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Darryl Wilson war ständig unterwegs, zog von einer Stadt in die andere, manchmal, weil sich ihm eine Gelegenheit bot, manchmal, weil er in Not war, manchmal, weil er Zuflucht vor einer weiteren persönlichen Katastrophe suchte, wie sie ihn sein ganzes Leben lang so unerbittlich verfolgten. Als ich ihn in den späten 1980er Jahren kennenlernte, lebte er in Davis. Seine Frau, Danell Garcia, war - tragischer- und ironischerweise wie seine Mutter - bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und er hatte sich erst kurz zuvor aus den Tiefen der Verzweiflung befreit. Er hatte sich an der UC Davis eingeschrieben und arbeitete an seinem Bachelor-Abschluss, während er zwei kleine Söhne, die Zwillinge Seterro und Theo (im Indianerland als Hoss und Boss bekannt), großzog.
Dann folgten die Jahre in Tucson, wo er an der University of Arizona promovierte; in San Jose, wo er sich als Dozent an verschiedenen Colleges ein Auskommen verschaffte, als Geschichtenerzähler durch den Staat reiste und eine lyrische, zornige und visionäre Literatur verfasste, die ihm überall Freunde und Bewunderer einbrachte; und in Gardnerville, Nevada, wo er jungen Mitgliedern des Washo-Stammes Kultur und Sprache vermittelte. Im Jahr 2000 erlitt er in Nevada einen fast tödlichen Schlaganfall, den er schwerbehindert überlebte. Er zog wieder nach San Jose und dann nach Santa Cruz, Kalifornien, wo er mit seinen inzwischen erwachsenen Zwillingssöhnen in einer örtlichen indianischen Gemeinschaft lebte, die seinen Geschichten zuhörte, seine Weisheit zu schätzen wusste und sich um ihn kümmerte, bis er im Mai 2014 verstarb.
Doch bei all seinen Wanderungen verließ Darryl - in seiner Vorstellung, seinen Schriften, seinen Geschichten und im tiefsten Inneren seiner Seele - nie auch nur für einen Tag Hamma'wi, das Land am Pit River, das Land, in dem er geboren wurde. Reich an tiefgehenden persönlichen Erinnerungen und emotionalen Bindungen war Hamma'wi sein heiliges Land: Es war sein Jerusalem, sein Bethlehem, sein Mekka. »Am Morgen, als die Sonne unterging« ist daher mehr als nur die Erinnerung an ein individuelles Leben: Es ist der Atlas einer spirituellen Landschaft. Jedes Kapitel, ob es nun ein persönliches Erlebnis, eine historische Begebenheit oder eine Geschichte aus der Traumzeit schildert, ist in sich abgeschlossen und immer an einem bestimmten Ort angesiedelt: It'Ajuma (Pit River), Bo'ma-Rhee (Fall River Valley), Haya'wa Atwam (Porcupine Valley), Goose Valley und so weiter.
Unser heutiges Lebensgefühl wird so sehr von Einzelpersonen geprägt, dass wir Orte oft nach Personen benennen, und Pit River ist da keine Ausnahme. Auf einer modernen Karte des Gebiets finden sich Namen wie Clayton Canyon, Burney Falls, Pittville, McGee Peak und viele andere. (Ich kann nicht umhin, mich zu fragen: Hat jemals jemand den Gipfel gefragt, ob er McGee genannt werden möchte?) In der Welt, in die Darryl hineingeboren wurde, bezeichnete und bestimmte dagegen der Ort die Person. »Mein einheimischer Name, Sul'ma'ejote«, erklärte Darryl einmal, »ist Ausdruck unserer Kultur und bezieht sich auf die Landschaft, in der ich geboren wurde, am Nordufer des Sul'ma'ejote (Fall River bei Fall River Mills).« In einem Interview mit der Indian Times, einer Publikation der UC Riverside, erklärte er 2007 seinen Namen und seine Identität auf diese Weise:
Meine Verbindung zu meiner Mutter und zur Erde liegt im Fall River Valley, und dort am Fall River. Deshalb muss mein Geburtsname diese Verbindung bezeugen. Ich bin Sul'ma'ejote. Es gibt nur einen Sul'ma'ejote (den Fluss), der von den großen kosmischen Mächten anerkannt wird. Bis in die jüngste Zeit wurden alle männlichen Wesen nach der Landschaft benannt, in der sie geboren wurden. Auf diese Weise kann jeder dich, deinen Geburtsort, deine Abstammung und deine Geschichte allein anhand deines Namens erkennen. Ramsey Bone Blake hieß bei seiner Geburt Chuta'puki ahew, jui ajijujui. Man sollte also sofort wissen, wer er war, wer sein Volk war und wo der Berg war, an dem es sieben Quellen gibt, von denen eine Juiajijujujui heißt (wo das Wasser emporquillt und Moos und Gras immerfort tanzen). Auf diese Weise wird die männliche Person zu einem festen Teil der Landschaft. Wie meine Tante Gladys sagte, als sie ihren Arm über die bergige Landschaft schwang: »Noch lange wird unser Geist fortbestehen, wenn diese Berge schon zu Staub geworden sind.« Wir bleiben für immer Teil des Landes. Sie sagte auch: »Du musst einen >richtigen< Namen haben, sonst wissen die Großen Mächte nicht, wem sie beistehen sollen.«
Wie wichtig der Ort für Darryl war, zeigte sich auf dramatische Weise bei einer Fahrt, die wir vor einigen Jahren gemeinsam unternahmen. Es war nach dem verheerenden Schlaganfall, der eine Seite seines Körpers fast vollständig gelähmt hatte. Ray March, ein Zeitungsredakteur, der in der winzigen Stadt Cedarville im Surprise Valley im Modoc County im Nordosten Kaliforniens lebt, hatte eine Literaturveranstaltung ins Leben gerufen und den Dichter Gary Snyder, den Geologen Eldridge Moores, den Gelehrten und Kulturaktivisten Jon Christensen, Darryl und mich sowie einige örtliche Dichter und Schriftsteller zu Vorträgen und Seminaren eingeladen.
