Schweitzer Fachinformationen
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East London, Herbst 2023. Emmett, ein Schwarzer Jugendlicher, wird wegen Mordes an einem weißen Krankenpfleger verhaftet. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend: Zwei Leute haben gesehen, wie er in einem Park über einer Leiche stand, das Messer noch in der Hand.Angesichts der Vorverurteilung der Presse, einer blütenweißen Jury und eines weitgehend weißen Justizsystems stehen seine Chancen schlecht. Aber seine aufstrebende Anwältin Rosa weiß, dass die Leute zu vorschnellen Urteilen neigen, und vor allem ahnt sie, dass hier etwas nicht stimmen kann. Emmett kommt aus ihrem Viertel. Aus einer guten Familie. Also beginnt sie nachzuforschen und kommt einer Aussage näher, die den Fall gewinnen ? oder das ganze Establishment gegen sie aufbringen könnte.
Rosa klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Es war 9.30 Uhr, und die Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle zog sich vom Eingang des Harlesden Crown Court die Treppe hinunter bis auf die Straße.
Ihr rhythmisches Tappen hatte keinerlei Auswirkung auf das Vorankommen der Schlange. Resigniert versuchte sie weiter, die Unterlagen für den in letzter Minute übernommenen Fall dieses Mr Adebayo auf dem Handy zu lesen, als zwei Nachrichten eingingen, beide von Orissa. Die erste war ein Foto von Michelle Obama mit einer weißen Kalligraphie-Schrift darüber. Sie tippte darauf, um es zu vergrößern.
Auf die starken Frauen. Die wir kennen wollen. Die wir sein wollen. Die wir großziehen wollen.
Für eine einunddreißigjährige, erfolgreiche und extrem geschäftige Geschäftsfrau konnte Orissa manchmal oberpeinlich sein. Es war süß von ihr, aber Rosa war nicht in der Stimmung dafür, Zitate auszutauschen wie Teenager. Die Person vor ihr nachahmend, machte sie zwei große Schritte vorwärts und doppelklickte dabei auf das Foto, um zurück zu den Textnachrichten zu kommen.
Dabei musste ich an dich denken. Du hast das Beste verdient. Vermisse dich.
Rosa bekam ein schlechtes Gewissen. Orissa wollte nur nett sein. Schnell tippte sie eine Antwort.
Ich vermisse dich auch. Lass uns am Wochenende mal treffen.
Das war zu viel versprochen, wusste sie, aber es kam ihr angemessen vor. Sie hatte viel zu viel Arbeit an diesem Wochenende, um ein klatschlastiges Treffen mit einer Freundin unterzubringen. Vielleicht nächste Woche? Es kam sicher nicht darauf an, der gute Wille zählte. Rosa rückte weiter mit den Leuten vor ihr auf.
Ja, unbedingt! Ich hab dir jede Menge zu erzählen. Hast du mal wieder eine Verabredung gehabt, seit du dich von G., dessen Namen wir nicht nennen wollen, getrennt hast?
Die Frage löste ein Schnauben bei ihr aus. Sie hatte vergessen, dass sie Orissa noch nicht auf den neuesten Stand gebracht hatte. Das eilte jedoch nicht. Klar, sie war ihre beste Freundin, aber sie waren schließlich erwachsen. Sie hatten beide ihr Privatleben und brauchten sich nicht jedes Detail zu erzählen.
Noch nicht. Lass mir ein bisschen Zeit! Bin bei der Arbeit, wir sprechen uns am Wochenende. X
Das Küsschen sollte das Ende des Austauschs unterstreichen. Die Schlange kroch ein Stück voran, und sie wollte gerade ihr Handy einstecken, als es wieder brummte.
Es ist WOCHEN her, Rosa! Das sieht dir nicht ähnlich. Lass uns Cocktails trinken gehen am Wochenende! XXX
Die Schlange bewegte sich weiter, schneller jetzt. Sie stieg die Stufen zu der hohen Bogentür hinauf, wo sie wieder warten musste. Der Mann vor ihr trug einen schwarzen Gummireif um den Fußknöchel, verziert mit einem grauen Plastikteil an der Außenseite. Er gab sich keine Mühe, die elektronische Fußfessel unter seiner Trainingshose zu verbergen, die knapp über den Knöcheln endete. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, aber als er sich am Kopf kratzte, rieselten kleine Schuppenflocken herab wie Schnee.
