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Pflegerisches Entlassungsmanagement sollte mit der Krankenhausaufnahme beginnen und erst enden, wenn der Patient das Krankenhaus bereits wieder verlassen hat und geprüft worden ist, ob alle Maßnahmen den gewünschten Erfolg gebracht haben. Am Anfang steht das Risikoscreening (initiales Assessment). Danach kann sich der Prozess, wie das folgende Schema erkennen lässt, verzweigen ( Abb. 2.1).
Abb. 2.1: Ablauf des Entlassungsmanagements
In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Schritte des Entlassungsmanagements und die dazu benötigten Instrumente ausführlich beschrieben.
»Die Pflegefachkraft führt mit allen Patient*innen und deren Angehörigen innerhalb von 24 Stunden nach der Übernahme der pflegerischen Versorgung eine erste kriteriengeleitete Einschätzung der erwartbaren poststationären Versorgungsrisiken und des Unterstützungsbedarfs durch. Diese Einschätzung wird bei Veränderung des Krankheits- und Versorgungsverlaufs überprüft und gegebenenfalls aktualisiert.« (DNQP 2019, P1a)
Am Anfang des Entlassungsmanagements steht die Identifizierung der Patienten, die Unterstützung bei der Bewältigung des Übergangs aus dem Krankenhaus in eine andere Versorgungsumgebung benötigen. Diese Aufgabe stellt sich bei allen neu aufgenommenen Patienten, sodass man hier auch von einem Screening sprechen kann. Der nationale Expertenstandard verwendet den Begriff initiales Assessment. Ziel ist nicht die differenzierte Erfassung des Bedarfs, sondern eine erste, grobe Einschätzung der Situation des Patienten und seiner Probleme, um ein erhöhtes Risiko mangelnder Bewältigung des Übergangs zu erkennen bzw. auszuschließen.
Genau genommen benötigen alle oder fast alle Patienten in irgendeiner Form Unterstützung, denn alle haben nach der Entlassung bestimmte Anforderungen im Umgang mit Krankheits- und Behandlungsfolgen zu beachten. Beispielsweise geht jede Operation mit einem Bedarf an Nachbehandlung und Maßnahmen der Selbstpflege einher. Sie stellt die Patienten daher vor bestimmte Erfordernisse. Dazu gehören Selbst- bzw. Symptombeobachtung, Arztbesuche, der Umgang mit der Operationswunde einschließlich der Einhaltung spezieller Hygienevorschriften, ggf. auch die Einnahme von Medikamenten und die Anpassung des Alltagshandelns (z. B. Vermeidung von Handlungen, die Scherkräfte im Bereich der Wunde auslösen, Umstellung von Freizeitaktivitäten etc.).
Häufig kann sich die Unterstützung, die dadurch notwendig wird, auf Information und Aufklärung durch einen Arzt beschränken. Ein strukturiertes Entlassungsgespräch, das grundsätzlich einen Bestandteil der medizinischen und pflegerischen Versorgung im Krankenhaus darstellen sollte, wird daher bei der Mehrheit der Patienten ausreichen. Aus zwei Gründen können jedoch weitergehende Hilfen notwendig sein:
1. Möglicherweise ergeben sich aus der Erkrankung oder der ärztlichen Behandlung ungewöhnlich hohe Anforderungen oder schwerwiegende Probleme, die das Wissen und die Fertigkeiten des Patienten übersteigen.
2. Es kann jedoch auch bei weniger komplexen Krankheitsfolgen zu einer Überforderung des Patienten kommen, wenn dessen Wissen und Fertigkeiten schon bei verhältnismäßig geringen Anforderungen an ihre Grenze stoßen - vielleicht bedingt durch gesundheitliche Störungen, vielleicht aber auch durch eine prekäre soziale Situation ( Abb. 2.2).
In beiden Fällen wird der Patient ohne Unterstützung nicht zurechtkommen, wodurch die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es zu Komplikationen kommt. Ein erhöhtes Risiko poststationärer Komplikationen ergibt sich also immer dadurch, dass die dem Patienten zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht ausreichen, um die Belastungen, Probleme und Anforderungen, die nach der Krankenhausentlassung auftreten, allein zu bewältigen. Diese Sichtweise steht übrigens in Einklang mit der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in der Pflegeversicherung, die seit 2017 verbindlich ist: Menschen benötigen pflegerische Unterstützung nicht, weil sie krank sind, sondern weil sie nicht über die Ressourcen verfügen, um gesundheitliche Probleme und ihre Folgen zu bewältigen.
