
Gerade als Trent seinen Wagen aufgesperrt hatte und ich einsteigen wollte, hörte ich eine Stimme meinen Namen rufen. Ich drehte mich um hundertachtzig Grad und sah PJ, wie er auf uns zugelaufen kam. »Elena, warte!«, rief er erneut.
»Gut, du hast gewartet«, meinte er erleichtert, als er vor mir zum Stehen kam. »Blake wollte dich sehen, weil dein Gewinn höher ausgefallen ist als gedacht.«
»Ähm, danke, aber nein danke«, sagte ich trocken. »Ich hole mir mein Geld einfach am Montag von dir. So wie immer.«
»Elena, Süße, das war keine Bitte«, entgegnete er ruhig. »Vertrau mir, du willst so jemanden wie Blake nicht wütend machen, wenn es um so etwas geht. Er wird dann immer zu einem Riesenbaby, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen kann.«
»PJ, du hast sie gehört, sie hat Nein gesagt. Und jetzt verzieh dich«, rückte mein bester Freund zu meiner Rettung an.
»Halt dich da raus, Trent.« Nun klang PJ um einiges wütender und gebieterischer. »Komm jetzt, Elena, du sollst einfach nur schnell Hallo sagen und deine Kohle holen. Danach kannst du schon wieder gehen, okay?«
»Hast du nicht gehört, was sie eben gesagt hat? Bist du schwerhörig?« Trent wurde langsam wütend und weil ich wusste, dass er schnell handgreiflich werden konnte, wenn er an seine Grenze kam, entschied ich mich einzuschreiten. Immerhin waren wir hier auf PJs Terrain.
»Ist schon gut, Trent, ich bin gleich wieder da«, versuchte ich ihn zu beruhigen. Missmutig nickte er und behielt PJ im Auge.
»Wieso kannst du nicht so kooperativ wie Elena sein, Trent?«
»Hör auf zu reden, PJ. Ich kann dir garantieren, dass du dir eine fängst, wenn du so weiter machst«, meinte ich. »Lass uns das schnell hinter uns bringen.«
Ich folgte dem Rotschopf durch verschiedene abgelegene Gänge, die mal mehr und mal weniger gut beleuchtet waren. Als wir in einen Gang gerieten, der fast so dunkel war, dass ich meine Hand vor meinem Gesicht nicht mehr erkennen konnte, war ich kurz davor, mich an PJ festzuhalten, zwang mich aber dazu, vorsichtig einen Schritt nach dem anderen zu...