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Kapitel 1
Vielleicht ist das Nicht-wahrhaben-Wollen ein Schutzmechanismus, um das Herz vor einem Tiefschlag abzuschirmen, den es nicht verkraftet. Vielleicht ist es aber auch viel banaler. Vielleicht ist das Verleugnen auch einfach nur ein Nebenprodukt von Eigensinn, der etwas trotz erdrückender Beweise nicht wahrhaben will.
Ich kann nicht sagen, welche Erklärung in meinem Fall zutraf, als ich jetzt im Türrahmen stand, eine zitternde Hand auf dem Türgriff und in der anderen die Schlüssel, aber ich konnte nur eines denken: Das darf nicht wahr sein! So kann es doch nicht enden! Alles ist so . still. Wenn ein Traum stirbt, sollte man das wenigstens hören. Es steht ihm zu, in einem theatralischen Ruhmesfeuer zu erlöschen. Es sollte eine dramatische Sterbeszene geben, ein ächzendes Ringen nach Luft. Irgendetwas.
Denise legte eine Hand auf meine Schulter und flüsterte: "Geht es dir gut?" Ihre Stimme wurde beim letzten Wort ganz leise und klang gebrochen.
"Nein." Ein verzerrter, bitterer Ton verschärfte die Härte des Wortes. Meine Bitterkeit war nicht gegen Denise gerichtet, das wusste sie. "Hier ist überhaupt nichts gut. Absolut gar nichts!"
"Das stimmt." Sie lehnte die Schulter an den Türrahmen und legte den Kopf so an die Seite, dass ihre Wange das Holz berührte. "Aber ich bin nicht sicher, ob es die Sache besser oder schlimmer macht, wenn wir hier stehen und es uns ansehen. Zum endgültig letzten Mal."
"Wir haben so viel Energie in dieses Projekt gesteckt." Das Leugnen meldete sich erneut, so unvernünftig es auch war. Ich hätte es gerne Hoffnung genannt, aber falls dieses Gefühl Hoffnung war, dann nur eine falsche, hauchdünne Hoffnung. Eine Hoffnung, die einen nur verhöhnt.
Die Haare von Denise fielen wie ein heller, seidiger Vorhang über ihre Schultern und bildeten einen auffallenden Kontrast zu meinen Haaren. Wir waren zwar Cousinen, aber wir waren schon immer sehr verschieden gewesen: Denise war rotblond, hell und hatte Sommersprossen, ich war dunkelhaarig, blauäugig und hatte einen olivfarbenen Teint. Denise war häuslich und ich war ständig auf Wanderschaft.
"Whitney, wir müssen es aufgeben. Sonst verlieren wir am Ende beide Restaurants."
"Ich weiß. Ich weiß, dass du recht hast." Trotzdem rebellierte etwas in mir. Alles in mir rebellierte. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, schon wieder in die Enge getrieben zu werden. "Ich verstehe, dass du nur vernünftig bist. Außerdem musst du an Mattie denken. Und an deine Großmutter. Wir müssen den Schaden begrenzen, solange wir das erste Restaurant behalten können."
"Es tut mir leid", flüsterte Denise traurig. Da es Menschen gab, die von ihr abhängig waren, konnte sie kein weiteres Risiko eingehen. Wir waren in diesem Kleinkrieg, in dem ein unfairer Angriff auf den anderen folgte, schon viel zu weit gegangen. Wir kämpften gegen korrupte Bezirksbeamte, Baubehörden, die sich schmieren ließen, verlogene Baufirmen und einen Feuerwehrhauptmann, der für seine Vetternwirtschaft bekannt war. Sie alle steckten mit einheimischen Geschäftsbetreibern unter einer Decke, die in diesem Kaff keine Konkurrenz zulassen wollten.
Denise und ich hätten uns die Umgebung genauer ansehen sollen, bevor wir uns in das Fabrikgebäude mit seinem rustikalen Charme verliebt und beschlossen hatten, dass es ideal wäre, um hier ein zweites Bella Tazza und unser erstes richtig vornehmes Restaurant zu eröffnen. Das Bella Tazza 2 lag an einer stark befahrenen Durchgangsstraße, die viele Touristen in Richtung Norden benutzten, um dort ihren Skiurlaub oder ihren Sommerurlaub auf der Oberen Halbinsel von Michigan zu verbringen. Mit seinem hohen, beleuchteten Kornspeicherturm lud es die Autofahrer zur Rast ein.
Aber in den vergangenen elf Monaten hatten wir öfter geschlossen als geöffnet gehabt. Jedes Mal, wenn wir dachten, wir hätten den Kampf gewonnen und könnten unsere Gaststättenlizenz behalten, flatterte ein neuer Bescheid mit kostenintensiven Auflagen ins Haus und wir mussten vorübergehend schließen, bis wir die Auflagen erfüllten. Dann taten die Handwerker und die Baufirmen das Ihrige, um alles hinauszuzögern und die Kosten noch weiter in die Höhe zu treiben.
Du bist hier nicht diejenige, die sich entschuldigen muss, wollte ich zu Denise sagen, aber ich tat es nicht. Stattdessen sank ich auf eine Bank und betrachtete die Wandbemalung, die Denise und ich nach langen Arbeitstagen im Bella Tazza 1 im Nachbarbezirk hier angebracht hatten.
Mir wurde wieder übel.
"Sobald wir den Mietvertrag kündigen müssen, werden sie wie Geier über dieses Gebäude herfallen." Denise sprach aus, was ich dachte. Sie war zwar meine Cousine, aber eigentlich war sie eher wie eine große Schwester für mich. "Diese Aasgeier!"