Abb. 2.2: Probleme/Anforderungen und Ressourcen
Das initiale Assessment zielt im Grunde darauf ab, ein Ungleichgewicht zwischen Problemen/Anforderungen und Ressourcen aufzudecken, ohne sämtliche Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Kommt der Patient beispielsweise in dehydriertem Zustand im Krankenhaus an, so kann dies als Hinweis gelten, dass seine Ressourcen - einschließlich der Ressourcen seiner Umgebung - möglicherweise nicht ausreichen, um elementare gesundheitliche Anforderungen zu bewältigen. Dies gilt es dann im nächsten Schritt, d. h. mit dem differenzierten Assessment, näher zu prüfen.
Es ist bei manchen Patienten schwer zu entscheiden, ob ein hohes oder niedriges Risiko vorliegt. Denn von Bedeutung sind hierbei viele Faktoren, die in unterschiedlichen Kombinationen auftreten können bzw. unterschiedlich zusammenwirken. Der Expertenstandard liefert in dieser Hinsicht keine eindeutige Definition, er benennt nur die wichtigsten Faktoren, die beim initialen Assessment berücksichtigt werden sollten. Dies ist auch sinnvoll, weil damit den Krankenhäusern und ihren Fachabteilungen die Möglichkeit bleibt, eine Lösung zu finden, die zur jeweiligen Patientenstruktur und den verfügbaren Ressourcen passt. Das bedeutet allerdings: Eine Klärung bzw. eine konkrete Definition der Kriterien, mit denen das Risiko poststationärer Komplikationen erfasst werden kann, ist beim pflegerischen Entlassungsmanagement immer erforderlich.
Die Kriterien müssen insbesondere zwei Anforderungen erfüllen: Sie müssen genügend sensitiv sein, um alle Patienten mit einem erhöhten Risiko verlässlich zu erfassen. Sie müssen zugleich so definiert werden, dass ihre Verwendung ohne großen Zeitaufwand möglich ist. Komplizierte Einschätzungsmethoden oder umfangreiche Assessmentbögen haben im heutigen Krankenhausalltag keine Chance auf Verwendung. Im Idealfall wird ein Instrument genutzt, welches das Aufnahmegespräch mit dem Patienten oder seinen Angehörigen um nicht mehr als ein bis zwei Minuten verlängert. Weil alle Patienten im Hinblick auf poststationäre Risiken in den Blick genommen werden sollen (Screening), ist dieser Punkt von besonderer Bedeutung.
Aufgrund vieler Forschungsergebnisse ist bekannt, welche Kriterien besonders wichtig und aussagekräftig bei der Risikoermittlung sind (vgl. dazu Wingenfeld 2005). Dazu gehören:
Ungeplante Wiederaufnahme: Ist beispielsweise bekannt, dass der Patient vor drei Wochen aus dem gleichen Krankenhaus entlassen und nunmehr ungeplant wiederaufgenommen wurde, so liegt ein erhöhtes Risiko für poststationäre Probleme vor.
Mehrfache Krankenhausaufenthalte innerhalb des letzten Jahres: Musste der Patient in der jüngeren Vergangenheit wiederholt im Krankenhaus behandelt werden, so ist das ein Zeichen für eine labile gesundheitliche oder eine labile Versorgungssituation. Unter diesen Umständen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich auch nach dem aktuellen Krankenhausaufenthalt Probleme einstellen. Ähnliches gilt für das mehrfache Aufsuchen einer Notaufnahme.
Prästationäre Pflegebedürftigkeit: Menschen, die bereits im Vorfeld des Krankenhausaufenthalts (und unabhängig vom aktuellen Krankheitsereignis) auf pflegerische Unterstützung angewiesen waren, weisen ebenfalls ein hohes Risiko für poststationäre Probleme auf. Allein der Umstand, dass ein Patient einen Pflegegrad hat, ist ein verlässlicher Hinweis auf ein erhöhtes Risiko. Obwohl das Vorhandensein eines Pflegegrads bei der Patientenaufnahme meist leicht geklärt werden kann, wird diese Information in manchen Krankenhäusern leider nicht erfasst (oder erst spät, nachdem die Stellen für das Entlassungsmanagement eingeschaltet sind).
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