Als sie endlich durch die Sicherheitskontrolle war, eilte sie in den Ankleideraum, wo sie ihren blauen Beutel mit der Anwaltstracht auskippte. Eine andere weibliche Barrister drehte sich zu ihr um und lächelte freundlich. Sie hatte glatte, glänzende blonde Haare, zu einem perfekten Knoten aufgesteckt. Ihre Augenbrauen waren zu feinen Bögen modelliert, ihre Augen mit dunkler Wimperntusche und honigfarbenem Lidschatten betont. Ihr Gesicht zeigte keinerlei Falten oder Unreinheiten, aber sie war auch deutlich jünger. Vielleicht eine Berufsanfängerin, die noch nicht viel Stress hinter sich hatte oder sogar noch in der Ausbildung war. Jedenfalls sah die Kollegin sehr viel gepflegter aus als sie, fand Rosa und merkte, dass ihre Wangen brannten. Sie erwiderte das Lächeln und legte schnell ihren Latzkragen an. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Brust, so dass der Latz daran festklebte, als sie ihn hektisch in den Ausschnitt ihres Kleids steckte. Alle Bemühungen, ihn glattzustreichen, schlugen fehl. Sie zog und zupfte, aber ihr Kleid war ein bisschen zu eng, und sie bereute die Trostesserei der letzten Wochen. Es war nicht möglich, den Latz ordentlich anzulegen, ohne das Kleid ganz auszuziehen.
»Verdammter Mist«, fluchte sie vor sich hin.
Entnervt griff sie nach ihrer Robe, die wenigstens ihren Bauch einigermaßen verhüllen würde, und dann nach der verzierten Dose mit ihrer Perücke, auf der in Goldbuchstaben ihr Name stand. Sie öffnete den Deckel und nahm das aus Pferdehaar gemachte ringellockige Requisit heraus. Während sie es vorsichtig aufsetzte, ging sie zum Spiegel, doch eine andere Anwältin, die sie zwar kannte, deren Name ihr aber gerade nicht einfiel, war näher dran und stand im selben Moment auf. Es war ein Wettlauf zum Spiegel, und sie hatte an diesem Tag keine Zeit dafür. Sie benutzte ihre Handykamera als Handspiegel und schob damit ihre Perücke so gut es ging zurecht. Müdigkeit stieg in ihr auf. Sie kroch von ihren geschwollenen Füßen in den drückenden Schuhen die Beine hinauf und breitete sich in ihrem Oberkörper aus, bewirkte, dass sie sich nach dem ausgelassenen Frühstück sehnte, und sickerte in ihren Kopf, worauf sie blinzelte und ihn schüttelte, als könnte sie sie durch die Ohren loswerden.
Rosa setzte sich einen Moment, um Atem zu schöpfen, ertappte sich gleich darauf dabei, wie sie automatisch durch die Nachrichten-Websites auf ihrem Handy scrollte. Ihre lackierten Fingernägel kratzten über die Display-Schutzfolie, ihr Daumen glitt wiederholt von oben nach unten, als sie die Flut der Artikel bis zum Ende überflog. Die Überschriften wiederholten sich, als hätten die Journalisten darum gewetteifert, dieselbe Aussage auf möglichst verschiedene Weise zu formulieren.
Mann in einem Park in Walthamstow niedergestochen.
Messerstecherei in Walthamstow: Polizei nimmt Achtzehnjährigen fest.
Rettungseinsatz am Tatort eines Messerangriffs im Londoner Osten.
Die Berichte waren vor einigen Stunden veröffentlicht worden. Rosa aktualisierte die Seite, woraufhin die Schlagzeilen in einem weißen Feld verschwanden und ein kleiner Kreis aus Punkten in der Bildschirmmitte tanzte. Ungeduldig rieb sie mit dem Daumen über die glatte schwarze Silikonhülle ihres Telefons, während die fetten schwarzen Lettern langsam wieder erschienen. Ein neuer Artikel poppte auf. Unter der Titelzeile stand in kleiner grauer Schrift: »Vor einer Minute.«
Eilmeldung: Mann als tot bestätigt nach brutaler Messerattacke in einem Park in East London.
Ihr Blick zuckte mehrfach über die Zeile, blieb jedes Mal bei einem Wort am Anfang hängen: tot. Das war also jetzt ein Mordfall. In den Bericht war ein kleines Bild von einem Reporter eingefügt, darüber schwebte ein graues Dreieck, das zum Abspielen des Videos aufforderte. Sie schaltete den Ton stumm und klickte darauf.
Das Bild ruckte, dann sah man den von der Polizei abgesperrten Park, leerer, als Rosa ihn je erlebt hatte. Gruppen von Neugierigen standen hinter der Absperrung, wollten offenbar herausfinden, was passiert war. Plötzlich stoppte das Video, sie tippte auf den Bildschirm, um es wieder zum Laufen zu bringen, jedoch vergebens. Sie wartete einen Moment, ob das Signal aufholte, aber nichts passierte. Ein rotierender Pfeil am oberen Rand bot die Möglichkeit, die Seite zu aktualisieren, was sie bereitwillig tat. Wieder wartete sie, die Seite lud neu, dann klickte sie auf die Stelle, an der das Video angehalten hatte. Nach weiterem Ruckeln erschien Nanas Wohnblock im Bild, ein unansehnliches, tristes Hochhaus aus rotem und braunem Klinker, das schroff zwischen den umliegenden Häusern in den Himmel ragte. Gleichförmige kastenartige Balkone und blaue Wohnungstüren zierten...
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