"Ja, das ist das Schlimmste dabei." Aber das stimmte nicht. Das Schlimmste war, dass es meine Schuld war. Ich war dafür verantwortlich, dass wir so weit gegangen waren, um das Tazza 2 unbedingt zu behalten. Denise hätte sich Tagg Harper und seinen Handlangern schon längst ergeben. Denise wäre kein Risiko eingegangen.
Aber selbst jetzt konnte ich immer noch nicht akzeptieren, was passierte, obwohl wir schon alle Lebensmittel ins andere Restaurant verfrachtet und die Geräte und Einrichtungsgegenstände, die wir verkaufen konnten, aufgelistet hatten. Irgendwie war es Tagg und seinen Gefolgsleuten gelungen, dass sich der Termin für die Lizenzverhandlung beim Bezirksgericht um einen weiteren Monat hinauszögerte. So lange konnten wir aber nicht durchhalten, wenn das Tazza 2 geschlossen war, da wir trotzdem die monatlichen Rechnungen zahlen mussten. Das bedeutete das Ende, wenigstens für das Tazza 2. Wenn wir nicht aufpassten, würden wir dabei auch noch das Tazza 1 verlieren und die Angestellten, die wir noch hatten, stünden auf der Straße.
"Komm, gehen wir." Denise betätigte den Lichtschalter und tauchte das, wofür wir mit Blut, Schweiß und Tränen gekämpft hatten, in dunkle Schatten. "Ich kann es nicht mehr sehen."
Das Einschnappen des Türriegels verkündete eine unmissverständliche Endgültigkeit, aber mein Verstand arbeitete auf Hochtouren und mein Herz suchte immer noch nach einem Schlupfloch. Es wünschte sich, obwohl es längst fünf vor zwölf war, dass ein strahlender Held angeritten käme und uns vor dem Feind retten würde.
Doch statt des Schimmels eines rettenden Märchenprinzen stand nur Tagg Harpers Geländewagen ein Stück unterhalb unseres Parkplatzes am Straßenrand. Dieser widerliche Kerl! Wahrscheinlich kratzte er sich genüsslich den Bauch, trank ein Bier und grinste triumphierend.
"Oh, ich hasse diesen Mann!" Denise knirschte mit den Zähnen. "Am liebsten würde ich ."
Ich konnte nicht anders und ging einen Schritt in Taggs Richtung.
"Whitney, lass die Finger von ihm. Dieser Mann ist zu allem fähig."
Meine Verzweiflung verwandelte sich in einen fieberhaften Ärger. Ich hatte noch nie einen Menschen so gehasst wie Tagg Harper.
Denise hielt mich schnell an der Jacke fest. "Gönn ihm nicht noch mehr Genugtuung. Es ist schon schlimm genug, dass er unsere Geräte auf eBay sehen wird, sobald wir sie zum Verkauf anbieten. So ein abscheulicher Kerl! Gegen ehrliche Konkurrenz durch sein Restaurant hätte ich nichts einzuwenden, aber das ."
"Ich würde einfach gerne zu ihm hinübergehen und ihm einen kräftigen Tritt in seinen fetten Bauch verpassen." Nach den ständigen Kämpfen der letzten Monate dachte ich daran, Auffrischungskurse in der Kampfsportart Tang Soo Do zu belegen - ein Hobby, dass ich vor zwanzig Jahren aufgegeben hatte, seit ich nicht mehr von Halbstarken an der Schule belästigt wurde. Ich hatte Denise nichts davon erzählt, aber jemand schlich seit einigen Tagen nachts um meine Hütte herum.
Wie üblich konzentrierte sich meine Cousine auf das Praktische, darauf, den Schaden zu begrenzen. "Wir müssen versuchen, finanziell mit heiler Haut aus der Sache herauszukommen und das erste Restaurant über Wasser zu halten."
"Ich weiß." Das Problem war, dass ich im Kopf schon alles zusammengerechnet hatte, als wir unsere Versteigerungsliste im Gebäude erstellt hatten. Was wir für die Geräte und das Material bekämen, würde nicht einmal für die Abschlussrechnung der Stadtwerke reichen, geschweige denn für die Anwaltskosten und die Verwaltungsgebühren, die sich angesammelt hatten. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und da es nötig war, so viele Angestellte des Tazza 2 wie möglich im anderen Restaurant unterzubringen, war ich nicht einmal sicher, ob wir am Monatsende ihr Gehalt zahlen könnten. Aber wir mussten es zahlen. Unsere Angestellten rechneten damit. Sie hatten auch Rechnungen, die sie bezahlen mussten.
Meine Schuldgefühle, die sich Stein für Stein anhäuften, wurden immer schwerer, während wir über den Parkplatz zu unseren Autos gingen. Wenn ich vor fünf Jahren nicht nach Michigan zurückgekehrt wäre und Denise nicht überredet hätte, mit mir ein Restaurant zu eröffnen, hätte sie immer noch eine sichere Stelle als Lehrerin. Aber ich hatte einen großen Gewinn eingefahren, nachdem ich eine Stelle im gehobenen Management gekündigt, ein eigenes Bistro in Dallas eröffnet, es erfolgreich betrieben und dann mit gutem Gewinn wieder verkauft hatte. Mit vierhunderttausend Dollar in der Tasche war ich so sicher gewesen, dass ich die perfekte Erfolgsformel gefunden hätte....
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