Darryl lebte damals in San Jose, und ich bot ihm an, ihn zu der Konferenz mitzunehmen. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, und als einer seiner Söhne, der nun als sein Betreuer fungierte, ihn an unserem Büro in Berkeley absetzte, erschrak ich tief. Ich hatte Darryl noch so vor Augen, wie ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte: gutaussehend, lebhaft und charmant, ein Mann von großer Körperkraft und sportlicher Ausstrahlung. Der Mensch, den ich jetzt sah, war welk und gebrechlich, fast taub, kaum in der Lage zu gehen, und seine einst dröhnende Stimme war jetzt leise und vernuschelt. Es war ein warmer Tag, und er konnte seine Jacke nicht ohne Hilfe ausziehen, war nicht in der Lage, sich um seine Grundbedürfnisse zu kümmern.
Mit Mühe setzte ich Darryl in mein Auto und machte mich auf die siebenstündige Fahrt. Die erste Etappe, die durch das Sacramento Valley nach Redding führte, war sehr anstrengend. Er hatte Probleme, mich zu verstehen, also musste ich schreien. Seine Sprache war so undeutlich, dass ich das meiste, was er sagte, nicht verstehen konnte, und es war eine wahre Meisterleistung, ihn bei den häufigen Pausen, die er brauchte, aus dem Auto und wieder hineinzubekommen.
Während der ersten hundert Meilen war ich überzeugt, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben, als ich Darryl anbot, ihn mitzunehmen. Dann kam Akoo-Yet (Mount Shasta), das spirituelle Zentrum der Welt des Pit River, in Sicht. Darryl bemühte sich, aufrechter zu sitzen, um ihn besser sehen zu können, und er begann, über den winzigen, aber mächtigen Geist Mis Misa zu sprechen, der im Inneren des Berges lebte und für das Gleichgewicht der Welt sorgte. Während er sprach, schien er in einen tranceartigen Zustand zu geraten, als würde er ein Diktat aus der jenseitigen Welt empfangen, und seine Stimme gewann an Kraft und Klarheit. Als wir Redding erreichten und in Richtung Osten nach Alturas weiterfuhren, gelangten wir in das Pit River Country, Darryls Heimatland. Mit wachsender Begeisterung, Kraft und Lebendigkeit begann Darryl die Orte zu beschreiben, an denen wir vorbeikamen: Diese Straße hinauf wohnte Craven Gibson, der uns immer Geschichten in der alten Sprache erzählte. Diese Straße hinauf wohnten Tante Gladys und Onkel Rufus. Dieser Steinhaufen wurde von Old Coyote umgestoßen, als er eine Frau den Hügel hinauf verfolgte. An dieser Ecke gab es eine Bar, in der auch Minderjährige bedient wurden. Dieser Wasserfall birgt ein Geistwesen mit magischen Kräften. An diesem Berghang sammelten Frauen Apaswurzeln, als eine Miliz sie angriff und fast alle tötete; meine Ururgroßmutter war eine der wenigen, die entkamen. Dort ging ich mit meinem Vater auf Hirschjagd. Meile um Meile wurden Geschichten erzählt.
Während ich von der siebenstündigen Fahrt ziemlich erschöpft war, als wir den Konferenzort in Cedarville erreichten, stieg Darryl quicklebendig aus dem Auto; seine Stimme war jetzt kräftig und klar, sein Wesen lebhaft, er sah jugendlich und selbstbewusst aus, bereit, es mit der ganzen Welt aufzunehmen.
»Wir sind nicht so verletzlich, dass Kugeln unseren Geist brechen könnten«, schreibt Darryl im ersten Absatz dieses Buches. Auch wenn er sich damit auf sein Volk bezieht, könnte man dies mit demselben Recht über sein Leben sagen. So oft ihm die Welt auch einen vernichtenden Schlag versetzte, sein Geist, genährt und getragen vom Land seiner Geburt, blieb ungebrochen. Als sich an jenem Tag die Menschen in Cedarville um ihn versammelten, schien Darryl von einer Kraft zu glühen, die über ihn hinausging. Das erinnerte mich daran, wie die Schamanen am Pit River in alten Zeiten ihre geistigen Helfer, die Dinihowis und Damaagomes, anriefen, damit sie ihnen bei ihren Heilungen halfen. Darryl hatte die Mächte von Hamma'wi, seinem Heimatland, angerufen, und sie gaben ihm Antwort. Annikadel war an seiner Seite, ebenso wie Kwaw (Silver-Gray Fox), Jamol (Old Coyote) und Wa-lowchah (Wolkenmädchen). Diese und andere Geistwesen, die vom »Großen Geheimnis« singen und die Welt ins Dasein träumen, waren da, um Darryl daheim willkommen zu heißen. Sie kamen aus demselben Grund wie...
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